Digital in Europa, Digital in Dortmund? – lokale Perspektiven auf die Digitale Dekade der EU (23.11.2022)

Digital in Europa, Digital in Dortmund? – lokale Perspektiven auf die Digitale Dekade der EU (23.11.2022)

Digitalisierung ist in allen Ländern der europäischen Union ein Schlüssel für ihre Zukunftsfähigkeit. Bei der digitalen Entwicklung und gemeinsamen Standards gibt es in Europa aber immer noch Defizite. Im Rahmen der Digitalen Dekade hält die Europäische Union deshalb gemeinsame Ziele für die Mitgliedstaaten fest, um eine einheitliche digitale Entwicklung zu gewährleisten. Welche das sind und wie sie auf regionaler Ebene in Dortmund umgesetzt werden können, haben uns am 23. November Nikolaus von Peter, Politischer Referent der EU-Kommission in Deutschland für Digitalisierung und Christian Nähle, Geschäftsführer der Dortmunder Initiative für Freie und Open-Source-Software, kurz Do-FOSS, erläutert. Moderiert wurde die Veranstaltung von Cassandra Speer.

Die Digitale Dekade als politische Initiative der EU

Nikolaus von Peter berichtete zunächst von seiner Arbeit in der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. In Berlin leitet der politische Referent unter anderem Workshops, tritt in Kontakt mit Bürger:innen und tauscht sich in regelmäßigen Treffen mit der Bundesregierung über Fachthemen aus – neben Digitalisierung ist er auch für Migration, Innere Sicherheit, Justiz und Wettbewerbspolitik zuständig. Mit der Digitalen Dekade mache es sich die EU zur Aufgabe, einen Rahmen zu schaffen, mit dessen Hilfe man EU-weite Ziele der Digitalisierung erreichen und eine einheitliche Entwicklung in Europa fördern kann, so von Peter. Einmal im Jahr werde ein Bericht veröffentlicht, in dem auch festgehalten wird, ob die einzelnen Mitgliedsländer die Ziele erreicht haben.

„Europa bedeutet für mich Kooperation.“ – Christian Nähle

Christian Nähle als Dortmunder Digitalexperte sprach zunächst das Thema Interoperabilität von Software an. Er erklärte, dass wir bei dem Stichwort Infrastruktur häufig vor allem an Straßen, Gebäude  oder Schienen denken würden. Man müsse jedoch auch die immaterielle, also digitale Infrastruktur mitbedenken. Genau wie beispielsweise die Schienenbreite in der Ukraine eine andere sei als im Rest von Europa – was momentan auch für Hilfslieferungen ein Problem darstellt – so sind auch digitale Schnittstellen in Europa alles andere als vereinheitlicht. Europa bedeute für ihn auf jeden Fall Kooperation, betonte Nähle. „Wenn mit der digitalen Dekade mehr Interoperabilität geschaffen wird, ist das nur zu begrüßen!“ Immer noch sei jedoch die Abhängigkeit von den wenigen großen Tech-Unternehmen aus den USA viel zu groß. Auch deshalb setzt er mit Do-FOSS auf quelloffene und damit öffentlich gestaltbare Software.

Offener Standard und Interoperabilität sei wünschenswert

Um quelloffene, interoperable Software besser verständlich zu machen, nutzte Nähle das Beispiel DIN A4. Dieser Standard sei festgelegt worden und so können weitere Produkte um ihn herum entstehen, wie etwa der DIN A4 Ordner, oder passende Locher, etc. Das sei auch für die Digitalisierung wünschenswert. Eine Freie Software komme vor allem der nutzenden Person zu Gute. Ein Beispiel: Wir können uns gegenseitig E-Mails schicken, auch wenn wir unterschiedliche Anbieter nutzen. Anders verhalte es sich bei Messenger-Diensten und Social-Media-Plattformen. Diese sind nicht interoperabel, weshalb wir viele verschiedene Apps auf unseren Smartphones haben müssen um miteinander kommunizieren zu können.

„Der Vogel muss wieder in den Käfig zurück.“ – Nikolaus von Peter

Welche Mittel hat die Europäische Union überhaupt, um die Macht der großen US-Konzerne, insbesondere der Social-Media-Plattformen, zu beschränken? Nikolaus von Peter kündigte an, dass die EU in den nächsten Jahren verstärkt gegen die Macht der großen Plattformen wie Facebook, Instagram, YouTube und Twitter vorgehen werde. Diese sollen künftig genau rechtfertigen, warum den Verbrauchenden bestimmte Vorschläge gemacht werden und erklären, wie sie konkret gegen Hass und Hetze vorgehen. Sollten die Regeln der Europäischen Union nicht eingehalten werden drohe den Konzernen hohe finanzielle Strafen. Die Macht der US-Firmen sowie ihrer Algorithmen solle so eingedämmt werden. In Anspielung auf Elon Musks Übernahme von Twitter und seinem Tweet „Der Vogel ist befreit.“ müsse der Vogel in der EU nach ihren Regeln fliegen, spitzte von Peter zu.

Neue Koordinierungsstelle für Digitalisierung in Dortmund

Und was bedeutet das für die Digitalisierung vor Ort? Wichtig sei, dass auf europäischer und nationaler Ebene die Richtlinien vereinheitlicht und der Rahmen für lokale Digitalprojekte geschaffen werde, betonte Christian Nähle. Dazu kann die Digitale Dekade mit ihren Vorhaben der EU einen wichtigen Beitrag leisten. Aktuell freute sich der Digitalexperte, dass die Stadt Dortmund kurz vor der Einrichtung einer neuen Koordinierungsstelle für Digitale Souveränität und Open Source stehe und damit eine bundesweite Vorreiterrolle einnehme. Und Digitalisierung gibt manchmal auch Impulse für die ganz analoge Welt: So stellte er außerdem das Projekt des Open-Source-Saatguts der Stadt Dortmund vor. Dies könne man sich vom Prinzip her wie die Freie Software vorstellen. Das Saatgut sei frei von privatrechtlichen Schutzrechten und somit als Gemeingut frei nutzbar.

 

Weiterführende Links

Wer sich mehr mit der Umsetzung der Digitalen Dekade der EU beschäftigen will, kann sich hier im Detail informieren:

Interoperable Europe Act

Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2023

Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022

Beteiligungsplattform der Europäischen Union

 

Text: Sarah Schmitz