18_09_13 Daten sind frei? Kommerz oder Kontroll?

Die Daten sind frei? Kommerz oder Kontrolle? (07.+13.09.2018)

Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DS-GVO) ist seit dem 25. Mai 2018 zur Anwendung in den EU-Mitgliedsstaaten aufgegeben worden. Bis zu ihrem Entstehen war es ein langer Weg. Gemeinsam mit der „CIVIC GmbH – Institut für internationale Bildung“ hat das Europe Direct Dortmund im Rahmen seiner Europa-Projektwochen 2018 Schulen und Jugendeinrichtungen die Politiksimulation „Die Daten sind frei? Kommerz oder Kontrolle?“ angeboten, das eben diesen langen Weg der Gesetzgebung auf europäischer Ebene nachstellt. Wir durften drei dieser Simulationen durchführen – am Gymnasium an der Schweizer Allee in Dortmund sowie an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum.

Die EU-DS-GVO

Als EU-Verordnung wurde die DS-GVO im Mai 2016 verabschiedet und musste bis zum Mai 2018 in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Sie trat unmittelbar in Kraft und ist allgemeingültig. Mit ihr wurden einheitliche, EU-weite Regeln festgelegt, wie die personenbezogenen Daten der EU-Bürger_innen gesammelt und verarbeitet werden dürfen und müssen. Damit sind sie aber nicht ausschließlich für innerhalb der EU ansässige Unternehmen und Institutionen bindend, sondern auch für alle international agierenden Einrichtungen, die Daten von EU-Bürger_innen erheben. Auf der Webseite der EU kann die Verordnung im Original nachgelesen werden.

Politiksimulation

Wer oder was sammelt wo und wann personenbezogene Daten? Wie alltäglich das Sammeln unser aller Daten geworden ist, stellten die Jugendlichen gleich zu Beginn der Simulationen in der einführenden Diskussion fest. Zur Debatte stand dabei, wie sinnvoll ein solches Datensammeln ist. Werden beim Online-Shopping die Adressen gespeichert, ist das sinnvoll, um beim nächsten Einkauf Zeit zu sparen. Speichern aber beispielsweise Fitness-Armbänder den kompletten sportlichen Tagesablauf oder sogar unser Essverhalten, können solche Daten in den falschen Händen sehr schnell zweckentfremdet werden. Dies sahen die Schüler_innen als größte Gefahr beim ungeregelten Umgang mit persönlichen Daten an, insbesondere wenn dies durch private Unternehmen geschehe.

An dieser Stelle setzte die Simulation an: Durch das Nachspielen der drei Gesetzgebungsinstanzen auf EU-Ebene (Kommission, Parlament und Ministerrat) sollten die Jugendlichen entlang des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ein Gesetz zur Regelung der Speicherung personenbezogener Daten erlassen. Zunächst veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag und gab diesen an Parlament und Rat weiter. Die EU-Abgeordneten und Minister_innen diskutierten zeitgleich in einer ersten Lesung den Entwurf und entschieden über Änderungen. Diese wurden schließlich unter beiden Gremien ausgetauscht und nochmals zur Abstimmung gestellt. Gab es auch in dieser zweiten Lesung Uneinigkeiten, wurde der Vermittlungsausschuss einberufen und alle drei Instanzen sammelten sich und diskutierten erneut miteinander. Ziel der Simulation war nicht, ein Gesetzgebungsverfahren erfolgreich durch die Instanzen zu bringen, sondern die Abläufe hinter dem Verfahren kennenzulernen und zu verstehen.

Am Gymnasium an der Schweizer Allee war es vor allem das Parlament, das heftig diskutierte: Wie genau sollen Unternehmen bestraft werden? Soll eine eigene EU-Behörde über die Kontrolle der Unternehmen urteilen? Wer soll diese finanzieren? Man wollte die Unternehmen bei Gesetzesbruch angemessen bestrafen, aber sie auch nicht davon abschrecken, auf dem europäischen Wirtschaftsmarkt aktiv zu sein. Am Ende der ersten Lesung wurden nur wenige Änderungsanträge gestellt. Trotz vieler Vorschläge fehlten die nötigen Mehrheiten, sowohl im Rat als auch im Parlament. Wie schwierig eine Gesetzgebung, die viele unterschiedliche Interessen vereinigen soll, sein kann, zeigte dieses Beispiel. Am Ende konnte aber ohne einen Vermittlungsausschuss das Gesetz angenommen und unterzeichnet werden.

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Unterzeichnung des erfolgreichen Gesetzesvorschlags durch Kommissions-, Parlaments- und Ratspräsident (Gymnasium an der Schweizer Allee in Dortmund).

In den beiden Simulationen an der Willy-Brandt-Gesamtschule wurden inhaltlich ähnliche Diskussionen geführt. Auch hier waren sich unternehmerfreundliche und Datenschutz-befürwortende Abgeordnete und Minister_innen besonders in Fragen der Bestrafung der Unternehmen bei Verstoß gegen das Gesetz uneinig. Jedoch konnten einige mehr Änderungsanträge erzielt werden, was zum einen an einer höheren Kompromissbereitschaft der Beteiligten lag, aber auch an dem verhältnismäßig stark unternehmerfreundlichen Vorschlag der Kommission, der wenige Anhänger_innen in Parlament und Rat fand. Während man sich in einer Gruppe schon nach erster Lesung einigte, wurde in einer zweiten Gruppe heftig weiterdiskutiert: Durch die Vielzahl an Änderungsvorschlägen wurden in zweiter Lesung in vielen Detailfragen Unterschiede zwischen Rat und Parlament festgestellt. Es brauchte also einen Vermittlungsausschuss, jedoch scheiterte auch dieser. Reibungspunkte zwischen den Instanzen stellten somit die größte Schwierigkeit dar, während in Parlament und Rat selbst eine schnelle Konsensbildung der Fall war.

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Abstimmung über einen Änderungsantrag im Europäischen Parlament (Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum).

Was haben die Jugendlichen mitgenommen?

Indem die Jugendlichen in die Rollen von Politiker_innen aller drei EU-Institutionen Kommission, Parlament und Rat schlüpften, wurden sie in eine dem tatsächlichen europäischen Gesetzgebungsverfahren ähnelnde Situation gebracht. Es wurde vor allem ein sehr selbstständiges Arbeiten gefördert, das gerade in den Diskussionen in Rat und Parlament zu einem höheren Einsatz für die eigene Position geführt hat. Eine besondere Lernerfahrung für alle Gruppen war, zu erleben, wie schwierig sich Verhandlungen durch stark divergierende Standpunkte und Zielvorstellungen gestalten können. Die Schüler_innen konnten persönlich nachvollziehen, wie viele Hürden ein Gesetz erst nehmen muss, bevor es in Kraft treten kann – und wie viele Kompromisse notwendig sind. Zu diesen Schwierigkeiten gesellen sich im realen Leben noch Sprachbarrieren oder überfüllte Terminkalender der Abgeordneten und Minister_innen.

Die Veranstaltungen fanden im Rahmen der Europa-Projektwochen 2018 unter dem Titel „Digit(at)lokratie? eu.demokratie.digitalisierung“ statt. Sie wurden vom Europe Direct Dortmund in Kooperation mit der Auslandsgesellschaft.de e.V., der Stadt Dortmund und dem DGB Dortmund-Hellweg organisiert und durchgeführt.

Text: Junes Katilah, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Lena Borgstedt und Junes Katilah, Auslandsgesellschaft.de e.V.