"Die Seele unserer Union stärken": Rede zur Lage der Union 2021

“Die Seele unserer Union stärken”: Rede zur Lage der Union 2021

Jedes Jahr hält der bzw. die Präsident:in der Europäischen Kommission eine Rede vor dem Europäischen Parlament, um die Arbeit der EU im vergangen Jahr zu reflektieren und gleichzeitig in die Zukunft zu blicken und die Richtung für das kommende Jahr zu weisen. Diese „Rede zur Lage der Union“ wurde dieses Jahr am 15. September von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehalten. Wir fassen hier die wichtigsten Aussagen für euch zusammen.

Weichen für die Zeit nach Corona gestellt – ein Rückblick auf das vergangene Jahr

Begonnen hat die Tradition der Rede zur Lage der Union im Jahr 2010, als der damalige Kommissionspräsident José Manuel Barroso zum ersten Mal in dieser Form das Wort an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments widmete. Seitdem nutzen seine Nachfolger die Rede zum einen, um die politischen Prioritäten der EU aufzuzeigen, neue Initiativen anzukündigen und einen Ausblick auf die Zukunft der EU zu geben, und zum anderen, um die Ankündigungen aus dem vergangenen Jahr zu reflektieren. In ihrer diesjährigen Rede blickte von der Leyen mit den folgenden Worten auf die letzten 12 Monate zurück: „Wenn ich heute auf dieses vergangene Jahr zurückblicke, wenn ich die Lage der Union heute betrachte, dann finde ich in allem, was wir tun, eine Seele.“

Präsidentin von der Leyen warf unter anderem einen Blick auf die Erfolge, die Europa während der Coronavirus-Pandemie gemeinsam erreicht hat und betonte den Zusammenhalt in der EU bei der Bekämpfung der Krise. Ende August waren bereits 70% der Erwachsenen in der EU vollständig geimpft. In der EU wurden dafür insgesamt über 700 Mio. Impfdosen verteilt und die gleiche Menge an Impfdosen wurden zusätzlich von der EU an andere Staaten gegeben, um den Impffortschritt auch außerhalb Europas zu fördern. Des Weiteren hat die EU mit dem Wiederaufbauplan NextGenerationEU ein umfangreiches Programm auf den Plan gestellt, um die Erholung der europäischen Wirtschaft nach der Krise zu ermöglichen. Außerdem sprach von der Leyen von den verschiedenen Initiativen des letzten Jahres, um Europa grüner, digitaler und sozial gerechter zu machen. Ein Hauptthema dabei ist der Europäische Grüne Deal, in deren Rahmen Europa das Ziel verfolgt, bis 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent zu werden. Der erste Schritt dabei ist „Fit for 55“: Das Programm strebt an, bis 2030 den Emissionshaushalt der EU um 55% im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken.

Auf dem Weg ins klimaneutrale Europa – neue Initiativen für die Zukunft

Kommissionspräsidentin von der Leyen richtete in ihrer Rede das Wort auch an die junge Generation der Europäer:innen. Sie beschreibt den Einsatz, den junge Menschen für politische Themen leisten, als inspirierend: „Unsere Union wird stärker sein, wenn sie mehr wie unsere nächste Generation wird: umsichtig, entschlossen, fürsorglich für andere. Verwurzelt in ihren Werten und kraftvoll in ihrem Handeln.“ Um junge Menschen in Europa zu unterstützen kündigte von der Leyen eine neue Initiative an, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen: ALMA wird es jungen Europäer:innen ermöglichen, kurzfristige Arbeitsmöglichkeiten in anderen EU-Staaten wahrzunehmen.

In ihrer Rede gab von der Leyen eine Reihe von Vorschlägen und geplante Initiativen für das kommende Jahr vor. Zum einen wird die EU die Umsetzung des Europäischen Grünen Deals weiterhin verfolgen. Von der Leyen betont bei diesem Thema auch, dass der Übergang zur Klimaneutralität sozialverträglich für europäische Bürger:innen gestaltet werden muss, weswegen die Kommission nun die Einrichtung eines sozialen Klimafonds vorgeschlagen hat. Zum anderen hat die Coronavirus-Pandemie gezeigt, dass die EU in Zukunft auf Gesundheitskrisen besser vorbereitet sein muss und in solchen Notsituationen koordinierter agieren muss. Zu diesem Zweck wird die Kommission die EU-Behörde für die Krisenvorsorge und –Reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Health Emergency Preparedness and Response Authority: HERA) einrichten.

Ein weiteres großes Thema war die Verwirklichung des digitalen Wandels in der EU bis 2030. Dazu hat die Kommission einen „Weg in die digitale Dekade“ vorgeschlagen. Die Strategie der digitalen Dekade wurde bereits im Mai dieses Jahres präsentiert und umfasst Ziele unter anderem in den Bereichen der Erweiterung der digitalen Kompetenzen und dem Ausbau der digitalen Infrastruktur in der EU. Ein wichtiger Punkt war auch die Erhöhung der Halbleiterproduktion in Europa. In dieser Branche ist Europa stark abhängig von Produktionsfirmen im Ausland. Um die Unabhängigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der EU in der Technologiebranche zu fördern, wird die Kommission ein neues Chips-Gesetz vorlegen. Dieses wird die Versorgungssicherheit der EU gewährleisten und helfen, neue Märkte für europäische Technologien zu erschließen.

Präsidentin von der Leyen sprach in ihrer Rede auch von der Notwendigkeit einer Europäischen Verteidigungsunion. Diese würde es der EU ermöglichen, mehr globale Verantwortung im Bereich der Verteidigung zu übernehmen, Krisen früher zu bekämpfen und Antworten auf neue Bedrohungen, wie Cyber-Angriffe, zu finden. Geplant ist auch eine Zusammenarbeit mit der NATO. Auch das Thema der Rechtstaatlichkeit und der Freiheit fand in der Rede zur Lage der Union Erwähnung. Zum einen erinnerte von der Leyen an die Verpflichtung, die alle Mitgliedsstaaten eingegangen sind, die europäischen Werte und Freiheiten zu schützen und zu verteidigen. Für die Zukunft kündigte sie an, dass die EU ein Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf den Weg bringen möchte. Außerdem hat die Kommission bereits eine neue Empfehlung zum Schutz von Journalist:innen vorgelegt, um die Pressefreiheit in der EU zu gewährleisten.

Generell betonte von der Leyen die Bedeutung der Einigkeit und des Zusammenhalts der Europäischen Union auf allen Ebenen. Sie sprach wiederholt von der Seele Europas. Diese sei in der Krisensituation des letzten Jahres getestet worden, und wurde doch nie ernsthaft bedroht.

 

Text: Dorothea Ullrich