Atomwaffengesetze und die EU – bloß eine nationale Angelegenheit?
Der diesjährige Friedensnobelpreis ging an die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican), welche sich für nukleare Abrüstung einsetzt. Vor zehn Jahren wurde sie mit dem Ziel gegründet, eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Am 7. Juli dieses Jahres verbuchte die Organisation ihren wohl größten Erfolg: 122 UN-Mitgliedstaaten unterzeichneten das erste internationale Verbot von Atomwaffen. Durch das Abkommen werden sowohl die Entwicklung und Lagerung atomarer Waffen, als auch die Androhung eines Atomangriffs untersagt. Doch wie steht eigentlich die EU dazu?
Wer hat sich an den Verbotsverhandlungen beteiligt?
Nach Angaben von Ican haben von 193 UN-Staaten 135 an den Verhandlungen zum Vertrag teilgenommen. 122 Staaten haben schließlich für den Verbotsvertrag gestimmt, 13 Staaten haben überhaupt nicht abgestimmt. Lediglich ein EU-Land hat sich gegen das Verbot von Atomwaffen positioniert: die Niederlande. Auffällig ist jedoch, dass kaum ein europäisches Land an den Verhandlungen teilnahm. U.a. Frankreich, Polen, Italien, Großbritannien und auch Deutschland blieben den Verhandlungen fern. Auch wenn der Großteil der Länder selbst offiziell nicht im Besitz von atomaren Waffen ist, lagern in Europa laut Ican noch immer rund 180 Atombomben. Die Waffenstützpunkte befinden sich u.a. in Belgien, den Niederlanden und Italien. Aber auch auf deutschem Boden werden Atombomben der USA gelagert, so sind auf dem Atomwaffenstützpunkt „Fliegerhorst Büchel“ in der Eifel bis zu 20 B61-Bomben stationiert. Nach Ican habe jede einzelne dieser Bomben eine maximale Sprengkraft, die mit der von 13 Hiroshima-Bomben vergleichbar sei.
Europäische Atommächte: Chance oder Risiko für die EU?
Auch in Europa befinden sich zwei Atommächte: Frankreich und Großbritannien. Die französische Force de Frappe besteht im Wesentlichen aus Raketen mit einer Reichweite von bis zu 8.000 Kilometern. Sie sind auf Kampfflugzeugen und auf Atom-U-Booten stationiert. Großbritannien hingegen lagert seine Waffen ausschließlich auf seegestützten Systemen. Im schottischen Faslane-on-Clyde befinden sich vier Atom-U-Boote, welche jeweils mit maximal 16 Trident-Interkontinental-Raketen bestückt werden können. Wo viele sich vor der davon ausgehenden Gefahr fürchten, sehen andere den Schutz, den die zwei Staaten anderen europäischen Ländern bieten können. Inwieweit die EU-Mitgliedstaaten in Zeiten des Brexit von britischen Schutzmaßnahmen ausgehen können, bleibt jedoch fraglich. So betonte die Premierministerin Theresa May bereits, dass sie die atomare Macht des Landes als Druckmittel in den Brexit-Verhandlungen einsetzen wolle. Käme es zu starken Benachteiligungen Großbritanniens in Handelsfragen, habe dies Konsequenzen für die Sicherheitspolitik, so May. Somit sei der Schutz nur weiterhin gewährleistet, sofern die EU in den Verhandlungen nachgebe. In Frankreich gestaltet sich die Situation anders, aber nicht zwangsläufig weniger kritisch. Deutschland erhielt bereits zweimal das Angebot, sich an den französischen Nuklearwaffen zu beteiligen (1960 und 2007) – beide Male wurde abgelehnt. Dies begründet sich u.a. auf dem von Deutschland unterzeichneten internationalen Atomwaffensperrvertrag, welcher das Verbreiten von Kernwaffen verbietet und eine Abrüstung fordert.
Nach der Wahl des neuen US-Präsidenten, Donald Trump, sehen viele Europäer*innen eine Bedrohung in den rund 4.000 Atomwaffen der USA. Bereits mehrmals erklärte sich der Politiker dazu bereit, die Bomben einzusetzen, falls er darin eine Notwendigkeit sehe. Am 26. April 2016 äußerte sich Trump in der „Today Show“ auf NBC wie folgt: „Es ist ein Horror, Atomwaffen einzusetzen. Ich werde der Letzte sein, der sie einsetzt, aber ich werde es niemals ausschließen.“. Folglich erscheint es nach wie vor ungewiss, inwieweit die EU auf den Schutz von Frankreich und Großbritannien angewiesen ist und ob dieser überhaupt gewährleistet werden kann. Es bleibt unklar, inwiefern zwischen den EU-Mitgliedstaaten ein Konsens über die Rechtfertigung atomarer Verteidigungsstrategien besteht. Fürs Erste scheint die Vorstellung von der Auf- bzw. Abrüstung der Atomwaffenbestände jedoch weiterhin als eine individuelle Angelegenheit der einzelnen Staaten fortzubestehen.
Text: Isabel Bezzaoui, Auslandsgesellschaft NRW e.V.
Bild: CC0, geralt, Pixabay.de
Quellen:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/trump-nato-atomwaffen-europa
https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/opinion/auf-deutschland-kommt-es-an/
https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/30-sekunden-naeher-am-weltuntergang.html