„Europas Zukunft liegt in deinen Händen!“ – Zukunftswerkstatt für Jugendliche zur Europawahl 2019 (14.12.2018)
„Die Europawahl 2019 wird die wichtigste Wahl in der Geschichte der EU!“ Die Worte des Abgeordneten des Europäischen Parlaments Prof. Dr. Dietmar Köster treffen es auf den Punkt. Am 26. Mai 2019 heißt es für Deutschland ab an die Wahlurnen und die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments aktiv mitgestalten. Doch wie wählt man eigentlich das Europäische Parlament? Und noch viel wichtiger: Was bringt meine Stimme? Unsere Zukunftswerkstatt hat sich zur Aufgabe gemacht, diese Fragen erfolgreich zu klären. Am 14. Dezember 2018 ist sie bereits zum zweiten Mal in Aktion getreten und hat mit Erstwähler_innen vom Städtischen Gymnasium Bergkamen und dem Europaabgeordneten Dietmar Köster zu intensiven Diskussionen über die anstehende Europawahl 2019 geführt.
Zu Beginn wurde ein kleines Warm-up mit den Schülern_innen durchgeführt, um sich dem Thema Europa zu nähern. Dabei ging es um europäische Errungenschaften wie die Reisefreiheit oder den Euro sowie die Frage, ob man vorhabe, an der Europawahl teilzunehmen. Daran anschließend wurde das Vorwissen der Jugendlichen auf die Probe gestellt: In einem Video über das Europäische Parlament waren einige Fehler versteckt, die die Schüler*innen jedoch mit Leichtigkeit fanden und richtig stellten.
Mit einer soliden Grundlage starteten also alle in die Gruppenarbeit. Jede Gruppe repräsentierte dabei bestimmte Akteure, die sich aktiv an der Politik der EU beteiligen. Kommissar_innen mussten dementsprechend Funktionsweise und Aufgaben der Europäischen Kommission erklären, Fraktionsvorsitzende die Zusammensetzung und Regeln für Fraktionen im Europäischen Parlament oder Wahlhelfer_innen Prozedere und Sinn der Europawahl 2019.
Damit waren alle auf demselben Wissensstand angekommen und es konnte in die Diskussionen gehen. Hier waren die Jugendlichen kaum mehr zu stoppen: Schlagfertige Argumente und gestandenes Wissen flogen in einem regelrechten Schlagabtausch über die Sitzungstische im Dortmunder Rathaus. Aus einer Flut an Ideen und Argumenten für die Zukunft der EU kristallisierten sich die Top-3-Themen heraus, die mit dem Europaabgeordneten Köster im gemeinsamen Gespräch am Nachmittag besprochen werden sollten.
Kurz vor dem Mittagessen führten die Teamerinnen des Europe Direct Dortmund und der Jungen Europäischen Föderalisten NRW e.V. noch in die Konsultation zur Zukunft Europas ein, welche von der Europäischen Kommission aufgegeben wurde, um die Meinung der Bürger*innen über EU-spezifische Themen und die zukünftige Ausgestaltung der EU einzuholen. Im Anschluss füllten die Jugendlichen die Fragebögen aus und schickten sie direkt online an die Kommission.
Fragerunde mit dem Europaabgeordneten Dietmar Köster
Im gemeinsamen Gespräch haben die Schüler_innen dem Europaabgeordneten Köster so einige Schweißperlen auf die Stirn getrieben. Mit gezielten Fragen wurden ihm auch die letzten Informationen aus dem Ärmel geschüttelt.
So bestand ein besonderes Interesse der Schüler_innen in dem Arbeitsalltag eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments sowie den vermeintlichen Entbehrungen, die einem solchen getakteten Zeitplan geschuldet sind. Köster räumte ein, dass sich sein Leben nach der Wahl zum Abgeordneten schlagartig und grundlegend verändert habe. Zwar bedeute der Beruf eines Abgeordneten, unentwegt auf Achse zu sein und stets von Brüssel nach Straßburg umzuziehen, dabei bleibe das Privatleben jedoch nicht vollkommen auf der Strecke. Köster machte klar, dass sein Privatleben einen festen Platz in seinem Terminplan habe.
Inwiefern nehmen die Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 effektiv Einfluss auf die EU, fragten die Jugendlichen im Anschluss. Aktuell gebe es einen rechtspopulistischen Ruck, sagte Köster. Rechtspopulistische Kräfte versuchten, die EU zu schwächen, auch von innen heraus. Durch einen verstärkten Einzug von rechtspopulistischen Parteien in das Europäische Parlament durch die Wahl könnten grundlegende Fundamente der EU in Frage gestellt und angegriffen werden. Um dies zu verhindern, sei eine hohe Wahlbeteiligung wichtig. Daher bestehe momentan eine relevante Aufgabe darin, die Bürger*innen zur Wahl zu mobilisieren und sie zu ermutigen, ihr Europa positiv zu gestalten. Denn die Geschichte zeige, dass Krieg und Zerstörung aus der Feder des Nationalismus stammen und nicht, wie oft von rechtspopulistischen Parteien behauptet, Migration und Geflüchtete als Ursache haben.
Die Jugendlichen kritisierten die mangelnde Präsenz der EU in den (britischen) Medien im Vorfeld des Referendums zum Brexit. Man habe die EU nicht verteidigt und Gerüchte und Desinformation nicht entkräftet. Köster räumte dies ein, jedoch sei die Berichterstattung und so auch die Richtigstellung von Mythen über die EU Aufgabe der Nationalstaaten und somit Großbritanniens gewesen. Werbung der EU hätte als Einflussnahme auf die Entscheidungen der Bürger*innen in Großbritannien und damit als Einmischung in nationale Angelegenheiten verstanden werden können.
