Die neue Realität der EU-Asylpolitik vor der Bundestagswahl (10.02.2025)

Die neue Realität der EU-Asylpolitik vor der Bundestagswahl (10.02.2025)

In den letzten Wochen vor der Bundestagswahl sorgt das Thema Migration für großes Aufsehen: Hitzige Debatten im Plenarsaal prägen den Endspurt des Wahlkampfs. Prof. Dr. Stratenschulte, langjähriger Leiter der Europäischen Akademie Berlin und Mitglied des Team EUROPE DIRECT Rednerpools, beleuchtete am 10. Februar in einem Vortrag bei der VHS Dortmund die relevanten Rahmenbedingungen auf europäischer und deutscher Ebene. Dabei ging er nicht nur auf grundsätzliche Aspekte ein, sondern auch auf aktuelle Fragestellungen: Was gilt für Geflüchtete aus der Ukraine? Wie steht es nach dem Sturz des Assad-Regimes um Syrer:innen in Deutschland? Und wie könnte die deutsche Migrationspolitik nach der Bundestagswahl gestaltet werden?

Für Ukrainer:innen gelten besondere Regeln

Nachdem Prof. Stratenschulte zunächst die verschiedenen Voraussetzungen, unter denen Menschen in Deutschland Asyl erhalten, erklärte, ging er auf die Situation der Geflüchteten aus der Ukraine ein. Seit dem russischen Überfall haben unzählige Menschen ihr Land verlassen, um dem Krieg zu entkommen. Für Ukrainer:innen gilt dabei die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie. „Diese Ausnahmeregelung wurde 2001 im Kontext des Jugoslawienkriegs geschaffen“, so Prof. Stratenschulte. Sie räumt den Ukrainer:innen unter anderem das Recht auf Unterbringung ein und gewährt ihnen unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt. Für minderjährige Geflüchtete bedeutet dies auch einen Anspruch auf Bildung. „Ukrainerinnen und Ukrainer zählen damit nicht als Asylbewerber oder -bewerberinnen“, erläutert Prof. Stratenschulte. Ihr Schutzstatus ist bis März 2026 befristet.

Der Experte beobachtet einen Rückgang der Unterstützung für die Ukraine. Ebenso lässt das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen Zweifel aufkommen: Wie werden sich die USA verhalten und welche Auswirkungen könnte das auf die Situation in der Ukraine haben? Auch die Frage der Finanzierung der Unterstützung bleibt Diskussionsthema innerhalb der Europäischen Union.

Der Großteil der Syrer:innen hat anerkannten Schutzstatus

Ukrainer:innen stellen die größte Gruppe unter den Schutzsuchenden in der Bundesrepublik dar. Die zweitgrößte Gruppe bilden Syrer:innen, erklärt Prof. Stratenschulte. Mehr als die Hälfte von ihnen kam nach dem Ausbruch des Krieges in Syrien zwischen 2014 und 2016 nach Deutschland. Ein Teil von ihnen ist bereits in Deutschland geboren.

Der Großteil der syrischen Geflüchteten hat einen anerkannten Schutzstatus. Diesen haben die Menschen unter anderem gemäß der Genfer Konvention oder dem Prinzip des subsidiären Schutzes erhalten. Das bedeutet, dass ihnen in ihrer Heimat ernsthafter Schaden droht. Nur bei einem Bruchteil der Schutzsuchenden wird der Schutzstatus abgelehnt, betont der Experte. Nach dem Sturz des Assad-Regimes Ende vergangenen Jahres wird die Situation dieser Gruppe allerdings wohl in Zukunft verstärkt diskutiert.

Vorherrschendes Thema im Wahlkampf

„In der Bundesrepublik diskutieren wir derzeit die Aufhebung des subsidiären Schutzes und sogar die Abschaffung des Asylrechts als Individualrecht“, berichtet Prof. Stratenschulte. Ebenso werde über die Einschränkung des Familiennachzugs und die verstärkte Rückführung von Menschen ohne Asylanspruch diskutiert. „So sieht die Situation vor der Bundestagswahl aus“, hält der Europa-Experte fest. Die Auseinandersetzung ist keineswegs neu, hat jedoch in den Wochen vor der Wahl noch einmal an Intensität gewonnen.

Ende Januar legte die CDU, allen voran Kanzlerkandidat Friedrich Merz, Anträge in der Migrationspolitik im Bundestag vor. Diese sorgten nicht nur für Aufsehen, weil sie die Zustimmung der AfD erhielten, sondern auch aufgrund ihrer drastischen Forderungen. Die CDU verlangt unter anderem die Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen. Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte den Vorschlag und äußerte Bedenken, er könnte gegen europäisches Recht verstoßen.

Welchen Kurs Deutschland in der Migrationspolitik künftig einschlagen wird, bleibt damit unklar. Offen ist zudem, ob die neuen europäischen Asylregeln, die 2026 in Kraft treten sollen, überhaupt von allen EU-Staaten angewandt werden. Klar ist jedoch: Auf Dauer funktionieren wird nur eine europäische Lösung. „Nach der Bundestagswahl wird es eine Weile dauern, bis wir eine handlungsfähige Regierung haben“, stellt Prof. Stratenschulte am Ende seines Vortrags fest. Zunächst müsse man Kompromisse finden. Was schon jetzt feststeht: „Es gibt keine einfache Lösung.“

Text: Fabia Lulis