Fragen und Antworten zur Deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Fragen und Antworten zur Deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Am 01. Juli 2020 hat die Deutsche Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union begonnen. Die Ratspräsidentschaft wechselt im Rotationsprinzip zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und dauert jeweils sechs Monate an. Der Mitgliedsstaat, der die Ratspräsidentschaft inne hat, leitet und moderiert die Treffen und Arbeiten des Europäischen Rates und die des Rates der EU sowie alle dazugehörigen Ausschüsse und Arbeitsgruppen. Deutschland bildet bis Ende 2021 mit Portugal und Slowenien die sogenannte Trio-Präsidentschaft. In der Zeit der Präsidentschaft hat der jeweilige Mitgliedsstaat Möglichkeiten eigene Akzente zu setzen und bestimmte Probleme anzugehen. Welche Aufgaben gilt es nun in der Zeit der Deutschen Ratspräsidentschaft zu bearbeiten? Welche Probleme sind zu lösen? Und welche Möglichkeiten zur Gestaltung gibt es darüber hinaus? 

Was sind die Aufgaben Deutschlands während der Ratspräsidentschaft?

Die Hauptaufgabe der Ratspräsidentschaft besteht in der Leitung und Vorbereitung der Treffen des Europäischen Rates und des Rates der Europäischen Union. Dabei besteht in der Programmgestaltung des Rates ein großes Mitspracherecht, sodass hier Akzente gesetzt werden können. Die Ratspräsidentschaft muss allerdings nicht nur ihre eigenen Ziele im Auge behalten, sondern auch bei Streitfällen vermitteln, und versuchen die EU-Mitglieder auf einen gemeinsamen Weg zu führen.

Deutschlands Fachminister_innen übernehmen während der kommenden sechs Monate den Vorsitz der jeweiligen Treffen des Rates der Europäischen Union und leiten die Sitzungen der Ratsformationen, währenddessen Bundeskanzlerin Merkel den Vorsitz der Treffen der Staats- und Regierungschefs inne hat. 

Eine weitere Aufgabe ist die Vertretung des Rates im Verhältnis zum Europäischen Parlament und  der Europäischen Kommission sowie nach außen bei Verhandlungen mit internationalen Partnern. 

Eine Übersicht zu den Aufgaben der verschiedenen Institutionen der Europäischen Union findet ihr hier.

Welchen Einfluss kann die Ratspräsidentschaft haben?

Durch die knapp bemessene Zeit von sechs Monaten können in der Zeit der eigenen Ratspräsidentschaft politische Prozesse naturgemäß nicht abgeschlossen werden. Um dem Problem der kurzen Zeit entgegenzuwirken, gibt es das Prinzip der Trio-Partnerschaft. Bei diesem stimmen sich die Inhaber dreier aufeinander folgender Ratspräsidentschaften miteinander ab, versuchen ein gemeinsames Programm aufzustellen und dieses daraufhin in den 18 Monaten der Präsidentschaft umzusetzen. 

Der Einfluss der Ratspräsidentschaft ist auch dahingehend begrenzt als das für einen Beschluss im Rat der EU eine qualifizierte Mehrheit nötig ist. Eine qualifizierte Mehrheit bedeutet in diesem Kontext eine Zustimmung von mindestens 55% der Mitgliedsstaaten, die mindestens 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren. Hier zeigt sich der unterschiedliche Einfluss der Mitgliedsstaaten. Ohne Staaten wie Deutschland oder Frankreich lässt sich nur schwer eine Einigung erzielen. Dadurch ist es bei einer Ratspräsidentschaft von einem der „großen“ Mitgliedsstaaten jedoch auch einfacher Einigungen zu erzielen und gestalterisch tätig zu sein. Während der letzten Deutschen Ratspräsidentschaft 2007 wurde beispielsweise eine zentrale Strukturreform beschlossen.

Welche Herausforderungen kommen auf die Deutsche Ratspräsidentschaft zu?

Auch wenn man es versucht, man kommt am Thema Corona nicht vorbei. Hier steht die Wirtschaft der Europäischen Staaten vor einer Rezession gigantischen Ausmaßes. Die EU-Kommission will dieser mit einem Hilfsprogramm von 750 Milliarden Euro begegnen. Auch die Deutsche Ratspräsidentschaft wird die Corona-Pandemie als Thema in den kommenden sechs Monaten weiter begleiten. 

Ein weiteres Streitthema ist der EU-Haushalt für die kommenden sieben Jahre. Über diesen sind sich die EU-Staaten schon seit Monaten uneinig. Besonders brisant ist dieser Punkt, da einige Staaten die Verteilung von europäischen Fördergeldern an die Einhaltung von rechtsstaatlichen Grundsätzen koppeln wollen. Staaten, wie Ungarn oder Polen, gehen gegen dieses Vorgehen auf die Barrikaden. 

Und auch der Brexit ist weiterhin ein Thema. Die Brit_innen sind zwar seit Januar nicht mehr Teil der Europäischen Union, allerdings sind die Verhandlungen über ein wirtschaftlich wichtiges Partnerabkommen in einer Sackgasse. Die Übergangsfrist des Brexits, in der sich erstmal nichts änderte, läuft zum Ende des Jahres ab, bis dahin sollte eine Einigung gefunden werden. 

Welche Schwerpunkte möchte Deutschland setzen?

In einer Regierungserklärung nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel drei große Herausforderungen: den Klimawandel, die Digitalisierung und die antidemokratische Entwicklung in machen Staaten. Besonders im Fokus steht dabei der Klimawandel.

Bis 2050 möchte die EU „klimaneutral“ werden. Zur Verwirklichung dieses Ziel müssen die Zwischenziele deutlich verschärft werden. Streitpunkt ist hier beispielsweise das Minus an Treibhausgasen bis 2030. Deutschland will die Einsparungen von 40% auf mindestens 50% anheben. Staaten mit einer starken Kohleindustrie sträuben sich jedoch dagegen.

Und anschließend gibt es ja auch noch das Thema Zeitumstellung. Bei der europaweiten Online-Umfrage beteiligten sich schließlich hauptsächlich deutsche Bürger_innen, die für die Beendigung der Zeitumstellung stimmten. Doch auch hier herrscht keine Einigkeit auf EU-Ebene. So ist unklar, ob es eine dauerhafte Sommer- oder Winterzeit geben soll. Genauso soll ein Flickenteppich aus verschiedenen Zeitzonen in Europa verhindert werden. 

Es gibt also genügend Themen für die Deutsche Ratspräsidentschaft und bei der Bedeutung dieser bewahrheitet sich vermutlich der Satz von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Diese sechs Monate sind entscheidend für die Zukunft der EU“.

Text: Till Henke, Auslandsgesellschaft.de e.V.

Bild: Mediamodifier, Pixabay

Quellen und weiterführende Links: