Biden als Hoffnungsträger für die EU?

Biden als Hoffnungsträger für die EU?

Nach der Vereidigung des neuen US-Präsidenten Joe Biden am 20. Januar 2021 schöpfen viele in der Europäischen Union Hoffnung, dass sich zumindest einige der bestehenden Fragen in den transatlantischen Beziehungen lösen lassen. EU-Ratspräsident Charles Michel schreibt in einem Diskussionspapier, dass der Regierungswechsel in den USA „eine Chance für die EU, ihre strategische Partnerschaft mit den USA zu erneuern und mit neuem Leben zu erfüllen“ sei. Welchen Stellenwert wird die EU auf Bidens Agenda einnehmen?

Französische und irische Wurzeln

Präsident Biden hat einen großen außenpolitischen Erfahrungsschatz: In den 1990er Jahren hat er eine Studie zu den Balkankriegen verfasst und als Senator kümmerte er sich um die Außenpolitik. Er kennt Europa – auch durch seine Wurzeln, auf die er sehr stolz ist – und viele Europäische Politiker:innen kennen ihn. Biden bezeichnet Europa als Partner und ein großes und wichtiges Thema, welches nur zusammen angegangen werden kann, ist die Klimakrise. Bei seiner Rede zum Wahlsieg war die Klimakrise zudem das einzige außenpolitische Thema, das Biden angesprochen hat.

Wiedereintritt ins Pariser Klimaabkommen

Biden hat angekündigt, bereits am ersten Amtstag die Entscheidung von Trump rückgängig zu machen und dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten. Außerdem hat er ein umfassendes Programm zum Klimaschutz in den USA angekündigt: Die CO2-Emissionen sollen sinken, die Wirtschaft soll bis 2050 und die Stromerzeugung bis 2035 klimaneutral werden.

„Transatlantische Agenda“ der EU

Die Kommission und die 27 Mitgliedsstaaten haben Washington eine „transatlantische Agenda“ für die globale Zusammenarbeit vorgelegt und gehen in die Offensive. Auch hier stehen ganz oben auf der Liste der Klimaschutz und die Corona-Pandemie.  Aber auch ein Ende der der EU auferlegten US-Strafzölle, eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) sowie die Beilegung der Spannungen in der Nato werden sich seitens der EU erhofft. Die USA erwarten, dass die EU mehr eigene Verantwortung und Anstrengungen übernimmt: Die EU muss stärker für die eigene Sicherheit sorgen und für die eigenen Überzeugungen eintreten.

Priorität Innenpolitik

Auch wenn Biden angekündigt hat, viele Entscheidungen seines Vorgängers rückgängig zu machen und sich wieder mehr dem Multilateralismus zuwenden will, liegen die Prioritäten Bidens doch bei innenpolitischen Themen. Wichtigste Punkte auf seiner Agenda: Die Corona-Pandemie und die heimische Wirtschaft. Der ehemalige US-Botschafter für die EU, Gardner, schätzt, dass 80 Prozent von Bidens Zeit für Innenpolitik und 20 Prozent für Außenpolitik genutzt werden. Konsequenzen aus dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar und die Spaltung, die durch die US-amerikanische Bevölkerung geht, dürften ebenfalls eine Priorität Bidens sein. Die EU wird um ihren Platz auf der Prioritätenliste ein Stück weit kämpfen müssen, auch wenn zu erwarten ist, dass sich die Beziehungen und die Atmosphäre zwischen den USA und der EU deutlich entspannen werden.

Text: Lea Mindermann