Die Digitale Dekade: Europas digitale Ziele bis 2030

Die Digitale Dekade: Europas digitale Ziele bis 2030

Was Digitalisierung angeht, ist die Europäische Union aktuell ein Flickenteppich: Frankreich setzt auf künstliche Intelligenz, Estlands Schwerpunkt ist die Digitalisierung der Verwaltung, und Deutschland ist leider Schlusslicht in vielen Bereichen. Doch die Corona-Krise zeigt, dass alle Länder immer noch erhebliche Mängel in der Digitalisierung aufweisen. Ob in der Industrie oder im Mobilfunknetz, die EU ist abhängig von Schlüsseltechnologien, die sich größtenteils in der Hand von amerikanischen oder chinesischen Unternehmen befinden. Das soll sich in Zukunft ändern: Bereits im Februar 2020 stellte die EU-Kommission ihre Digitalstrategie vor, und im neuen EU-Haushalt sowie im Konjunkturpaket NextGenerationEU wurde beschlossen, mindestens 20% des Etats auf die Digitalisierung zu verwenden.  Am 9. März 2021 präsentierte die Kommission eine Zielvorstellung für den digitalen Wandel in Europa bis 2030: Mit dem Programm „Digitales Europa“ soll die Digitalisierung in der EU vorangetrieben werden.

Die digitalen Grundsätze und Rechte

Wie soll das digitale Europa eigentlich aussehen? Das wird in den digitalen Grundsätzen und Rechten skizziert. Der Unterschied zwischen den beiden ist folgender: die Digitalen Grundsätze dienen vor allem einer Beschreibung, wie ein digitales Europa auszusehen hat, was allen EU-Bürgern:innen zugutekommt. Dazu gehören beispielsweise:

  • Ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Umfeld
  • Allgemeine digitale Bildung und Kompetenzen
  • Zugang zu umweltfreundlichen digitalen Systemen und Geräten
  • Zugängliche und menschenzentrierte digitale öffentliche Dienste und Verwaltungen
  • Ethische Grundsätze für menschenzentrierte Algorithmen
  • Schutz und Stärkung von Kindern im Online-Raum
  • Zugang zu digitalen Gesundheitsdiensten

Die digitalen Rechte hingegen sollen aus der Europäischen Säule sozialer Rechte aufbauen und ergänzen. Dazu gehört:

  • Meinungsfreiheit mit Zugang zu pluralistischen, verlässlichen und transparenten Informationen
  • Freiheit der Unternehmensgründung und -führung im Internet
  • Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre
  • Schutz individueller geistiger Werke im Online-Raum

Eine Besonderheit bei den digitalen Rechten ist, dass sie nicht nur von den politischen Vertreter:innen der EU-Staaten beschlossen werden, sondern die Bürger:innen direkt einbezogen werden sollen, indem die Rechte in einer breiten gesellschaftlichen Debatte erörtert werden. Anschließend sollen sie in einer feierlichen interinstitutionellen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission verankert werden. Außerdem schlug die EU-Kommission eine jährliche Befragung der Bürger:innen zu ihrer Zufriedenheit mit den Fortschritten der Digitalisierung vor.

Der Digitale Kompass

Um die Zielsetzung für die verschiedenen Bereiche zu konkretisieren hat die EU-Kommission den sogenannten Digitalen Kompass vorgeschlagen. Dieser dreht sich um vier Kernpunkte: Skills, Gouvernment, Infrastructure, Business.

– Bei den Skills geht es hauptsächlich um digitalen Kompetenzen und um qualifizierte digitale Fachkräfte: mindestens 80 % aller Erwachsenen sollen über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen, und in der EU sollten bis 2030 20 Millionen IKT-Fachkräfte beschäftigt sein. Auch soll die Beschäftigung von Frauen in den digitalen Bereichen gefördert werden.
Gouvernment: Bis 2030 sollten alle wichtigen öffentlichen Dienste online verfügbar sein. Elektronischen Patientenakten sollen für die Bürger:innen zugänglich sein, und 80 % von ihnen sollten eine elektronische ID-Lösung nutzen
Infrastructure: alle Haushalte in der EU sollen über eine Gigabit-Anbindung verfügen und alle bevölkerten Gebiete mit 5G-Netzen versorgt werden. 20 % der hochmodernen und nachhaltigen Halbleiter weltweit sollten in Europa hergestellt werden. In der EU sollten 10 000 klimaneutrale hochsichere Randknoten aufgebaut werden und Europa sollte seinen ersten Quantencomputer haben
Business: ¾ aller Unternehmen sollen Cloud-Computing-Dienste, „Big Data“ und künstliche Intelligenz nutzen. Außerdem soll sich die Zahl der Start-up-Einhörner in der EU verdoppeln.

Internationale Zusammenarbeit

Um die Umsetzung zu verbessen und Lücken bei den kritischen EU-Kapazitäten zu vermeiden sind außerdem Mehrländerprojekte geplant, bei welchen Investitionen aus dem EU-Haushalt, den Mitgliedstaaten und der Industrie zusammengeführt werden sollen.  Durch die Kombination verschiedener Mittel wird die EU in der Lage sein, mit Partnern in der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. So schlug die EU-Kommission zur Finanzierung der Projekte beispielsweise vor, einen neuen EU-US-Handels- und Technologierat einzurichten, sowie einen Fonds für digitale Konnektivität. Potenzielle Mehrländerprojekte sind eine europaweit vernetzte Datenverarbeitungsinfrastruktur, die Konzeption und Verbreitung der nächsten Generation stromsparender vertrauenswürdiger Prozessoren oder vernetzte öffentliche Verwaltungen.

Die nächsten Schritte

Bei diesem Programm handelt es sich vorerst jedoch nur um eine Zielsetzung. Der nächste Schritt lautet darum, einen Plan auf die Beine zu stellen, damit aus abstrakten Vorhaben konkrete Maßnahmen in die Wege geleitet werden können: Als erstes soll das Finanzierungsprogramm „Digitales Europa“ kommen, welches andere Programme zur Förderung der Digitalisierung ergänzt, darunter Horizont Europa. Es werden außerdem Finanzmittel für Projekte in den Bereichen Schlüsselbereichen wie künstliche Intelligenz, Supercomputer, digitale Kompetenzen, Einführung und optimale Nutzung digitaler Kapazitäten und Interoperabilität, sowie Cybersicherheit in Höhe von 7 588 Millionen Euro für den Zeitraum 2021-2027 bereitgestellt. Auch will die EU die einzelnen Mitgliedsstaaten stärker in die Verantwortung nehmen, tatsächlich zu handeln: In einem neuen Bericht „Zur Lage der digitalen Dekade“ wird jährlich analysiert, ob sie den Zielen hinterherhinken, und im Rahmen des Europäischen Semesters werden konkrete Empfehlungen ausgesprochen, wie dies zu ändern ist.

 

Text: Stefaniya Vlasova