EU-Wiederaufbaufonds: Wie sieht eine Zukunft nach Corona aus?

EU-Wiederaufbaufonds: Wie sieht eine Zukunft nach Corona aus?

In der EU stehen aktuell alle Zeichen auf Zukunft: so findet dieses Jahr die Konferenz zur Zukunft Europas statt, das Jahr der Schiene und neue Klimapakete sollen den Weg in eine emissionsfreie Zukunft ebnen, und der EU-Sozialgipfel in Porto beschäftigte sich mit der Frage, wie ein sozialeres Europa aussehen soll. Aber ein Thema ist nach wie vor zentral für alle Pläne und Zukunftsaussichten: die Corona-Krise. Sie traf die EU nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich, und jetzt wo sich langsam das Ende der Pandemie abzeichnet stellt sich die Frage: Wie wird Europa nach der Pandemie aussehen? Dazu braucht es vor allem einen Finanzplan, damit die Wirtschaften sich erstens von den Einbußen erholen, und zweitens weiter entwickeln können. Mit diesem Ziel vor Augen hat die EU vor kurzen mit dem nächsten langfristigen EU-Haushaltspan verabschiedet – und gleichzeitig durch einen Wiederaufbauplan ergänzt: Gemeinsam mit dem Konjunkturpaket NextGenerationEU stehen 1,8 Billionen Euro zum Aufbau der Wirtschaft nach der Pandemie bereit. Durch diese Pakete soll Europa wirtschaftlich noch stärker, digitaler, und grüner aus der Krise hervorgehen.

Während der langfristige EU-Haushalt bis 2027 finanzielle Sicherheit in der Nach-Corona-Zeit bietet, hilft NextGenerationEU als zeitlich befristetes Aufbau-Programm den EU-Staaten schnell und zielgerichtet. Ein Überblick:

Die Finanzierung der Wiederaufbaufonds

Der EU-Haushalt finanziert sich bisher aus Zöllen sowie Beiträgen der Mitglieder auf Grundlage der Mehrwertsteuer und des Bruttoinlandeinkommens. Im Januar kam außerdem eine weitere Einnahmequelle im Sinne des Umweltschutzes hinzu: Die Mitgliedsstaaten zahlen von nun an einen Beitrag auf Grundlage nicht-recycelter Plastikverpackungsabfälle.

NextGenerationEU wird allerdings nicht durch die gleichen Einnahmen wie der EU-Haushalt finanziert: Für dieses Paket hat die Europäische Kommission zusätzliche Kredite auf dem Finanzmarkt aufgenommen – im Namen aller EU-Mitgliedsstaaten, da sie gemeinsam über eine höhere Bonität verfügt als einzelne Mitgliedsstaaten.

Verteilung des neuen EU-Haushaltes

Der neue EU-Haushaltsplan konzentriert sich größtenteils auf die Modernisierung verschiedener Bereiche: So fließen 50% des Betrags auf die Rubriken:
– Binnenmarkt, Innovation und Digitales,
– Zusammenhalt, Resilienz und Werte,
– Natürliche Ressourcen und Umwelt.
Für den Klimaschutz sind 30% der Gelder eingeplant  – so viel wie noch nie zuvor in einem Haushaltsplan. Auch auf den Schutz der Artenvielfalt, die Gleichstellung der Geschlechter, und Agrar- und Kohäsionspolitik verteilt sich ein wichtiger Anteil des Budgets.

NextGenerationEU: Gezielte Investitionen in Zukunftsbereiche

NextGenerationEU ist das Konjunkturpaket, welches zusätzlich zum neuen EU-Haushalt den Staaten zur Verfügung gestellt wird. Es hat einen Umfang von knapp 750 Milliarden Euro, wodurch es als größtes Konjunkturpaket aller Zeiten gilt, und setzt sich folgendermaßen zusammen:

Über eine neue Aufbau- und Resilienzfazilität wird der größte Teil des Pakets ausgezahlt: ist 672,5 Mrd. EUR stehen hier über Darlehen (360 Mrd. €) und Zuschüsse (312,5 Mrd. €) zur Verfügung, um Reformen und Investitionen in den EU-Ländern zu unterstützen, welche die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Wirtschaft und Gesellschaft abfedern sollen. Der Fokus liegt dabei im Rahmen des Green Deals auf erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, und Digitalisierung: 37 % der Mittel sollen für die Ziele des Green Deal und 20 % für die Digitalisierung verwendet werden. Um diese Mittel beantragen zu können muss zunächst jeder EU-Staat sein eigenes Aufbau- und Resilienzprogramm erstellen und bei der Kommission einreichen.

