Europa vom Kopf auf die Füße stellen - Eindrücke eines EU-Projekttags der Werner-von-Siemens-Gesamtschule Unna (09.06.2017)

Europa vom Kopf auf die Füße stellen – Eindrücke eines EU-Projekttags der Werner-von-Siemens-Gesamtschule Unna (09.06.2017)

Schon seit einigen Jahren besteht eine Partnerschaft zwischen dem Europe Direct Informationszentrum Dortmund in der Auslandsgesellschaft NRW e.V. und der Werner-von-Siemens-Gesamtschule Unna-Königsborn: Seit drei Jahren ist die Auslandsgesellschaft beteiligt an europapolitischen Projektkursen, die über das gesamte 12. Schuljahr (Q1) laufen. In der Mitte findet eine 4-tägige Exkursion nach Brüssel statt, um die herum sich die Aufgaben gruppieren. Den Schlusspunkt setzt jeweils ein Präsentationstag, an dem die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse vorstellen und sie in Workshops an den nächsten Jahrgang weitergeben. Das ganze Projekt steht unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Dietmar Köster MdEP, der sich kontinuierlich daran beteiligt und immer wieder in der Schule und in Brüssel dem Projekt neue Impulse vermittelt.

Vertieft wird diese Zusammenarbeit auch regelmäßig durch die Beteiligung der Schule an der alljährlichen Themenwoche des Europe Direct Informationszentrums Dortmund, die in diesem Jahr vom 26.06.-29.06.2017 zum Thema „Kann Europa als Sozialunion gelingen?“ stattfand.

Besonders der erste Vortrag des Präsentationstages steht im Zusammenhang mit dieser Themenwoche: der EU-Binnenmarkt. Auf eine Darstellung der Grundzüge des Binnenmarktes folgte der Blick auf die Probleme, die heute an diesem Kernstück der europäischen Integration sichtbar werden: Der Binnenmarkt bleibt unvollendet und erzeugt dadurch soziale Schieflagen, mit denen er der Globalisierung, der Digitalisierung und den Folgen für die Arbeitswelt nicht beikommen kann. Wie notwendig Sozialstandards auch für den Bestand der EU selbst sind, betonte Prof. Köster in der anschließenden Diskussion: Wie soll denn ein europäisches Bewusstsein wachsen, wenn die Menschen den Kopf nicht frei haben für Europa, weil sie sich aufs nackte Überleben konzentrieren müssen?

Im zweiten Vortrag ging es um Energiepolitik und damit um ein mindestens ebenso wichtiges Thema: die Zukunft der Erde. Hier wurde demonstriert, wie unabdingbar die internationale Zusammenarbeit und – wie Herr Köster in der Diskussion danach feststellte – wie wenig zukunftsfähig die Politik des US-Präsidenten ist. Hier bedarf es – neben des europäischen – auch eines kosmopolitischen Bewusstseins.

In den nachfolgenden Workshops kamen auch einige der genannten Aspekte noch einmal zur Geltung – beeindruckend die Vielfalt der Themen: Türkei, Entscheidungsstrukturen in der EU, Krise der EU, Rechtspopulismus, Agrarpolitik, Brexit u.v.a.m.

So mündete z.B. das Thema Brexit in der Frage nach den Austrittstendenzen überhaupt: Beim gegenwärtigen Zustand der EU mögen viele lieber auf die eigene Kraft vertrauen als auf die Dominanz durch andere, z.B. Deutschland. Das würde im Umkehrschluss bedeuten: Auch Deutschland wäre ein Austrittskandidat, wenn es nicht aus der EU so großen Nutzen ziehen würde.

Überraschend war es für den Beobachter zu sehen, wie zügig die jungen Referent*innen von den Einzelproblemen, mit denen die EU konfrontiert ist, zum Kern der Sache vorstießen: Es geht darum, die Nationalstaaten zurückzudrängen, damit die EU in den Stand versetzt wird, all diese dringenden Probleme anzugehen. Offenbar wächst da eine neue Gründergeneration heran, die weiter ist als die im Nationalen befangenen Politiker*innen in den Mitgliedsstaaten: Diese neue Generation weiß offenbar, was sie an Europa hat, und wird es sich nicht nehmen lassen, die EU vom Kopf auf die Füße zu stellen und Ernst zu machen mit der europäischen Demokratie.

Mehr Informationen zum Projektpräsentationstag der Werner-von-Siemens-Gesamtschule Unna sind hier zu finden.

Text: Eckhard Kohle
Foto: © Werner-von-Siemens-Gesamtschule Unna