Europe For Future - Wie gestalten wir unsere europäische Zukunft? (23.02.2022)

Europe For Future – Wie gestalten wir unsere europäische Zukunft? (23.02.2022)

95 Thesen, die Europa retten – nichts weniger als das haben sich Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer mit ihrem Buch „Europe for Future“ vorgenommen. Die beiden haben als Aktivisten- und Autoren Team HERR&SPEER in den vergangenen Jahren unter anderem mit ihrer #FreeInterrail-Kampagne von sich reden gemacht und haben mit „Europe for Future“ das Ergebnis von mehreren Reisen durch Europa und hunderten von Gesprächen festgehalten. Damit sind sie am 23.02. zu uns nach Dortmund gekommen. Im Kinosaal des Dortmunder U stellten die beiden ihre Arbeit vor und diskutierten ihre Thesen mit dem Publikum. Mit dabei waren auch die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Ruhrgebiet.

„Europe For Future“ – Hintergrund und Entstehungsprozess

Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer bei der Lesung ihrer ersten These zur Zukunft Europas. Foto: Auslandsgesellschaft

Die Europa-Aktivisten Vincent-Immanuel Herr und Martin Sperr lieben die Europäische Union – trotzdem finden sie, dass noch einiges an Fortschritt nötig ist. Deswegen sind die beiden in den vergangenen Jahren mehrfach per Interrail durch Europa gereist und haben ganz konkrete Ideen gesammelt, wie die EU in Zukunft aussehen könnte, was für Reformen notwendig sind. Hierfür haben die zwei mit vielen verschiedenen Menschen geredet. Herausgekommen sind 95 Thesen, die die EU mehr oder weniger stark reformieren würden.

Allen Thesen liegen fünf Betrachtungen zu Grunde, die am Anfang des Buches aufgefasst werden und die HERR&SPEER auch am Anfang der Lesung im Dortmunder U ansprechen: Die Welt braucht Europa, Europa braucht die EU, die EU braucht eine Revolution, Revolution braucht Evolution und Evolution braucht Ideen. HERR &SPEER fassen vor dem Einstieg in die Diskussion der Thesen zusammen: „Wir nennen diesen Modus Operandi der Europäischen Union und ihrer Vorgängerinnen die europäische Revolution der kleinen Schritte.“ (S. 26).

These 26: Vereint und verteidigungsfähig mit der EU-Armee

Austausch der Argumente zur EU-Armee: In der Diskussion mit dem Publikum. Foto: Auslandsgesellschaft

Die erste These, die diskutiert wurde, kam aus der dem 3. Kapitel zur Außenpolitik und befasste sich primär mit der Verteidigungspolitik der EU. Durch den Ukraine-Krieg leider wieder ganz akut relevant geworden, entschlossen sich HERR&SPEER für die These 26: „Europas Staaten sollen eine gemeinsame EU-Armee aufbauen, um europäische Demokratie, Werte und Freiheit wirkungsvoll zu schützen und zugleich einer Übermilitarisierung entgegenzuwirken.“ (S. 105).

Bedenken im Publikum gab es vor allem bezüglich der Handlungsfähigkeit einer solcher Armee – zu viele bürokratische Hürden und die Einstimmigkeit wären hinderlich im Ernstfall. Dafür seien weitere Reformen nötig, so HERR&SPEER. Die Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten wäre nicht nur in Sachen Verteidigungspolitik ein Hindernis und gehöre reformiert.

These 70: Englisch als zusätzliche Amtssprache

Fragen werden im Kinosaal des Dortmunder U mit einer Tonangel eingefangen. Foto: Auslandsgesellschaft

„Die EU besitzt 24 Amtssprachen, davon ist keine so weit verbreitet wie die englische Sprache. Fast 40 Prozent der EU-Bürgerinnen verstehen Englisch und können damit – zumindest rudimentär – kommunizieren. Der Vorschlag, Englisch als zusätzliche Amtssprache in allen EU-Staaten einzuführen und damit zur Europäischen lingua franca zu machen, ist weder überraschend noch neu.“ (S. 241). Kommunikation ist nicht nur der Schlüssel zur europäischen Integration, sondern auch zu Frieden und Zusammenhalt. Natürlich wäre diese These nicht von heute auf morgen zu erreichen, aber wenn heute die Weichen gestellt werden, können wir morgen in einem anderen Europa aufwachen. Im Dortmunder U wurde auch diese These kontrovers diskutiert. Die Argumente reichten von der Gefahr des Verlusts der regionalen Sprachen auf der einen Seite bis zur Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit auf der anderen.

Weitere Diskussionen über Verkehrspolitik und das generische Femininum

Die Veranstaltung wurde auf unserem Instagram-Kanal live übertragen. Foto: Auslandsgesellschaft

Dass HERR&SPEER noch eine halbe Stunde länger blieben, als eigentlich geplant, spricht für sich. Weitere Themen die angeschnitten wurden, waren zum einen die Europäische Verkehrspolitik samt innereuropäischem Flugverbot. Einig war man sich auf dem Weg hin zu klimafreundlicherem Verkehr in Europa. Gleichzeitig wurde klar: Bevor Flugverkehr in Europa wirklich nicht mehr nötig wird, muss das grenzüberschreitende Schienennetz noch um einiges ausgebaut werden. Diskussionspunkt darüber hinaus: HERR&SPEER verfassten ihr Buch komplett im generischen Femininum. Was bei manchen Zuschauern für Verwunderung sorgte, sahen andere als deutliches Aufzeigen, dass Frauen ansonsten sprachlich ausgegrenzt werden. Eines haben wir an diesem Abend in jedem Fall noch einmal bestätigt bekommen: Über die Zukunft Europas kann man leidenschaftlich und ausgiebig diskutieren. Und HERR&SPEER stellen sich gerne der Diskussion. Diese können wir gern auch bei einer Folgeveranstaltung fortsetzen. Themen gibt es genug.

 

Text: Joris Duffner & Lisa Bednarz