„Erste Schritte hin zur Klimaneutralität in 2050: Die Klimawende in Dortmund“ (23.06.2020)

„Erste Schritte hin zur Klimaneutralität in 2050: Die Klimawende in Dortmund“ (23.06.2020)

Klimaschutz beginnt bekanntlich am besten im Kleinen, nicht anders ist es mit der europäischen Klimapolitik. Nachdem letzte Woche der Einfluss sozialer und umweltpolitischer Bewegungen auf die Klimapolitik der EU diskutiert wurde, ging es zum Abschluss der diesjährigen Europa-Projektwochen zum Thema „Klima- und Umweltpolitik in der EU“ darum, was die europäische Klimapolitik für Städte und Kommunen bedeutet und welche lokalen Maßnahmen zur Umsetzung der geplanten Klimawende zum Einsatz kommen. Diese und weitere Fragen beantwortete Michael Leischner, Abteilungsleiter Klima, Luft und Lärm vom Umweltamt der Stadt Dortmund in seinem Vortrag mit anschließender Fragerunde und Diskussion am 23.06.2020. Dabei ging er insbesondere auf konkrete Klimaschutzmaßnahmen der Stadt Dortmund ein und erläuterte, wie genau die städtische Agenda für die kommenden Jahre aussieht. Moderiert wurde die Diskussion, welche dieses Mal online über edudip stattfand, von Dr. Kai Pfundheller, dem Leiter des Instituts für politische Bildung in der Auslandsgesellschaft.

„Die Herausforderung ist es, eine Kohärenz zwischen der lokalen und der europäischen Ebene herbeizuführen!“. Mit diesen Worten begrüßte Oberbürgermeister Sierau die Anwesenden zur letzten Veranstaltung der diesjährigen Europa-Projektwochen. Des Weiteren verwies er in seinem Grußwort auf das lange kommunale Engagement Dortmunds für den Klimaschutz, welches bereits in den 90er Jahren begann und unterstrich Dortmunds besondere Stellung als ehemalige Industriestadt und gleichzeitig eine der grünsten Großstädte Deutschlands.

„Wir müssen bei der Entwicklung der europäischen Perspektive auf die lokale Ebene setzen!“

Ergänzend dazu betonte Europaparlamentsabgeordneter Dietmar Köster in seinem Grußwort, dass es sich beim Klimaschutz im Kern um eine sozial-ökologische Transformationsaufgabe handle, die es ebenenübergreifend zu bewältigen gilt, wozu insbesondere die kommunale Ebene gehöre. Mit Blick auf die Stadt Dortmund hob er außerdem dessen wirtschaftliche Bedeutung auf kommunaler Ebene hervor, welche viele gute Ansätze für Maßnahmen des kommunalen Klimaschutzes bietet.

Grußworte von Dietmar Köster, MdEP und Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft

Der Klimawandel macht auch vor Dortmund nicht Halt!

Zu Beginn seines Vortrages betonte Leischner, dass der Klimawandel auch an Dortmund nicht spurlos vorrüberginge. Als besonders sichtbare Beispiele nannte er Naturkatastrophen wie den Orkan Kyrill und Überschwemmungen, welche Dortmund in der Vergangenheit getroffen haben. Spürbar sei der Klimawandel auch durch eine Zunahme an jährlichen Hitzetagen (Tage mit mehr als 30°C tagsüber). Während es in der Vergangenheit maximal 20 solcher Tage im Jahr gab, können es in Zukunft bis zu 45 solcher Tage werden. Gleiches gelte für Tropennächte (Nächte mit mehr als 25°C), von denen es in der Vergangenheit lediglich zwei bis drei jährlich gab, deren Zahl in Zukunft aber in manchen Teilen Dortmunds bis zu 30 betragen kann. Die Zunahme an Hitzetagen und Tropennächten in Teilen der Stadt Dortmund wird insbesondere durch das Vorhandensein sogenannter Hitzeinseln begünstigt, stark bebaute Teile in der Stadt, welche dafür sorgen, dass sich die Wärme an heißen Tagen staut und nachts nicht entweichen kann.

Einerseits Klimaanpassung, andererseits Klimawende

Die Reaktion der Stadt Dortmund auf den Klimawandel lässt sich laut Leischner in zwei Kategorien einteilen: einerseits die Anpassung an die neue klimatische Situation und andererseits den aktiven städtischen Klimaschutz mit dem Ziel einer Klimaneutralität.

