„Ich bin kein Rassist, aber…!“ (20.06.2018)
Spielt alltäglicher und versteckter Rassismus auch in meinem Leben eine Rolle? Woher kommen rassistische Einstellungen überhaupt? Was kann ich selbst tun, um Rassismus und Diskriminierung zu bekämpfen? All diese Fragen wurden bei der Tagung „Ich bin kein Rassist, aber…!“ diskutiert, die der Verbund der sozial-kulturellen Migrantenvereine in Dortmund e.V. (VMDO) am 20. Juni in seinem Haus der Vielfalt veranstaltete, an der auch wir vom Europe Direct Informationszentrum Dortmund teilgenommen haben.
Die Veranstaltung begann mit einem Impulsvortrag von Aretha S. Schwarzbach-Apithy. Sie ist Antirassismus-Trainerin und Mediatorin für diskriminierungsbezogene Konflikte. Anhand weniger interaktiver Übungen verdeutlichte sie den Teilnehmer*innen der Tagung, auf welche Weise jede*r Einzelne von ihnen Teilhabe an Rassismus hat und als Weiße*r sogar in manchen Situationen ohne eigenes Zutun von diesem profitiert. Das könne zum Beispiel bei der Wohnungs- oder Jobsuche der Fall sein oder auch bei Personenkontrollen, in denen auf „racial profiling“ zurückgegriffen wird.
Hintergründe und Ursprünge von Rassismus
Schwarzbach-Apithy hält es für einen wesentlichen Faktor von Alltagsrassismus, dass Minderheiten im deutschen Bildungssystem, insbesondere in Schul- aber auch in Kinderbüchern, kaum repräsentiert würden. Zudem würde in weiten Teilen noch immer ein eurozentrisches Geschichtsnarrativ gelehrt, wenn beispielsweise von den „Entdeckern“ Marco Polo oder Christoph Columbus gesprochen wird. Zudem werden heute noch die Ideen vieler Philosoph*innen gelehrt, die sich in ihren Werken auch dezidiert rassistisch geäußert haben. So behauptete beispielsweise Immanuel Kant, die Menschheit sei „in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen“ und Hannah Arendt protestierte dagegen, dass schwarze und weiße Kinder in den USA zusammen unterrichtet werden. Im schulischen oder universitären Kontext werde über diese Aussagen der Philosoph*innen in der Regel jedoch nicht gesprochen.
Zum Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich durch die französische und amerikanische Revolution in den meisten westlichen Ländern ein egalitäres Menschenbild durch. Aber wie lässt es sich dann erklären, dass gleichzeitig Millionen von Menschen durch diese Länder versklavt wurden? Dieser Widerspruch löse sich nur dann auf, wenn „Nicht-Weiße“ als Menschen mit geringerem Wert angesehen werden, so Schwarzbach-Apithy, wie es insbesondere während der Kolonialisierung der Fall gewesen sei. Heutige Diskriminierung von „Nicht-Weißen“ finde auch deshalb noch statt, da sie in gewisser Weise internalisiert und verinnerlicht worden sei, sowohl von denen, die diskriminieren als auch von denen, die diskriminiert werden.
Was tun gegen Alltagsrassismus?
Eben aufgrund dieser Internalisierung von Diskriminierung sei es umso wichtiger, Bewusstsein für Rassismus zu schaffen und sich diesem entschlossen entgegen zu stellen, so Ingibjörg Pétursdóttir, Geschäftsführerin von Chancengleich in Europa e.V. Der Verein hat zusammen mit drei weiteren europäischen Organisationen das durch Erasmus+ geförderte Projekt „I’m not a racist, but“ (kurz: INAR) durchgeführt. Ziel des INAR-Projektes war die Entwicklung eines Konzepts für den Umgang mit Alltagsrassismus am Arbeitsplatz. Als Ergebnis wurden mehrere Werkzeuge entwickelt, die Interessierten dabei helfen können, eigene Antirassismus-Trainings durchzuführen: Auf der Website des INAR-Projektes finden Sie nun ein 70 Seiten langes Online-Handbuch mit Tipps und Modulen für Trainer*innen. Zudem wurde ein Anleitungsfilm erstellt, der insbesondere als Hilfestellung für den Umgang mit schwierigen Teilnehmer*innen dienen soll, die sich einem Gespräch zunächst verweigern.
Pétursdóttir und ihre Kollegin Györgyi Túróczy erinnerten zudem daran, dass das Tückische an Alltagsrassismus sei, dass er versteckt arbeite, wodurch er zunächst sehr harmlos wirke. Wer ihm jedoch regelmäßig ausgesetzt sei, werde hierdurch spürbar belastet, was im schlimmsten Fall auch psychische oder körperliche Krankheiten zur Folge habe. Deshalb sei es umso wichtiger, auch am Arbeitsplatz über diese Form von Rassismus aufzuklären und sie nicht zu tolerieren. Die Expert*innen raten, Trainings und Gespräche zum Thema zunächst mit Fragen und Übungen zu beginnen, die auf den ersten Blick nur wenig mit Rassismus zu tun haben. Wie fühle ich mich beispielsweise, wenn sich jemand mir gegenüber respektlos verhält? Was ist für mich überhaupt Respektlosigkeit? Fragen wie diese würden sich besonders zum Einstieg eignen, da sich jede*r mit ihnen identifizieren kann und keine Schuldzuschreibungen vorgenommen werden. Die Teilnehmer*innen hatten bei der Tagung abschließend die Möglichkeit, selbst in Kleingruppen einige der Übungssituationen aus dem INAR-Handbuch durchzuführen.
Sollten auch Sie daran interessiert sein, ein Antirassismus-Training durchzuführen, finden Sie auf der Website des INAR-Projektes weitere Hinweise sowie das Handbuch in deutscher Sprache. Den Anleitungsfilm finden Sie auf Youtube.
Text: Rebecca Melzer, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Titelbild: CC0, GDJ, Pixabay.com
Foto: © Rebecca Melzer, Auslandsgesellschaft.de e.V.