18_05_04 Symposium Europa im Wandel

Symposium: 1918-2018 Europa im Wandel (04.05.2018)

2018 jährt sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Doch wie blicken die Menschen in verschiedenen Ländern auf das Europa von damals und von heute? Diesem Thema wurde am 4. Mai ein Symposium im Düsseldorfer Palais Wittgenstein gewidmet, bei dem Stimmen aus Deutschland, Frankreich und Polen zur Sprache kamen. In spannenden Diskussionen wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Erinnerungskultur und der Sichtweise auf das heutige Europa sichtbar.

Die Veranstaltung war in jeweils zwei Panels mit Vertreter*innen aller drei Länder aufgeteilt, die von Stephan Scheuer vom Handelsblatt moderiert wurden. Das erste Panel behandelte zunächst den historisch-wissenschaftlichen Kontext des Ersten Weltkriegs. Historiker von polnischen, französischen und deutschen Universitäten informierten zunächst über die Wahrnehmung des Kriegsendes in ihrem Land. Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz von der Universität Breslau berichtete, dass das Ende des Ersten Weltkriegs in Polen vor allem mit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit verbunden werde und die Grenzen in ganz Europa nach 1918 neu gezeichnet wurden. Laut Dr. Nicolas Offenstadt von der Pariser Universität Panthéon Sorbonne ist die Erinnerungskultur in Frankreich sehr stark ausgeprägt und beziehe sich vor allem auf das Gedenken an die einfachen Soldaten, die für die meisten Franzosen „Helden und Opfer zugleich“ seien. In Deutschland hingegen sei der Zweite Weltkrieg in der Erinnerungskultur sehr viel präsenter als der Erste, so Prof. Dr. Constantin Goschler von der Ruhr-Universität Bochum. Die Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg fände hier, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, beinahe nur in den Medien, und weniger innerhalb der Bevölkerung statt.

Die drei Historiker führten zudem eine angeregte Diskussion über die Frage, ob ein gemeinsames europäisches Narrativ des Ersten Weltkriegs nötig sei oder nicht. Offenstadt argumentierte, dass sich die Erfahrungen der europäischen Soldaten in diesem Krieg in weiten Teilen stark ähnelten und sich die Beteiligten diesem Umstand sogar bewusst gewesen seien, wie Briefe beweisen würden. Ruchniewicz hingegen hält ein gemeinsames europäisches Narrativ für keine gute Idee. Die Geschehnisse, die sich während dieses Krieges in Osteuropa abspielten, seien ohnehin schon kaum präsent in den Geschichtsbüchern und könnten durch ein gemeinsames „westliches“ Narrativ komplett in Vergessenheit geraten. Zudem hätten sich Soldaten verschiedener osteuropäischer Staaten, so auch in Polen, in außergewöhnlichen Situationen befunden, die mit denen von Westeuropäern kaum zu vergleichen seien. So hätten Polen beispielsweise zum Teil in den Armeen verschiedener Staaten, und somit auch gegeneinander kämpfen müssen. Für sie sei der Erste Weltkrieg in erster Linie ein „fremder Krieg“ gewesen. Goschler wies schließlich darauf hin, dass der Ansatzpunkt einer gemeinsamen Erinnerungskultur vielmehr darin bestehen sollte, festzuhalten, welchen Einfluss die Erfahrungen aus beiden Weltkriegen auf den heutigen Friedensdiskurs und das Europäische Projekt genommen haben.

Wie steht es heute um Europa?

In einem zweiten Panel wurde der Fokus vom historischen auf den aktuellen politischen Kontext verschoben. Janusz Reiter, der ehemalige polnische Botschafter in Deutschland, Sabine Thillaye, Vorsitzende des Europaausschusses der französischen Assemblée Nationale und die Aachener Europaabgeordnete Sabine Verheyen diskutierten angeregt darüber, was getan werden müsse, damit der europäische Gedanke auch in Zukunft weiter getragen und Frieden gesichert werden könne. Hier herrschte insgesamt große Einigkeit darüber, dass es von enormer Bedeutung sei, sich auf die wesentlichen Erfolge des europäischen Projekts zu besinnen. Reiter betonte, dass innerhalb der EU im Gegensatz zu vielen anderen Weltregionen Frieden herrsche, worum die EU von vielen Staaten beneidet werde. Verheyen erinnerte daran, dass es für ein Fortbestehen und die Vertiefung des Europäischen Zusammenhalts von enormer Wichtigkeit sei, dass die Vernetzung zwischen den Bürger*innen der verschiedenen Länder vorangetrieben werde. Denn letztlich müssten alle mitgenommen werden, nicht bloß die Eliten. Thillaye wies zudem darauf hin, dass sich die Mitgliedstaaten folgende Frage stellen müssten: „Sind wir eine Schicksalsgemeinschaft oder bleiben wir ewig Konkurrent*innen?“ Letztlich müsse mehr Zusammenarbeit in allen Bereichen stattfinden, und die Mitgliedstaaten dürften Erfolge der EU nicht mehr ständig für sich verbuchen und Misserfolge hingegen allein der europäischen Ebene zuschreiben. Hier müsse ein Umdenken stattfinden, um so auch die Bevölkerung von der europäischen Idee zu überzeugen.

Ergänzt wurden die Diskussionsrunden durch Grußworte des NRW-Europaministers Stephan Holthoff-Pförtner und des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Thomas Geisel.

Die Veranstaltung wurde organisiert vom Europe Direct Informationszentrum Düsseldorf, der Staatskanzlei des Landes NRW und dem Handelsblatt Wirtschaftsclub.

Text: Rebecca Melzer

Foto: © Auslandsgesellschaft NRW e.V.