Bezüglich der Anpassung nannte Leischner zuallererst die Entwicklung eines eigenen Klimaanpassungskonzept, welches zwischen 2015 und 2018 zuerst im Stadtteil Hörde zur Anwendung kam und inzwischen durch den Masterplan integrierte Klimaanpassung (MiKaDo) abgelöst wurde. Dieser Plan beinhaltet eine genaue Analyse der klimatischen Entwicklung in der Stadt Dortmund, nach welcher sich die Anpassungs- und Optimierungsmaßnahmen richten sollen, ebenso wie die Entwicklung städtischer Flächen, um das Entstehen weiterer Hitzeinseln vorzubeugen und bestehende aufzubrechen. Eine praktische Konsequenz, so Leischner, bestünde zum Beispiel in der Einführung einer verpflichtenden Dachbegrünung in Teilen Dortmunds und eine diesbezügliche Änderung bereits bestehender Bebauungspläne. Weiterhin verwies Herr Leischner auf parallel stattfindende gesellschaftliche Entwicklungen, die im Hinblick auf die Folgen der Klimaerwärmung eine Anpassung notwendig machen. Der Klimawandel sorgt so nicht nur für Herausforderungen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes, sondern genauso in den Bereichen Wirtschaft, Gesundheit, Stadtplanung und Rettungs- und Sozialwesen. Damit all dies funktioniert, so betonte er, brauche es nicht nur ein Problemverständnis für den Klimawandel, sondern genauso den Austausch mit anderen Kommunen, das Sammeln notwendiger Informationen, den Rückhalt der Bevölkerung und nicht zuletzt den politischen Willen für Veränderungen. Aus diesem Grund geht es bei MiKaDO, so Leischner, weniger darum direkte praktische Maßnahmen umzusetzen, als vielmehr Stadtplanung und Politik für die Klimaanpassung zu sensibilisieren, so dass diese in Zukunft zu einem selbstverständlichen Teil von Politik und Planung wird.

Die Grundlage für den aktiven Klimaschutz bildete bis zu diesem Jahr das „Handlungsprogramm Klimaschutz 2020“, welches eine Reduktion der CO2-Emmissionen von 40% bis zu diesem Jahr gegenüber dem Ausstoß von 1990 vorsah. Auch wenn dieses Ziel mit einer Reduktion von letztlich -36% ganz knapp nicht erreicht werden konnte, lassen sich dennoch Fortschritte verbuchen. Zum einen ist hier der Ausbau umweltfreundlicher Energieträger, zum anderen eine deutliche Reduktion von CO2-Emmisionen aus der Wirtschaft zu erwähnen. Auf das „Handlungsprogramm Klimaschutz 2020“ folgt nun das „Handlungsprogramm Klima/Luft 2030“, welches das ambitionierte Ziel einer Reduktion der CO2-Emissionen um 55% bis 2030 und um 80% bis 2050 vorsieht. Bisherige Erfahrungen sollen dabei helfen diese Ziele zu erreichen. Ganz besonders betonte Leischner den Bereich Luft als Teil der neuen Strategie. Dies sei deutschlandweit ein Novum, jedoch insbesondere für Großstädte relevant, da eine reinere Stadtluft mit einer höheren städtischen Lebensqualität einhergehe. Neben dem Ausbau der Gewinnung und Versorgung mit erneuerbaren Energien und einer besseren Energieeffizienz wird nun außerdem der Bereich Landwirtschaft und Ernährung in das Handlungsprogramm miteinbezogen. Hierbei gehe es zum einen darum, notwendigen Einfluss auf Landwirte auszuüben und andererseits neue Produktions- und Vermarktungsstrukturen lokaler Lebensmittel zu schaffen. Als Beispiele nannte er die Projekte „Aquaponik“ und „Open-Source Tomate“.

Michael Leischner und Dr. Kai Pfundheller diskutieren die Zuschauer_innenfragen

Bereits 2% mehr energieeffiziente Gebäude pro Jahr können 15% weniger CO2 bewirken!

