
Die Zukunft der europäischen Haushalts- und Fiskalpolitik (17.03.2025)
Im Jahr der Bundestagswahl sieht sich die Europäische Union mit fiskalpolitischen Herausforderungen konfrontiert, die nicht nur ihre Stabilität, sondern auch ihre zukünftige Entwicklung prägen werden. Am 17. März haben wir die Gelegenheit genutzt, einen Blick auf die bestehenden Rahmenbedingungen zu werfen – sowohl auf nationaler Ebene als auch auf europäischer. Dabei stand neben den fiskalpolitischen Kriterien und dem Haushalt der Europäischen Union auch die Frage im Fokus, wie sich dieser angesichts der zukünftigen Herausforderungen weiterentwickeln könnte. Unsere Online-Veranstaltung war Teil der Veranstaltungsreihe „Zwischen Zeitenwende und Einheit in Europe“ der Gesellschaft der Europahäuser und Europäischen Akademien e.V.
Das Thema diskutierten wir mit Tobias Maassen von der EU-Kommission, zuständig für Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie die Unterstützung von Strukturreformen und Leonard Mühlenweg, Junior Economist im Bereich Fiskalpolitik beim Dezernat Zukunft. Moderiert hat Kommunikationsexpertin Louisa von Essen.
Größtes Finanzpaket in der deutschen Geschichte
„Schwarze Null“, Schuldenbremse oder Länderfinanzausgleich… – die Haushalts- und Fiskalpolitik wird in Deutschland immer wieder kontrovers diskutiert. Der Bundestag hat einen Tag nach unserer Veranstaltung, am 18. März, eine weitreichende Entscheidung getroffen: Ein milliardenschweres Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klima sowie Ausnahmen im Bereich Verteidigung.. „Der Bedarf in diesen Bereichen ist hoch“, erklärt unser Experte Leonard Mühlenweg.. Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert und legt fest, dass der Bund jedes Jahr neue Schulden im Wert von höchstens 0,35 % des eigenen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufnehmen darf. Es gab allerdings auch in der Vergangenheit bereits Ausnahmen: In Notsituationen wie der Covid19-Pandemie kann die Regelung ausgesetzt werden.
EU-Schuldenregeln mit neuen Mechanismen?
Auf europäischer Ebene gelten noch andere Regeln: Die Maastricht-Kriterien legen fest, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates nicht höher als 60 % seines BIP sein sollte. Das Finanzdefizit soll außerdem nicht über 3 % des BIP liegen. Deutschland überschreitet diese Grenzen im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten geringer. Leonard Mühlenweg erklärt: „Man hat sich damals am durchschnittliche Schuldenstand orientiert, eine ökonomische Begründung für die 60 Prozent gibt es nicht.“
Verstößt ein Staat gegen die Vorgaben, schlägt die Europäische Kommission einen sogenannte Referenzpfad vor, welcher die Schuldenquote des Mitgliedstaates verringern würde. Dies könnte grundsätzlich auch für Deutschland Anwendung finden, so Tobias Maassen: „Die Europäische Kommission wird beobachten, wie sich die Pläne der zukünftigen Regierung finanzpolitisch auswirken.“
Zudem rückt das neue Regelwerk die sogenannte Schuldentragfähigkeit in den Mittelpunkt der Analyse. Sie bildet eine Grundlage für die mehrjährigen Pläne, in denen Mitgliedstaaten ihre reform- und fiskalpolitischen Vorschläge festhalten. „Die Schuldentragfähigkeitsanalyse ist eine bessere Vorgehensweise als die bisherigen starren Regeln, hat aber auch größere Probleme“, findet Mühlenweg. Man betrachte nicht nur Vergangenes, sondern urteile auch mit Blick in die Zukunft.
Europäischer Haushalt für langjährige Investitionen
Grundsätzlich gebe es erhebliche Unterschiede zwischen den nationalen Haushalten und der EU, erklärt Tobias Maassen: „Anders als ein nationaler Haushalt ist der Haushalt der Europäischen Union zuerst einmal für Investitionen gedacht. Um hierbei eine langjährige Planbarkeit zu schaffen werdem mehrjährige Finanzrahmen festgelegt.“ Der aktuelle mehrjährige Finanzrahmen der EU läuft von 2021 bis 2027 und umfasst zusammen mit dem Aufbaufonds NextGenerationEU rund zwei Billionen Euro. „Ein Großteil der regulären Haushaltsmittel wird in der Agrar- sowie die Kohäsionspolitik investiert“, erklärt Maassen außerdem. Die europäischen Mittel fließen so vor allem in die wirtschaftlich schwächeren Regionen Europas. Der Finanzplan NextGenerationEU wurde während der Covid-19-Pandemie als zusätzliches Förderprogramm ins Leben gerufen. Als Wiederaufbaufonds das Ziel, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Krise zu mindern und in Europas grüne und digitale Transformation zu investieren.
Zu kleiner Spielraum
„Der Spielraum, um auf Notsituationen zu reagieren, ist allerdings klein“, gibt Maassen zu. Man arbeite aktuell daran, mehr Flexibilität zu schaffen. In Anbetracht der aktuellen geopolitischen Lage sei dies besonders wichtig. „Als Europa haben wir gemerkt, dass wir vor Herausforderungen stehen“, beobachtet Maassen. Gerade bei der Frage nach erhöhten europäischen Verteidigungsausgaben stellt sich die Frage, woher das Geld kommen soll. Erst Anfang des Monats hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Aufrüstungsprogramm ReArm Europe vorgestellt. In den nächsten Jahren sollen damit rund 800 Mrd. Euro mobilisiert werden.
„Es herrscht Regelchaos“
Fiskalpolitik ist die Grundlage für andere Politikbereiche, denn sie bestimmt wie viel Geld zur Verfügung steht. „Idealerweise ist sie einfach und transparent gestaltet“, findet Leonard Mühlenweg. Der Finanzexperte ist überzeugt, dass eine europäischere Angleichung der nationalen Fiskalpolitiken durchaus sinnvoll wäre. „Im Moment ist alles sehr kompliziert – es herrscht Regelchaos“, so Mühlenweg in Bezug auf die Schuldenbremse in Deutschland, die EU-Kriterien sowie die Fiskalpolitik weiterer Staaten. Gerade von Deutschland könnte ein wichtiges Signal für fiskalpolitische Reformen auf EU-Ebene ausgehen.
Text: Fabia Lulis