Ungarn und die Bildungsfreiheit: Ein Ausschlussverfahren?

Nach dem Umbau des Staatsapparats und einer massiven Beschneidung der öffentlich-rechtlichen Medien in den letzten Jahren geht Ungarns Ministerpräsident, Viktor Orbán, gegen ausländische Universitäten mit Sitz in Ungarn vor. Dabei konzentriert er sich vornehmlich auf die Central European University (CEU).

Das neue Hochschulgesetz wurde Anfang April im Eilverfahren durch das Parlament gepeitscht. Es besagt, dass künftig eine ausländische Universität, die in Ungarn ansässig ist oder werden will, über einen Campus in ihrem Heimatland verfügen muss, andernfalls würde dies für sie die Schließung bedeuten. Davon wären derzeit 28 ausländische Hochschulen in Ungarn betroffen.

Konkret richtet sich dieses Gesetz gegen die private und liberale Central European University (CEU) mit Sitz in Budapest und ca. 1400 Studierenden aus 100 Ländern. Gegründet wurde die CEU im Jahr 1991 von dem ungarisch-stämmigen US-Milliardär George Soros und ist in den USA nur registriert. Soros ist einer der energischsten Kritiker von Viktor Orbán, welcher selbst 1988 für die Soros Foundation of Central Europe Research Group tätig war und im Folgejahr darüber ein Stipendium zu Forschungszwecken am Pembroke College in Oxford erhielt1.

Da das neue Hochschulgesetz vom ungarischen Präsidenten János Áder bereits unterzeichnet wurde, muss eine schnelle Lösung zwischen den USA und Ungarn über die Leitung von amerikanischen Hochschulen für Ungarn gefunden werden. Ansonsten kann die CEU schon 2018 keine neuen Studierenden mehr aufnehmen und müsste 2021 ihren Betrieb gänzlich einstellen.

 Die CEU will sich jedoch gegen diese massive Beschränkung der Bildungsfreiheit in Ungarn juristisch wehren und daher vor dem ungarischen Verfassungsgericht klagen. Falls sie dort scheitern sollte, zieht die CEU auch eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Betracht.

Neben den Beistandsbekundungen zahlreicher internationaler Wissenschaftler*innen und sogar Nobelpreisträger*innen bot der österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) George Soros Wien als neuen Standort für die CEU an, falls es tatsächlich zu ihrer Schließung in Ungarn kommen sollte. Auch andere europäische Städte wie Prag oder Vilnius unterbreiteten der CEU dieses Angebot.

 Die EU-Kommission will das Gesetz überprüfen, denn sie sieht durch dieses die akademische Freiheit und den Wettbewerb eingeschränkt. Ferner beschloss die Kommission, gegen Ungarn ein Verfahren wegen Vertragsverletzung einzuleiten. Die ungarische Regierung hat einen Monat Zeit, um Stellung dazu zu beziehen. Während einer Debatte im Europäischen Parlament zur Lage in Ungarn wies Viktor Orbán die Vorwürfe gegen sein Hochschulgesetz zurück. Dieses ist nicht der einzige Streitpunkt zwischen der EU und Ungarn. In den letzten Jahren verstieß Ungarn mehrfach gegen zentrale in den EU-Verträgen verankerte Prinzipien u.a. im Umgang mit Geflüchteten.

Zehntausende Ungar*innen demonstrierten in den letzten Wochen gegen das Gesetz und sehen ihre Bildungsfreiheit gefährdet. Auf ihren Transparenten und Schildern schrieben sie „Viktator“2 und ähnliche Slogans, um ihren Unmut und ihre Wut auszudrücken.

Text: Cassandra Speer, Auslandsgesellschaft NRW e.V.
Foto: CC0, Public_Domain_Photography, Pixabay.com

 Quellen
1http://www.sciforum.hu/previous-fora/2003/programme/viktor-orban.html
2Zehntausende demonstrieren für Eliteuni CEU: http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/ungarn-massenprotest-hochschulgesetz-schliessung-ceu-george-soros-viktor-orban
Budapester Privatuni: Kern setzt sich für Standort Wien ein: http://derstandard.at/2000055509911/Budapester-Privatuni-Kern-setzt-sich-fuer-Standort-in-Wien-ein
Budapester Rektor bittet in Brüssel um Hilfe: http://www.tagesspiegel.de/wissen/central-european-university-in-ungarn-budapester-rektor-bittet-in-bruessel-um-hilfe/19716360.html
Proteste in Budapest gegen Schließung der Elite-Uni CEU: http://derstandard.at/2000055630394/Lex-CEU-US-EU-Beauftragter-reist-nach-Ungarn