Wo sehe er die EU in 30 Jahren, wollten die Jugendlichen im Anschluss wissen. Aktuell, so Köster, stehe die EU vor einem Scheideweg: Im besten Fall entwickele sich die EU weiter zu einer starken Sozialunion. Im Worst-Case-Szenario würde es zu einer Zunahme des Nationalismus und einem Auseinanderbrechen kommen.
In diesem Zusammenhang hatten die Teilnehmer*innen die Idee, dass es besser sein könnte, den EU-Bürger*innen mehr Entscheidungsfreiraum einzuräumen, d.h. auf Basis von Volksentscheidungen die Politik der EU mitzubestimmen. Ja, es müsse ein Weg gefunden werden, den Bürger*innen noch mehr Einfluss auf Entscheidungen zu geben, sagte der Abgeordnete, jedoch seien Volksentscheide nicht zwangsläufig die beste Idee. Der Austritt Großbritanniens aus der EU infolge eines Referendums zeige die negative Seite dieses Instruments auf drastische Weise – man entschied hier eher auf Grundlage von Gefühlen, denn Fakten.
Die Existenzängste der Briten*innen seien in vielen EU-Bürger*innen fest verankert, führte Köster fort. Auf diese müssten Antworten gefunden werden, betonte er. Der Wegfall der EU sei für keinen Mitgliedsstaat die beste Lösung, im Gegenteil. Aufgrund der voranschreitenden Globalisierung sei es außerordentlich wichtig, gemeinsam stark aufzutreten und Kommunikations- wie Wirtschaftswege global zu behandeln. Gemeinsam habe man mehr Gewicht als ein einzelner Nationalstaat es habe, sei es in globalen Fragen der Digitalisierung, der Wirtschaft oder des Klimaschutzes.
„Klimawandel macht vor Grenzen nicht halt.“, so Köster. Nicht nur Entwicklungsländer, sondern auch – oder vor allem – die großen Industrieländer haben einen großen Handlungsbedarf im Bereich Klimapolitik, der nur in internationaler Zusammenarbeit angegangen werden kann. So auch Deutschland: Es versage bei den CO2– und Stickoxide-Richtlinien auf ganzer Linie. Laut Köster sterben pro Jahr 6.000 Deutsche frühzeitig aufgrund der zu hohen Abgasanteile in der Luft. Es müssen klare gesetzliche Regelungen eingeführt werden, die die Autoindustrien als Verursacher zur Konsequenz ziehen.
Zudem beschäftigte die Schüler*innen die Frage, ob und inwiefern die EU Einfluss auf Großmächte, wie China, habe. Für eine effiziente Zusammenarbeit gebe es Handelsabkommen zwischen der EU und den jeweiligen Ländern, sagte Köster. Der Umweltschutz müsse bei den nächsten Abkommen ein zentraler Bestandteil werden.
„Warum werden wichtige Entscheidungen in der EU nur von weißen Männern um die 50 beschlossen?“ Es war deutlich zu sehen, dass Herr Köster mit dieser mutigen Frage einer Schülerin nicht gerechnet hatte. Er erklärte, dass es in der SPD für die Liste der Europawahl eine Frauenquote gebe und dass darauf geachtet werde, ein gutes Mittelmaß zwischen älteren und jüngeren Politiker*innen beizubehalten. Er kritisierte außerdem, dass entscheidende Positionen, wie die Präsidentschaft des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates, allein in Männerhand liegen. Hier müsse sich noch einiges ändern.
Ein weiteres Thema der Diskussion mit Herrn Köster stellte der Lobbyismus dar. Inwieweit werden die Politiker*innen beeinflusst, fragten die Jugendlichen. Köster räumte ein, dass ein erheblicher Druck von Lobbyist*innen auf EU-Politiker*innen aufgebaut werde, jedoch gebe es auch Vorteile. Lobbyist*innen bringen eine Bandbreite an spezifischem Fachwissen mit sich und teilen dieses mit den Politiker*innen. Außerdem sollte man sich Lobbyist*innen nicht nur als Vertreter*innen von großen Automobilbranchen vorstellen. Darunter fallen auch Expert*innen von Greenpeace, Amnesty International, Gewerkschaften u.v.m. Als Politiker*in darf man sich jedoch nicht von Lobbyist*innen beeinflussen lassen, betonte Herr Köster. Doch wie kann der Lobbyismus transparenter gestaltet werden? Im Grunde genommen wünschte sich der Abgeordnete mehr Transparenz, jedoch war er auch der Ansicht, dass nicht jedes Gespräch von Politiker*innen und Lobbyist*innen protokolliert oder gar gefilmt und veröffentlicht werden sollte.
Simulation der Europawahl 2019
Nach einer aufregenden und informativen Fragerunde mit Herrn Köster hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, an einer simulierten Europawahl teilzunehmen. Das Ergebnis war eindeutig: Wenn es nach den Schüler_innen des Städtischen Gymnasiums Bergkamen geht, werden Die Grünen als stärkste Partei Deutschlands in das Europäische Parlament einziehen, dicht gefolgt von der SPD. Die AfD, die Freien Wähler und Die Piraten hingegen haben nicht die geringste Chance europäische Luft zu schnuppern.
Die Zukunftswerkstätten sind ein Projekt des Europe Direct Dortmund in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund und den Jungen Europäischen Föderalisten NRW e.V.
Die Veranstaltung wurde mit Unterstützung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung durchgeführt.
Text: Eileen Eisenhut, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Lena Borgstedt, Auslandsgesellschaft.de e.V.