Chancen und Probleme der europäischen Strukturpolitik: Das Beispiel Ruhrgebiet (19.02.19)
Die zweite Veranstaltung der Reihe „Europa vor den Wahlen“ der VHS Bochum stand ganz im Zeichen des Ruhrgebiets. Professor Dr. Franz Lehner befasste sich am 19. Februar 2019 mit dem Thema der europäischen Strukturpolitik im Ruhrgebiet und Fragen nach den Vor- und Nachteilen der Regionalpolitik, ob man die EU vor den Wahlen schönreden sollte oder wie das Ruhrgebiet nicht nur viel erreichen, sondern auch viel gewinnen kann.
Eine neugierige Gruppe von Zuhörer*innen hatte sich am Dienstagabend in der Volkshochschule Bochum zusammengefunden, um über die EU und das Ruhrgebiet zu sprechen. Ruhrgebiets-Experte Prof. Dr. Franz Lehner begann seinen Vortrag mit der Frage, ob man die Europäische Union vor den Wahlen schönreden müsse. Bei Problemen mit Geflüchteten gäbe es einiges an Kritik gegenüber der EU zu äußern, aber man sollte auch die spannenden Projekte, die die EU vor der eigenen Haustür finanziert, nicht vergessen, so Lehner. Als Beispiel hierfür nannte er den Emscher-Umbau.
Hauptbestandteil von Lehners Vortrag waren allerding Vor- und Nachteile der EU-Regionalpolitik. Eines der größeren Probleme sei die Komplexitätsfalle, die auch das Ruhrgebiet betreffen würde. So gäbe es viele schöne Programme, die allerdings alle eigene Vorgaben und komplizierte Vorschriften hätten. Auch würde die Regionalpolitik Disparitäten wie Wachstumshemmnisse und soziale sowie politische Unzufriedenheit nicht beseitigen. In der EU sei es zur Vorgehensweise geworden, mit den Mitteln jeden „Blödsinn“ zu finanzieren, solange die Vorschriften eingehalten werden, urteilte Lehner.
„Kulturell ist das Ruhrgebiet die Nr. 2 nach Berlin!“
Einzelne durch die EU finanzierte Projekte im Ruhrgebiet seien gut, aber für Lehner zeigt sich im Ruhrgebiet immer noch kein durchgreifender Wandel. Dies erfordere einen Plan des gesamten Ruhrgebiets und viel mehr Kooperationen zwischen den einzelnen Städten. Das riesige Bündel an Möglichkeiten durch die EU-Regionalpolitik solle laut Lehner besser und gebündelter eingesetzt werden und zwar nach dem Vorbild bereits erfolgreich umgesetzter Projekte, wie beispielsweise dem „IBA Emscherpark“ sowie der „Kulturhauptstadt Ruhr“. Das seien effizient organisierte Ideen gewesen, die durch gemeinsame Kräfte und gemeinsames Potential der beteiligten Städte realisiert worden seien.
„Was die EU uns bringt, hängt davon ab, wie wir sie nutzen und gestalten!“
In der folgenden Diskussion fragte sich das Publikum, ob sich das Ruhrgebiet und seine Städte durch bestimmte Spezialgebiete wie Logistik oder IT profilieren sollten. Lehner lehnte dies mit Nachdruck ab und verwies auf den einst überall im Ruhrpott vorhandenen Bergbau, nach dessen Abbau das Ruhrgebiet quasi eingebrochen sei. Zusätzlich sei der Konkurrenzgedanke zwischen den Städten sowieso schon zu groß. Es sollten lieber gemeinsame Projekte wie ein landesweiter ÖPNV gebildet werden, denn beim VRR würde ja zum Beispiel „selbst ein Heiliger zum Radikalinski“ werden. Auch Großprojekte wie Olympia würden die Region letztendlich nicht retten, denn das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei dafür zu schwach. Im Allgemeinen sollte man sich auch bei EU-finanzierten Projekten auf die kulturellen Räume konzentrieren, in denen die Menschen leben würden und diese somit lokal verankern.
Text: Anita Lehrke, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Foto: © Anita Lehrke, Auslandsgesellschaft.de e.V.