Die Corona-Impfstrategie der EU

Die Corona-Impfstrategie der EU

Nach und nach werden die Impfstoffe verschiedener Unternehmen gegen das Coronavirus nach ausführlicher Prüfung auf Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) von der Europäischen Kommission zugelassen. Bisher (Stand: 25. Januar 2020) sind die Impfstoffe vom deutsch/US-amerikanischen Konzern BioNTech/Pfizer und vom US-amerikanischen Konzern Moderna EU-weit zugelassen und weitere Unternehmen wie z.B. der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca haben eine Zulassung beantragt; diese soll bis spätestens Freitag, 29. Januar durch die EMA erteilt werden. Doch wieso verläuft der Impfstart in Deutschland so schleppend? Wieso gibt es Engpässe und Lieferschwierigkeiten? Wir beantworten diese Fragen und erklären die Impfstrategie der EU.

Die Strategie der EU

Bereits am 17. Juni 2020 hat die Europäische Kommission eine Strategie für eine schnelle Entwicklung, Herstellung und Bereitstellung von Impfstoffen gegen das Coronavirus vorgelegt. Es soll sichergestellt werden, dass EU-weit nur qualitativ hochwertige, sichere und wirksame Impfstoffe hergestellt und verbreitet werden und dass alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen Zugang zu den genehmigten Impfstoffen haben.

Die Strategie der EU beruht auf zwei Grundprinzipien: Die EU-Mitgliedsstaaten bestellen erstens gemeinsam, um einen nationalistischen Wettlauf zu vermeiden und die EU setzt zweitens auf mehrere Hersteller, um das Risiko, beispielsweise einer erfolglosen Impfstoffentwicklung, möglichst breit zu streuen. Stand jetzt konnten beide Grundprinzipen erfolgreich durchgesetzt werden. Die Impfdosen werden also anteilig der Bevölkerung an die Mitgliedsstaaten verteilt und ein „Germany first, Croatia second“-Szenario kann verhindert werden. Verantwortlich für die Bestellung sind die Mitgliedsstaaten selbst: Sie nehmen die vereinbarten Mengen ab und bezahlen diese. Dieses Vorgehen wurde von allen 27 Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat gebilligt. Auch beim EU-Gipfel am 15. und 16. Oktober 2020 betonte der Rat „wie wichtiger ein solider Genehmigungs- und Überwachungsprozess, der Aufbau von Impfkapazitäten in der EU und fairer und finanziell tragbarer Zugang zu Impfstoffen sind“. Doch wieso gibt jetzt doch so viele Probleme wie z.B. Lieferengpässe in Deutschland?

Hat die EU zu wenig Impfdosen bestellt?

Für 450 Millionen EU-Bürger:innen hat die EU zwei Milliarden Impfdosen bei den sechs aussichtsreichsten Herstellern bestellt. Weil im Sommer, als die Verträge geschlossen wurden, nicht abzusehen war, welcher Konzern als erster Erfolg mit der Entwicklung haben wird, hat die EU deutlich überbestellt. Dass der Impfstoff von BioNTech als erstes die Zulassung erhalten würde, war damals noch abzusehen. Da aber dieser Impfstoff im Verhältnis zu den anderen teurer ist und die Lagerung kompliziert ist, hat die EU bei anderen Herstellern mehr bestellt. Selbst wenn die EU mehr Impfdosen bei BioNTech bestellt hätte, hätte das nicht unbedingt zu schnelleren Impfungen geführt: Denn das Problem ist nicht die geringe Bestellmenge, sondern dass die Produktionskapazität der Hersteller momentan noch zu niedrig ist. Die Produktionskapazitäten sollen durch den Umbau der Werke vergrößert werden. Die EU hat beispielsweise BioNTech mit 100 Millionen Euro gefördert und dafür die Zusage für 300 Millionen Dosen Impfstoff bekommen. Alleine davon könnten bis zu 28 Millionen Deutsche geimpft werden. Bis der Umbau abgeschlossen ist, kommt es, auch in Deutschland, zu Lieferverzögerungen.

Wieso läuft der Impfstart in Deutschland so zögerlich an?

Gerne wird in dieser Frage beispielsweise mit Israel argumentiert, wo bereits am 9. Januar 2021 knapp zwei Millionen der rund neun Millionen Einwohner:innen die erste Dosis BioNTech-Impfstoff erhalten haben. Doch zu beachten ist: Die Organisation für rund neun Millionen Menschen ist deutlich leichter als für 450 Millionen Menschen EU-weit und 80 Million Deutsche. Dass der Impfstoff in Israel in größeren Mengen vorhanden ist, liegt vor allem daran, dass die israelische Regierung entschlossener und risikofreudiger bei BioNTech bestellt hat, als die EU es getan hat.

Wenn man den Impfstart in den EU-Mitgliedsstaaten vergleicht, liegt Deutschland im vorderen Bereich. Da in Deutschland die Bundesländer für die Impfungen verantwortlich sind, gibt es innerhalb Deutschlands große Unterschiede bei den verabreichten Impfdosen. In den Niederlanden wurde Anfang Januar noch nicht mit dem Impfen gestartet und in Italien lagerten eine Woche nach dem offiziellen Impfstart noch dreiviertel der Dosen ungeöffnet in Lagerhallen. Nichtsdestotrotz wird durch die EU-Impfstrategie sichergestellt, dass der Impfstoff fair und nach gleichen Kriterien an alle Mitgliedsstaaten ausgeliefert wird.

Die Alternative, dass die EU-Staaten auf nationaler Ebene Impfstoffe ordern, wäre die schlechtere. Denn knappe Ressourcen führen zu ungleichen und oftmals unfairen Wettkämpfen. Nationale Alleingänge hätte die EU vor weitaus größere Herausforderungen gestellt. Außerdem ist die Einkaufsmacht als Staatenbund gegenüber den Pharmaherstellern größer und auch die Bedingungen wie Preis, Lieferfristen und Haftungsfragen können erfolgreicher verhandelt werden. Die EU-Bürger:innen sind nur vor dem Virus geschützt, wenn alle EU-Bürger:innen vor dem Virus geschützt sind, da so das Reisen sicherer wird und auch der Binnenmarkt nur zusammen funktionieren kann. Und die Zulassung weiterer Impfstoffe und höhere Produktionskapazitäten dürften die Engpässe im ersten Quartal 2021 langsam, aber sicher verringern.

Text: Lea Mindermann