Die EU und der Israel-Palästina-Konflikt (01.09.2017)
Am 01. September 2017 ging es im Europe Direct Dortmund um das Thema „Die EU und der Israel-Palästina-Konflikt“. Referent war der Europaabgeordnete Prof. Dr. Dietmar Köster; moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Hisham Hammad stellvertretend für den Kooperationspartner Deutsch-Palästinensischer Länderkreis.
Dr. Hisham Hammad hob in seinen einleitenden Worten die wichtige Rolle der Europäischen Union im Israel-Palästina-Konflikt hervor, wünschte sich jedoch ein noch intensiveres Eingreifen von ihr.
Prof. Dr. Köster und der Israel-Palästina-Konflikt
Dr. Köster betonte zu Beginn seines Vortrags, dass es ihm ein persönliches Anliegen sei, über das Thema zu sprechen. Dies wäre nicht nur wegen seiner Biographie der Fall – er engagierte sich zu seiner Studentenzeit in den 80er Jahren stark in der Friedensbewegung – sondern er reiste bereits nach Israel, um die Situation vor Ort kennenzulernen. Köster sagte: „Der Frieden ist nicht alles – aber alles ist ohne den Frieden nichts.“ (Willy Brandt)
Er forderte außerdem ein Ende der Besatzungspolitik und lehnte deutlich die Anwendung von Waffengewalt, egal von welcher Seite, ab. Diese habe bereits zu viele unschuldige Zivilisten verletzt und getötet.
Momentane Lage in Israel und Palästina
Seit 2014 herrscht im Gaza-Streifen eine unbefristete Waffenruhe.
Köster beschrieb die Situation vor Ort als sehr schwierig, da mehr als 80% der Menschen unter der Armutsgrenze leben. Außerdem sei Korruption ein sehr großes Problem, so dass immer mehr Menschen das Vertrauen in Politiker*innen verlören.
Die Lösung des Konflikts werde zudem von der Haltung beider Seiten erschwert, so Köster: So zitierte er eine Studie, laut der 37% der Palästinenser*innen denken, dass Gewalt gegen Israelis richtig sei. 33% setzen dagegen auf Verhandlungen.
Wenn es zu Verhandlungen kommen sollte, ist für Köster unklar, wer für die israelische Regierung Verhandlungspartner sei. Er stellte außerdem die Frage in den Raum, ob in Israel demokratische Züge wie in Europa herrschen: Gilt der Schutz der Rechte von Minderheiten? Wird wirklich für Frieden gekämpft?
Wie verhält sich die EU?
Köster sagte zunächst, dass die Bevölkerung in der EU gegenüber Israel, aber auch gegenüber Palästina eine zunehmend kritische Haltung einnehme.
Auf politischer Ebene, so erläuterte er, bewege sich die EU im Rahmen der UNO-Resolution. Sie ist Teil des 2002 gegründeten Nahostquartetts und somit gleichwertiger Partner neben den USA, Russland und der UNO. In diesem Rahmen unterstütze die EU eine Zweistaatenlösung auf friedlichem Wege. Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, betone zudem – so Köster– wie wichtig ein aktiver Einsatz der EU vor Ort sei.
Im Rahmen der Nachbarschaftspolitik hatte die EU Anfang der 2000er Jahre einen Aktionsplan mit Israel entwickelt, um es stärker in die europäische Politik und Wirtschaft einzubinden. Aufgrund der israelischen Siedlungspolitik habe die EU diesen „Aktionsplan“ jedoch vorerst auf Eis gelegt. Zudem erhielten Produkte aus der Besatzungszone zeitweise nicht dieselben Handelsvorteile wie andere Produkte aus Israel. Dies hatte jedoch lautstarke Proteste aus Israel hervorgerufen – auch Köster kritisierte dieses Vorgehen. Dementsprechend wurde es schnell wieder rückgängig gemacht.
Die EU unterstütze die palästinensische Autonomiebehörde sowie die palästinensische Flüchtlingshilfe ebenfalls finanziell, so Köster. Zudem erhalte kein anderes Land der Welt so viel ausländische Unterstützung wie Palästina: So habe die UN beispielsweise ein eigenes Flüchtlingshilfswerk für Palästina eingerichtet und von der EU fließen pro Jahr 1,2 Milliarden Euro nach Palästina.
Wichtig wäre aber vor allem, dass die zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort zusammenarbeiten.
Die Rolle der USA und die Zweistaatenlösung
Ein wichtiger Akteur im Israel-Palästina-Konflikt ist u.a. die USA. Die Wahl von Donald Trump beschrieb Köster sehr kritisch, da seine „egoistische Politik“ zu einer Renationalisierung führe, die nicht gut sei. Viel mehr bräuchte man eine „Weltinnenpolitik“, um dieser internationalen Krisenlandschaft zu begegnen. Diese „Eigendynamik der Krisen, die nicht mehr zu händeln sei“ erinnere Köster stark an den 1. Weltkrieg. Der Referent war außerdem der Meinung, dass der „Krieg gegen den Terrorismus“, den die USA betreibe, gescheitert sei. Einen Krieg gegen einen anderen Krieg zu beginnen, sei keine sinnvolle Lösung, sondern ein „vollkommen falscher Weg“. So kritisierte er Pläne der USA für mehr Kostenausgaben in der Rüstung. Köster sagte, dass Trump den Eindruck erwecke, dass er gegen eine Zweistaatenlösung sei. Ein Indikator dafür sei, dass die USA nur Israel mit Militärhilfen unterstütze.
Eine Zweistaatenlösung mit Jerusalem als Hauptstadt, wie es eine EP-Resolution von 1947 vorschlägt, werde Kösters Meinung nach immer schwieriger. Durch die Besatzung würden die Grenzen zunehmend unübersichtlicher und eine Zweistaatenlösung „immer schwieriger umzusetzen“. Man müsse also durchaus auch über neue Modelle nachdenken; beispielsweise eine Konföderation wie in Irland und Nordirland. Es bleibe nicht aus, dass die EU eine wichtige Rolle spiele, diese können sie jedoch nur leisten, wenn sie als Union fortbestehe und von ihren Mitgliedstaaten mehr Kompetenzen erhalte, schloss Köster seinen Vortrag.
Diskussion mit dem Publikum
Im Anschluss an Kösters Ausführungen gab es viele Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum: Zunächst wurde tiefergehend über die wirtschaftlichen Machtverhältnissen und die schwierige Lage der Palästinenser*innen diskutiert. Auch die Beilegung des Konflikts in Form einer Zweistaatenlösung wurde durchgespielt. Man war sich einig, dass diese nur schwer umzusetzen sei und überlegte Alternativen, wie eine Einstaatenlösung oder eine Konföderation. Auch die Rolle der EU wurde in diesem Zusammenhang in den Blick genommen.
Text: Lena-Marie Jäkel, Lena Borgstedt
Fotos: © Lena Borgstedt, Auslandsgesellschaft NRW e.V.