EU-China-Handelspakt: Was kommt nach sieben Jahren Verhandlungen?
Seit China 2001 der Welthandelsorganisation beigetreten ist, hat das Land seine Wirtschaftsmacht immer weiter ausbauen können. Jedoch war die wirtschaftliche Öffnung des Reichs der Mitte nicht nur für die Chinesen selbst von Vorteil. Auch für andere Länder war dies eine große Chance, Handelsbeziehungen aufzubauen. Seit 2013 hat die EU daher Gespräche geführt, um mit China Wirtschaftsbeziehungen auszubauen und zu festigen. Im Dezember 2020 wurde offiziell verkündet, dass die Verhandlungen für ein bilaterales Investitionsabkommen abgeschlossen und ein Handelsabkommen im Laufe des Jahres 2021 zur Ratifizierung bereit seien. Bringt dieser Schritt zu mehr wirtschaftlicher Offenheit auf beiden Seiten auch eine Annäherung in Menschenrechtsfragen mit sich?
Das Handelsabkommen und seine vorläufigen Inhalte
Das „Comprehensive Agreement on Investment“ – kurz: CAI – wurde sieben Jahre lang von EU und China ausgehandelt, die Europäische Kommission hat es in ihrer Pressemitteilung sogar als „das ehrgeizigste Abkommen, das China jemals mit einem Drittland abgeschlossen hat” bezeichnet. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um ein Freihandelsabkommen wie zum Beispiel beim TTIP mit den USA, sondern es soll vor allem den Marktzugang regeln.
Ein zentraler Punkt des Abkommens ist zunächst die Tatsache, dass China seinen Binnenmarkt für Unternehmen aus der EU erheblich öffnet: So stimmt das Land, beispielsweise zu, Einschränkungen in Sektoren zu beseitigen, in welchen die EU aktuell tätig ist, z.B. Obergrenzen für Beteiligungen und erzwungene Technologietransfers. Des weiteren soll es europäische Direktinvestitionen in China schützen. Mitarbeiter:innen ausländischer Investoren, Manager:innen und Spezialist:innen von EU- oder chinesischen Unternehmen dürfen außerdem ohne Einschränkungen bis zu drei Jahre in ihren Tochtergesellschaften arbeiten, und Vertreter:innen von EU- oder chinesischen Investoren soll es erlaubt sein, das Land frei zu besuchen, bevor sie Investitionen tätigen. Zudem umfasst das Abkommen ein Nachhaltigkeitskapitel, welches China dazu verpflichtet, Schutzstandards nicht zu senken und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zu fördern.
Das CAI ist allerdings vorerst noch ein Entwurf. Damit der Handelsvertrag in Kraft treten kann, braucht es eine rechtliche Überprüfung, Übersetzung, und die Ratifizierung des endgültigen Textes seitens der EU-Kommission. Dieser Prozess hätte noch vermutlich mehrere Monate gedauert, allerdings steht genau das aktuell auf der Kippe.
Streitpunkt Menschenrechte: Europäische Sanktionen und Chinesische Gegensanktionen
Im März 2021 haben die EU-Außenminister im Zusammenhang mit systematischen Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Volksgruppe der Uiguren in der Provinz Xinjiang Sanktionen gegen vier Chinesische Politiker verhängt. Bei den Personen handelt es sich um den ehemaligen Vizeparteichef in Xinjiang, den Parteisekretär der Provinz für Bauwesen, den regionalen Funktionär, sowie den Sicherheitschef der Provinz. Ihnen wird vorgeworfen, für die Organisation von Internierungslagern für hunderttausende Uiguren verantwortlich zu sein. Sie dürfen von nun an nicht in die EU einreisen, außerdem wurden ihre Konten in europäischen Banken eingefroren. Es waren die ersten Sanktionen der EU gegen China seit der Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz in Peking vor 32 Jahren. China antwortete keine 90 Minuten später ebenfalls mit Sanktionen gegen eine größere Zahl europäischer Abgeordneter, Amtsträger, und Diplomaten. Aber nicht nur der politische Bereich ist betroffen, auch der Think Tank Mercator Institut for China Studien (MERICS) und zwei Wissenschaftler wurden mit Sanktionen belegt.
Mögliche zukünftige Entwicklungen und Maßnahmen
Zurück zum Handelsabkommen: Wie es damit nun weitergehen wird ist schwer zu sagen. Denn Experten schätzen die Lage momentan so ein, dass das Verhältnis zwischen der EU und China durch die gegenseitigen Sanktionen stark beschädigt ist. Und das gefährdet zumindest vorerst die Ratifizierung des Handelsabkommens. Eine Möglichkeit der EU, die festgefahrene Situation zu entschärfen, ohne bei Menschenrechtsfragen Abstriche zu machen: Weiterhin an ihrer Kritik der Situation in Xinjiang festhalten, ohne die Situation eskalieren zu lassen. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel könnten sich die nicht-sanktionierten Abgeordneten solidarisch mit den Sanktionierten zeigen und auf China-Reisen verzichten.
Ob allerdings auch das bloße Festhalten an der Kritik an den Menschenrechtsverletzungen durch China nicht auch bereits als Affront wahrgenommen werden und so die Situation zum Eskalieren bringen könnten, bleibt unklar. Fest steht lediglich, dass sich die Gespräche bezüglich des Handelsabkommens aufgrund der angespannten Lage noch weiter hinauszögern werden, und sich aktuell kein klares Endergebnis aufzeichnen lässt. Eine Ratifizierung ist frühestens nächstes Jahr zu erwarten. Zu hoffen bleibt, dass die wirtschaftliche Annäherung dann auch eine gemeinsame Linie in Menschenrechtsfragen befördern könnte.
Text: Stefaniya Vlasova