Baustellen der EU: Europa im Netz des Populismus?

Baustellen der EU: Europa im Netz des Populismus?

In unserer neuen Reihe „Baustellen der EU“ werden wir in den nächsten Wochen verschiedene kontroverse Themen der Europäischen Union behandeln. Darstellen möchten wir dabei die aktuelle Problemlage sowie die Rolle und das Agieren der EU.

Populismus ist einer der Begriffe, der in politischen Diskussionen häufig verwendet wird, und doch kann kaum jemand den Begriff genau definieren.  In den Staaten der Europäischen Union gewinnen jedoch populistische Parteien immer mehr Zuspruch. Egal ob die 5-Sterne-Bewegung in Italien, der Front-National in Frankreich oder Podemos in Spanien, sie alle wurden oder werden als populistische Parteien bezeichnet. Doch was macht Populismus aus? Wo liegen die Gefahren einer solchen Politik? Und was kann die EU gegen ein weiteres erstarken populistischer Parteien tun? Mit diesen Fragen werden wir uns im Folgenden beschäftigen und die Situation in Europa in Bezug auf den Populismus erläutern.

Was ist Populismus?

Durch die sehr unterschiedlichen Ausprägungen populistischer Akteur_innen lässt sich kein einheitliches Bild des Populismus zeichnen; einige grundlegende Eigenschaften teilen jedoch alle. Als erstes Merkmal zu nennen ist eine klare Trennung in Volk und Elite, wobei die Populist_innen sich als Vertreter_innen des wahren Volkes sehen. Die Definition des Volkes erfolgt dabei unterschiedlich, je nach eigener Ideologie. Daher definieren beispielsweise Rechtspopulist_innen das Volk lediglich als die „ursprünglichen Bewohner_innen“ des Landes. Alle, die nicht zum Volk hinzugezählt werden, sind hingegen eine Bedrohung für das Volk und die diesem zustehenden Rechte. Durch diese Trennung wird von Populist_innen auch die Existenz eines klaren Volkswillens behauptet, den nur sie als Vertreter_innen des Volkes wahrlich verstehen würden. Mit der Homogenisierung des Volkes werden Zwischentöne und der Schutz von Minderheiten vernachlässigt.

Neben den Merkmalen, die alle Akteur_innen einen, gibt es allerdings auch Strategien, die sich nur einzelne Akteur_innen aneignen. Besonders im südamerikanischen Kontext funktionieren populistische Bewegungen oft über eine charismatische Person an der Spitze. Die ganze Bewegung ist von der Führungspersönlichkeit abhängig. Bezogen auf Europa lässt sich hier der Front National mit Marine Le Pen an der Spitze nennen, andere Parteien, wie etwa die AFD in Deutschland, sind personell an der Spitze breiter aufgestellt.

Innerhalb der Populismus-Forschung existiert ein grundlegender Disput darüber, ob Populismus nur eine opportunistische Strategie zum Machtgewinn ist oder ob der Populismus als sogenannte „dünne Ideologie“ anzusehen ist. Die Theorie der „dünnen Ideologie“ beruht auf der Annahme, dass die grundlegenden Eigenschaften des Populismus wie die klare Trennung von Volk und Elite zusammen mit einer anderen Ideologie wirken, wie zum Beispiel der des Rechtsextremismus. Für beide Theorien lassen sich Beispiele finden, eine Antwort lässt sich aber meistens nur in der Betrachtung des Einzelfalls finden.

Was ist das Problem?

Populismus wird oft danach definiert, als das populistische Akteur_innen in komplexen politischen Zusammenhängen zu einfache Antworten geben und nur der Meinung der Mehrheit folgen. Darauf kommt man natürlich zu der Frage: Was ist denn das Problem, wenn in einer Demokratie die Meinung der Mehrheit vertreten wird? Denn ist nicht das genau das Merkmal einer Demokratie? Hierauf lässt sich antworten, dass eine Vertretung der Meinung der Mehrheit nicht das einzige Merkmal einer funktionierenden Demokratie darstellt. Was sich populistische Akteur_innen vorstellen ist eher eine Diktatur der Mehrheit. Um eine solche zu verhindern, gilt es Einzelheiten, wie den Minderheitenschutz, zu beachten. Durch die Definition des Begriffes Volk werden außerdem viele Bürger_innen aus diesem ausgeschlossen. Werden populistische Strategien nur zum Maximierung der eigenen Machtposition angewandt, so ist auch davon auszugehen, dass die Maßnahmen radikaler werden, sobald das Ziel erreicht wurde.

