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Hate Speech, Fake News und Filter Bubble – Wird unsere Demokratie manipuliert? (6.9.2018)

Bei der zweiten Abendveranstaltung im Rahmen der Europa-Projektwochen „Digit@lokratie? eu.demokratie.digitalisierung“ (3.-17.09.2018) des Europe Direct Dortmund durfte der prominente Gast Peter Bandermann, Journalist bei den Ruhr Nachrichten Dortmund, begrüßt werden. Er hielt einen Vortrag über die Effekte von Hate Speech, Fake News und Filterblasen auf die europäische Gesellschaft und Demokratie. Bandermann berichtet seit vielen Jahren intensiv und kritisch über die rechte Szene Dortmunds und wurde 2015 hierfür mit der Goldenen Victoria für Pressefreiheit ausgezeichnet.

Begriffsklärung: Fake News und Filter Bubble

Zu Beginn seines Vortrags schob Bandermann zunächst eine kleine Begriffsklärung ein: Was genau sind eigentlich Fake News? Laut Bandermann handele es sich bei diesen um Falschmeldungen, die schon immer ein wichtiges Propagandainstrument darstellten. So habe bereits vor mehr als 2.000 Jahren der römische Kaiser Tiberius seine Niederlage gegen die Germanen der eigenen Bevölkerung als glorreichen Sieg verkauft. Von der Bevölkerung auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden konnten diese und sämtliche weitere Fake News der Geschichte zumeist nicht. Faktenchecks, wie wir sie heute kennen, gebe es erst seit kurzer Zeit.

Und was genau kann man sich unter einer Filterblase vorstellen? In gewisser Weise hätten Menschen schon immer in einer solchen Blase gelebt, so Bandermann, denn wir umgeben uns in der Regel mit Personen, die ähnlich denken wie wir, und informieren uns zumeist durch die immer selben Zeitungen oder Fernsehprogramme. Im heutigen digitalen Zeitalter würden unsere Filterblasen jedoch durch Algorithmen verstärkt, die uns immer mehr von dem zeigen, was uns ohnehin schon interessiert. Gerade in Filterblasen komme Fake News eine besondere Bedeutung zu, denn durch sie fühlen sich viele Menschen in ihnen logisch erscheinenden Zusammenhängen bestätigt. Auf diese Weise sorgen Fake News dafür, dass man möglicherweise auch außerhalb von Filterblasen aktiv wird.

Kritische Rolle der Medien in Europa

Bandermann sah zudem die Rolle der Medien in Europa als sehr kritisch für Fake News, Hate Speech und insbesondere die Ausrichtung des gesellschaftlichen Diskurses an. Als Beispiel hierfür führte er die Veröffentlichung des neuen Buches von Thilo Sarrazin mit dem Titel „Feindliche Übernahme“ an. Dieses sei in sämtlichen Medien sehr präsent gewesen und heiß diskutiert worden. Die für Bandermann ebenfalls höchst relevante Studie „Gespaltene Mitte – Feindselige Zustände“, die 2016 von der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht wurde und die Gefahren der extremen Rechten thematisiert, habe jedoch kaum mediale Aufmerksamkeit erhalten. Der Grund dafür: „Während Sarrazin mit Urinstinkten wie Angst arbeitet, ist die Studie nicht provokant, sie bietet keine einfachen Antworten. Somit verschwindet sie ungewollt in ihrer eigenen Filterblase.“, so Bandermann.

Einfache Antworten werden laut Bandermann bei fast allen Medien in Europa beliebter. Zudem sei gute Recherche teuer und zeitintensiv, was gerade aufgrund des Drucks durch kostenlose Nachrichteangebote aus dem Internet für viele klassische Medien ein Problem darstellen kann. Aus Kostengründen komme es beispielsweise vor, dass in mehreren Zeitungen dieselben Meldungen zu finden seien. Auf diese Weise könnten sich zum Teil jedoch auch Falschmeldungen rasch verbreiten. Die Folge: „Die Medien verlieren an Glaubwürdigkeit, auch bei denen, die ihnen vertrauen.“

Rechtsextreme Einstellungen würden laut Studien schon sehr lange in der europäischen und deutschen Gesellschaft bestehen, so Bandermann. Doch aktuell würden diese aus ihren Filterblasen ausbrechen und sich auf diese Weise radikalisieren. Besonders kritisch sah Bandermann die Äußerungen einiger deutscher Regierungsvertreter_innen. So habe beispielswiese Bundesinnenminister Horst Seehofer erst kürzlich die Migration als „Mutter aller Probleme“ bezeichnet. Aussagen wie diese würden die extreme Rechte befeuern.

Diskussion mit Publikum

In der an den Vortrag anschließenden Diskussion wurden die vom Referenten angesprochenen Themen noch einmal vertieft. Teilnehmer_innen aus dem Publikum berichteten von eigenen Erfahrungen in den sozialen Medien und von Projekten, die Hate Speech unter Jugendlichen entgegenwirken sollen. Abschließend betonte Bandermann, dass nicht nur Rechte, sondern auch alle anderen Menschen sich letztendlich in ihrer eigenen Filterblase befinden. Umso wichtiger sei es deshalb, sich auch in Zukunft um differenzierte Urteile zu bemühen: „Schließlich ist nicht der gesamte Osten braun und auch nicht alle Dortmunder sind Nazis, nur weil es in der Stadt eine starke rechte Szene gibt.“

Kampagne „EU vs. Disinformation“

Die Kampagne zum Umgang mit kremlfreundlicher Desinformation wird von der East StratCom Task Force im Europäischen Auswärtigen Dienst durchgeführt. Sie wurde gegründet, nachdem die Staats- und Regierungschef*innen die Notwendigkeit betonten, Russlands laufenden Desinformationskampagnen entgegenzuwirken. Ziel der Task Force ist es, die Politik und die Aktivitäten der EU in Osteuropa und Russland zu kommunizieren und dort ansässige regierungsunabhängige Medien zu unterstützen. Darüber hinaus werden auf der Website der „EU Mythbusters“ Artikel veröffentlicht, die Desinformation russischer Trolle aufdecken und mit Beweisen bzw. Fakten deren Falschheit belegen.

Weitere Informationen hierzu in unserem Artikel „Die EU und Desinformation“.

Text: Rebecca Melzer
Fotos: © Auslandsgesellschaft.de e.V.