Baustellen der EU: Populismus in Italien

Baustellen der EU: Populismus in Italien

In unserer neuen Reihe „Baustellen der EU“ werden wir in den nächsten Wochen verschiedene kontroverse Themen der Europäischen Union behandeln. Darstellen möchten wir dabei die aktuelle Problemlage sowie die Rolle und das Agieren der EU.

Beim Thema Populismus ein EU-Land auszuwählen ist nicht einfach, denn in fast allen EU-Staaten sind populistische Akteure vorhanden. Dennoch ist Italien besonders hervorzuheben, denn durch gleich zwei bedeutende populistische Parteien ist die Situation anders als in vielen anderen Staaten. Mit der 5-Sterne-Bewegung und der Lega haben populistische Akteure es sogar bis in die Regierung geschafft. Was macht die beiden Parteien aus? Warum sind sie so erfolgreich? Und warum ist besonders Italien so anfällig für Populist_innen? Auf diese und weitere Fragen wird der folgende Text eingehen.

Lega

Die Lega, früher bekannt als Lega Nord, entstand als separatistische Partei, die für eine Abspaltung des Nordens vom Rest Italiens warb. Nach Jahren als Kleinpartei konnte sie sich mit einem rechtspopulistischen Kurs einen Namen machen. Besonders mit den Themen Migration und Wirtschaft konnte bei den Wähler_innen gepunktet werden. Da Italien verhältnismäßig viel von ankommenden Geflüchteten betroffen ist, bezieht sich die Lega besonders auf diese. Die Geflüchteten würden dem Staat auf der Tasche liegen und für eine steigende Kriminalität sorgen. Hinzu kommt eine generelle Ablehnung des Establishments („la casta“), Politiker_innen werden pauschal als korrupt bezeichnet. Im letzten Text über die „Baustellen der EU“ haben wir gezeigt, wie Populist_innen die Beziehung zwischen sogenannten Volk und Eliten nutzen, diesen Text findet ihr hier.

Auch der EU steht die Lega ablehnend gegenüber, ihr wird vorgeworfen Italien in die Rezession gezwungen zu haben und mit der Migration alleine zu lassen.

Mit dieser Strategie hat es die Lega zu einem ernsthaften Gegenspieler auf dem politischen Parkett gebracht. Mit dem Kopf der Partei Matteo Salvini, konnte die Partei ab 2013 ihre Wahlergebnisse verbessern und bildete ab 2018 zusammen mit der 5-Sterne-Bewegung die Regierungskoalition. Salvini wurde in diesem Kabinett Innenminister und fiel in der Folge besonders durch eine harte Politik gegenüber Migrant_innen auf. Die Koalition der beiden Parteien zerbrach jedoch bereits 2019 wieder, da die Lega eine gute Chance sah aus Neuwahlen als stärkste Partei hervorzugehen. Neuwahlen wurde jedoch durch ein neues Bündnis der Lega-Konkurrenten verhindert.

Die 5-Sterne-Bewegung

Im Gegensatz zur Lega ist die 5-Sterne-Bewegung keine rechtspopulistische Partei, wie wir sie mittlerweile in vielen Ländern Europas sehen. Einzuordnen wäre die Bewegung eher als linkspopulistisch, obwohl auch diese Zuordnung nicht voll zutreffend ist. Sich selbst bezeichnet die Partei als Bewegung des Volkes, die die Dimensionen „links“ und „rechts“ überwunden hat. Gegründet wurde die Partei vom Komiker Beppo Grillo, der lange Zeit die einzig relevante und richtungsweisende Figur der Bewegung war. Grillo füllte die in der Populismus Theorie so bedeutsame Funktion des charismatischen Führers aus. Zuspruch gewann die Bewegung durch ihre entschiedene Haltung gegen das Establishment, ähnlich wie die Lega, wobei die 5-Sterne-Bewegung eine klare Trennung zwischen dem ehrlichen Volk und den bösen Eliten, bestehend aus korrupten Politiker_innen, gierigen Banker_innen und vielen mehr, sieht. Auch die EU wird als Teil der Elite gesehen, sodass auch die 5 Sterne innerhalb des Europaparlaments der Fraktion der EU-Skeptiker angehören.

Analog zur Lega konnte auch die 5-Sterne-Bewegung große Wahlerfolge feiern und erreichte, wie schon beschrieben, zusammen mit der Lega die Regierungskoalition. Inhaltlich konnte die Partei während ihrer Regierungszeit nicht überzeugen, wie auch überhaupt alle inhaltlichen Äußerungen sehr ungenau sind. Beispielhaft sticht hier die Haltung zur Migrationspolitik heraus, die Partei wirbt zeitweise für eine Aufnahme möglichst vieler Geflüchteten, nimmt aber anderseits einige Zeit später eine komplette Gegenposition ein. Die inhaltliche Ausrichtung der Partei gleicht daher eher einem Fähnchen im Wind der aktuellen Meinung des Volkes.

Wieso sind populistische Parteien in Italien so erfolgreich?

Bei gleich zwei sehr erfolgreichen populistischen Partei stellt sich naturgemäß die Frage nach den Ursachen, warum diese Parteien so erfolgreich sein können. Die erste zu nennende Ursache ist eine generelle Skepsis gegenüber dem politischen System in Italien. Die beiden Parteien unterstellen den Politiker_innen korrupt zu sein und die Interessen des wahren Volkes nicht zu beachten. Mit diesen Argumentationen sind die beiden Parteien durch die jahrelang gesteigerte Politikverdrossenheit erfolgreich. Beide wenden sich auch gegen die repräsentative Demokratie als solche, da dort die Interessen des Volkes nicht angemessen vertreten würden, stattdessen wollen sie direktdemokratische Elemente einführen. Die 5-Sterne-Bewegung propagiert sogar ein System der digitalen Abstimmungen über so gut wie alle politischen Maßnahmen.

Neben diesen Ursachen ist auch die schwächelnde italienische Wirtschaft mit einer steigenden Jugendarbeitslosigkeit zuträglich für die ansteigende Politikverdrossenheit. Generell ist zudem das Parteiensystem in Italien durch eine große Volatilität gekennzeichnet, was es neueren Parteien einfacher macht große Stimmanteile für sich zu gewinnen.

Wie geht es weiter?

Das Grundproblem des politischen Systems in Italien besteht in einer Abneigung der Bürger_innen gegen das politische System. Dies macht es populistischen Parteien leicht eine Trennung zwischen Volk und Eliten herbeizureden. Um dieses Problem zu lösen, muss das verloren gegangene Vertrauen in die Politik langfristig zurückgewonnen werden. Auch müssen besonders wirtschaftliche Probleme, wie eine steigende Perspektivlosigkeit für junge Menschen, bekämpft werden.

Text: Till Henke, Auslandsgesellschaft.de e.V.

Quellen und weiterführende Links:

https://www.stiftung-mercator.de/de/reportage/populismus-ist-in-italien-normalitaet/

https://www.fr.de/meinung/folgen-populismus-italien-stehen-unruhige-zeiten-bevor-12933193.html

https://www.zeit.de/kultur/2019-08/italienische-regierungskrise-matteo-salvini-populismus

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/italien-regierung-schulden-1.4508127

https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-gift-des-populismus-1.4449269

https://www.frankfurter-hefte.de/artikel/rechts-oder-linkspopulismus-oder-was-der-fall-italien-2367/