Welche EU-Staaten sind besonders betroffen?

Kaum ein EU-Staat kann von sich behaupten komplett frei von Populismus zu sein, dennoch sind einige Staaten hier hervorzuheben. Populistisches Handeln spielt eine große Rolle in der Strategie der Fidesz-Partei in Ungarn mit Ministerpräsident Viktor Orban. Besonders anschaulich lässt sich hier die Volk-Elite Dimension darstellen, da in vergangenen Wahlkämpfen stark damit Wahlkampf gemacht wurde, dass jüdische Eliten aus dem Ausland (z.B. George Soros) Einfluss auf die ungarischen Eliten und so die Politik haben würden. Hier wird demnach die populistische Komponente verbunden mit rechten Ideologien. Die Trennung zwischen Volk und Elite scheint hier besonders paradox, da die Fidesz als Teil der Regierung selber ein Teil der politischen Elite stellt. Dies zeigt die unnatürliche Konstruktion von Volk und Elite. Aber auch in anderen Länder spielt der Populismus eine Rolle. So hat in Italien der frühere Komiker Beppo Grillo die 5-Sterne-Bewegung auf Basis der langjährigen Abneigung gegen Politiker_innen bis in die Regierung geführt. In Frankreich hat Marine Le Pen den Front-National soweit wieder salonfähig gemacht, dass sie es bei den letzten Präsidentschaftswahlen bis in die Stichwahl geschafft hat. Auch sie kombiniert rechte Ideologie mit populistischen Strategien gegen die Eliten und beispielsweise dem in Frankreich sehr akuten Gegensatz zwischen Stadt und Land.

Die drei erwähnten Staaten sind nur als Beispiele zu verstehen, bei den Quellen und weiterführenden Links finden Sie auch Informationen zu weiteren Ländern.

 Was kann die EU dagegen tun?

Die populistischen Bewegungen konzentrieren sich meist auf den Nationalstaat als zentrale Organisationseinheit. Dennoch sitzen auch einige Vertreter_innen mittlerweile im Europaparlament. Um die Frage zu beantworten, was die EU tun kann, muss man sich zuerst der Frage nach den Ursaschen des Erfolges von Populist_innen stellen. Hier spielt besonders Unzufriedenheit eine Rolle. Unzufriedenheit mit dem eigenen ökonomischen Status, Unzufriedenheit mit der Regierung sowie eine generelle Politikverdrossenheit können für Erfolge populistischer Akteur_innen sorgen. Parteien müssen versuchen mit ihren Aktionen die Bevölkerung zu erreichen und den Mehrwert ihrer Handlungen deutlich zu machen, um Politikverdrossenheit zu vermindern. Ebenso müssen ökomische Ungleichheiten verringert werden und mehr Menschen Möglichkeiten aufgezeigt werden, damit diese nicht ihre einzige Chance in einer populistischen Partei sehen.

Text: Till Henke, Auslandsgesellschaft e.V.

Quellen und weiterführende Links:

https://www.swp-berlin.org/swp-themendossiers/europaeische-integration-in-der-krise/eu-kritische-parteien-und-populismus/

https://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/populismus-in-europa/

https://www.deutschlandfunk.de/vor-der-europawahl-was-europas-populisten-erfolgreich-macht.724.de.html?dram:article_id=449698

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-europalexikon/177203/populismus-in-den-eu-staaten

https://www.spiegel.de/politik/ausland/populismus-in-diesen-laendern-sind-populisten-auf-dem-vormarsch-a-1263335.html

https://www.fr.de/zukunft/storys/megatrends/schlicht-sticht-wie-der-aufstieg-der-populisten-die-gesellschaft-herausfordert-90030509.html

https://www.spiegel.de/politik/populismus-der-mainstream-hat-sich-nach-rechts-entwickelt-a-41d3aa61-5f3e-4d29-a2f8-41115bbf8556

https://www.saechsische.de/plus/gibt-es-einen-guten-populismus-afd-linke-1989-demokratie-mudde-5132618.html

https://www.zeit.de/politik/2015-06/mudde-interview-populismus