Im Anschluss an den Vortrag folgte der Diskussionsteil unter der Moderation von Dr. Kai Pfundheller, bei dem er und die Zuschauer_innen Herrn Leischner genauere Fragen zum Klimaschutz in der Stadt Dortmund stellen konnten. Die erste Publikumsfrage bezog sich hierbei auf die geringe Quote von lediglich 1% an Bausanierungen in Dortmund. Laut Leischner hat dies mehrere Gründe. Zum einen brauche es oft starke monetäre Unterstützung als Anreiz, so eine Sanierung an Bestandsimmobilien vorzunehmen. Des Weiteren haben zunehmend älter werdende Immobilienbesitzer kein Interesse mehr, ihre Immobilien selbst noch energieeffizient zu sanieren. Junge Familien, welche eine solche Immobilie dann erworben haben, sehen eine Sanierung auch als großen zusätzlichen Kostenfaktor, was häufig abschreckend wirkt. An dieser Stelle betonte Leischner aber, dass sich eine Sanierung letztlich durch die höhere Energieeffizienz und Wärmeeinsparungen rentieren würde. Eine Sanierungsrate von 3% pro Jahr über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren würde C02-Einsparungen von bis zu 15% ermöglichen.

Weiterhin wurde gefragt, inwieweit die Stadt Dortmund international mit anderen Städten im Bereich des Klimaschutzes kooperiert. An dieser Stelle verwies Leischner auch auf sein eigenes Engagement, Dortmund im Bereich des Klimaschutzes international zu vernetzen. So bestehe beispielsweise mit der Stadt Kumasi in Ghana eine gemeinsame Partnerschaft. Des Weiteren sei die Stadt Dortmund im Netzwerk Connective City aktiv und er und seine Kolleg_innen besuchen in diesem Rahmen auch verschiedene Seminare und Konferenzen, um sich mit deutschen sowie ausländischen Vertreter_innen auszutauschen, eigene Ideen weiterzugeben und neuen Input zu bekommen.

Auf die Frage, inwieweit die Stadt Dortmund Ansätze im Bereich Landwirtschaft und Ernährung verfolge, betonte Leischner, dass man sich gerne mehr engagieren würde, es hier aber an eigenem Personal mangele. Das gegenwärtige Engagement beschränke sich deswegen vorerst darauf, dass die eigene Kantine und städtische Einrichtungen mit eigner Küche vorwiegend mit Erzeugnissen aus der Region versorgen. Wenn die Stadt Projekte im Bereich Ernährung fördert, dann handelt es sich meist um Pilotprojekte wie die bereits genannte „Open-Source Tomate“.

Auf die Frage, welche Akteure denn die wichtigsten wären, um die geplante Klimaneutralität 2050 in Dortmund zu erreichen, hob Leischner im Besonderen das Engagement von Umweltinitiativen und Bewegungen wie Fridays und Parents for Future hervor, da es nicht zuletzt ihr Verdienst sei, dass es im Laufe der letzten eineinhalb Jahre einen so starken Druck hinsichtlich verstärkter Klimaschutzmaßnahmen gab. Ebenso lobte er im Besonderen die Expertise, mit der diese Initiativen und Bewegungen auftreten.

Auf die Fazitfrage vonseiten Dr. Pfundhellers, wie denn seine Zukunftsvision für Dortmund und andere Großstädte aussehe, antwortete Leischner, er wünsche sich eine lebenswerte, effiziente und resiliente Stadt. Dies erfordere aber eine veränderte Infrastruktur, eine veränderte Mobilität (insbesondere weniger Autoverkehr) und eine Veränderung der immer noch präsenten „Betonwüsten“ hin zu mehr Grünflächen. Allgemein brauche es, auch um die gewünschte Verbesserung der Stadtluft zu erreichen, eine neue Art der Flächennutzung. Letztendlich würde sich so das Ziel einer höheren innerstädtischen Lebensqualität bewerkstelligen lassen.

Hier geht es zur Aufnahme der Veranstaltung: https://youtu.be/jbnSTwrz9uw

Die Veranstaltung war Teil der Europa-Projektwochen 2020 und wurde vom Europe Direct Dortmund in der Auslandsgesellschaft.de e.V. mit dem DGB Dortmund-Hellweg und der Stadt Dortmund organisiert.

Text: Fabian Döbber, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Fabian Döbber, Auslandsgesellschaft.de e.V.