Der Weg zu einem europäischen Lieferkettengesetz

Der Weg zu einem europäischen Lieferkettengesetz

Im April 2020 kündigte EU-Justizkommissar Didier Reynders während eines Webinars des Europäischen Parlaments an, Anfang 2021 einen Gesetzentwurf zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht vorlegen zu wollen. In dem Entwurf soll festgehalten sein, wie EU-Unternehmen verbindlich zur Einhaltung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten verpflichtet werden können. Im Dezember haben sich auch die Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat einstimmig für ein europäisches Lieferkettengesetz ausgesprochen.

Nun wird die Ausgestaltung eines solchen Lieferkettengesetzes konkreter: Mehrere Ausschüsse des Europäischen Parlaments haben für verschärfte Regelungen gestimmt. Obwohl eigentlich die Europäische Kommission für Gesetzesentwürfe zuständig ist, hat das Parlament mit einem ‚legislativen Initiativbericht‘ eine Möglichkeit, die Kommission aufzufordern, aktiv zu werden. Der Rechtsausschuss hat mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung dafür gestimmt, dass die Sorgfaltspflicht von Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette umfassen soll und die Firmen außerdem für Schäden haften sollen, die sich aus der Verletzung von Menschenrechten ergeben. Zuvor hatte der Handelsausschuss für ein ambitioniertes Lieferkettengesetz auf EU-Ebene gestimmt. Im März muss der Bericht im Plenum bestätigt werden, was aber als Formsache gilt. Der ‚legislative Bericht‘ dient der Europäischen Kommission dann als Wegweisung bei der Erarbeitung eines Gesetzesentwurf. Die Vorgaben des Berichts müssen bei der Ausarbeitung berücksichtigt werden.

Was sind die zentralen Punkte des Vorschlags?

Der Vorschlag sieht vor, dass Unternehmen nicht nur zum Schutz der Menschenrechte, sondern auch zur Beachtung von Umweltstandards und Arbeitsrechten verpflichtet werden sollen. Die Regulierung soll für alle in der EU tätigen Großunternehmen sowie für börsennotierte kleinere und mittlere Unternehmen gelten und außerdem für Unternehmen, die in Hochrisikosektoren, als z.B. Textil- oder Rohstoffbranche, tätig sind. In den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten muss dann sichergestellt sein, dass die Firmen für verursachte Schäden vor Zivilgerichten haftbar gemacht werden können. Zudem soll der Import von Produkten, die im Zusammenhang mit Menschrechtsverletzungen, z.B. Kinder- oder Zwangsarbeit, stehen, verboten werden.

Wie steht es um ein deutsches Lieferkettengesetz?

In Deutschland wird innerhalb der Bundesregierung hart um die Eckpunkte eines solchen Gesetzes gerungen, wobei sich Bundesentwicklungsminister Müller (CSU) und Bundesarbeitsminister Heil (SPD) einig sind. Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) lehnt aber umweltbezogene Sorgfaltspflichten und eine Haftung der Unternehmen ab. Diskutiert wird auch darüber, ob ein Gesetz für Firmen ab einer Größe von 500 oder erst ab 5000 Beschäftigten gelten soll. Anna Cavazzini, EU-Parlamentarierin der Grünen, erhofft sich durch die klare Postierung des EU-Parlaments „neuen Schwung für die festgefahrene Debatte in Deutschland“.

An den Maßstäben aus Brüssel sollte sich die deutsche Regierung orientieren, da ein europäisches Gesetz sowieso auf nationaler Ebene umgesetzt werden muss. Da die EU-Prozesse viel Zeit benötigen, wäre es sinnvoll, deutsche Unternehmen schon frühzeitig an die Standards zu gewöhnen, die über eine EU-Regelung voraussichtlich auf sie zukommen. Darüber hinaus könnte ein deutsches Lieferkettengesetz als Blaupause für ein EU-Gesetz dienen.

Text: Lea Mindermann