Der Restbetrag des Wiederaufbaufonds wird im Rahmen von bereits existierende EU-Programmen ausgezahlt. Um folgende Programme, Zwecke und Summen handelt es sich:

REACT-EU: hierbei handelt es sich um Mittel zur Hilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas. Diese Mittel werden aus Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD) bereitgestellt – insgesamt 47,5 Milliarden Euro. Außerdem können im Rahmen der „Investitionsinitiative“ (CRII+) alle bisher nicht in Anspruch genommenen Mittel aus dem Kohäsionsfonds mobilisiert werden, um Arbeitsplätze zu sichern und die Auswirkungen der Corona-Krise auf Wirtschaft und Gesellschaft in der EU abzumildern.

  • Horizont Europa: Forschung, Entwicklung und Innovationen werden mit 5 Milliarden Euro gefördert – zusätzlich zur allgemeinen Förderung aus dem neuen EU-Haushalt.
  • InvestEU: hierbei handelt es sich um die Nachfolgerin des Europäischen Fonds für strategische Investitionen; Es werden 5,6 Milliarden Euro zur Förderung von Investitionen in der EU bereitgestellt.
  • Entwicklung des ländlichen Raums: im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik Strategien und Projekte zur Entwicklung des ländlichen Raums. Mit 7,5 Milliarden Euro gefördert
  • Fonds für einen gerechten Übergang: im Rahmen des Green Deals werden 10 Milliarden Euro zur Förderung des Übergangs in Richtung einer klimaneutralen Wirtschaft bereitgestellt. Der Fokus liegt dabei auf der Diversifizierung der Wirtschaft und die Anpassung an einen sich wandelnden Arbeitsmarkt.
  • RescEU: 1,9 Milliarden Euro für einen strategischen Vorrat an medizinischer Ausrüstung.

Die Verteilung der Gelder orientiert sich für 2021–2022 an den Arbeitslosenzahlen der einzelnen Mitgliedsstaaten, und für 2023 am Gesamtverlust im Bruttoinlandsprodukt zwischen 2020 und 2022. Dies bedeutet, dass Ländern wie Spanien und Italien, welche wirtschaftlich und sozial am stärksten von der Pandemie betroffen sind, die größten Summen in Aussicht stehen. Deutschland sollen schätzungsweise rund 22,7 Milliarden Euro zukommen.

Zukunftsaussichten: Finanzielle Stabilität und neue Einnahmequellen

Um die finanzielle Stabilität der Union langfristig zu gewährleisten, will die EU-Kommission bis Juni dieses Jahres mehrere Vorschläge vorlegen. Aktuell stehen ein CO2-Grenzausgleichssystem, eine Digitalabgabe, und das EU-Emmissionshandelssystem als Einnahmequelle im Gespräch; bis 2024 sollen außerdem neue Einnahmequellen hinzukommen, wie eine EU-weite Finanztransaktionssteuer, ein finanzieller Beitrag im Zusammenhang mit dem Unternehmenssektor, sowie eine neue gemeinsame Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage. Diese können in Zukunft auch weiterhin als Finanzquelle zur Förderung verschiedener EU-Programme eingesetzt werden. Was die Schulden betrifft gilt außerdem: auch wenn der Kredit gemeinsam aufgenommen wurde, jedes Land haftet nur für seinen eigenen Anteil am Wiederaufbaufonds.

Eins steht fest: die Folgen der Corona-Pandemie werden Europa und die Welt noch lange beschäftigen. Daher war absehbar, dass die Pandemiefolgen auch im Finanzplan eine Rolle spielen würden – aber beim neuen EU-Haushalt und dem Konjunkturpaket NextGenerationEU geht es nicht nur darum, die Schäden der Pandemie zu beseitigen: Die Frage, wie Europa in Zukunft aussehen soll, beschäftigt die Union mehr denn je, und durch die gezielte Förderung von Programmen mit Bezug auf Klima und Digitalisierung wird deutlich: Die Zukunft der EU soll wirtschaftlich noch stärker, digitaler, und grüner werden.

 

Text: Stefaniya Vlasova