Eurozentrismus und Postkoloniales Erbe – Wie erkenne ich solche Strukturen? (05.04.2022)

Eurozentrismus und Postkoloniales Erbe – Wie erkenne ich solche Strukturen? (05.04.2022)

Das (Post-)koloniale Erbe, die bis heute andauernde Aufarbeitung der Kolonialgeschichte und die diesbezüglich regelmäßig wiederkehrenden Debatten in ganz Europa zeigen, dass hier nicht nur Gesprächsbedarf aufgrund der Vergangenheit besteht, sondern der Wandel der gegenwärtigen, alltäglichen Wahrnehmung von People of Color nachhaltig unterstützt und vorangetrieben werden muss. Darüber haben wir am 05. April in einem mit dem Informationszentrum Eine Welt e.V. organisierten Workshop diskutiert.

Henrike Kleingräber, Regionalpromoterin des Informationszentrums Eine Welt e.V. Dortmund setzt sich seit Jahren beruflich wie privat u.a. mit diesem Themenkomplex auseinander. Ihr Fokus dabei: Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Nach einem kurzen Rückblick zu den Wurzeln des kolonialen Denkens, zeigte die Promoterin am 05. April 2022 anschaulich, wie in der heutigen Zeit derartige nachteilige Verhaltenstendenzen erkannt werden können. Unterstützt wurde sie dabei von der freien Dozentin und Bloggerin Cassandra Speer und der Schülerin und SDG-Scouterin Ndedi Charelle Achale. Durch den Workshop-Abend führte Lisa Marie Bednarz von Europe Direct.

History: Vor über 100 Jahren „Kolonie Deutsch-Südwestafrika“ (… ein kurzer Blick zurück)

Deutschland war zwischen 1885 und 1919 die drittgrößte europäische Kolonialmacht in Afrika und herrschte über die heutigen Staatengebiete von Namibia, Ruanda und Burundi sowie über Gebiete in Togo und Kamerun. Insgesamt lebten über 13 Millionen Menschen in den ehemaligen deutschen Kolonien, so die Vortragende Cassandra Speer. In der Epoche „Deutsch- Südwestafrika“ starben über 70.000 Menschen, während viele weitere in Konzentrationslagern arbeiteten, in denen ein Großteil an Mangelernährung, Krankheit und Erschöpfung durch die harte Zwangsarbeit ebenfalls starben.

Today: „Kolonialsprech“ immer noch präsent und gegenwärtig

Leider sei die Aufarbeitung dieser Verbrechen heutzutage wenig präsent. Das sei auch ein Grund dafür, dass es bis heute noch kaum geregelte Entschädigungsleistungen in einigen der betroffenen Gebiete gibt, kritisiert Speer.

Aber nicht nur die Auswirkungen und das zunehmende Vergessen bzw. Verdrängen der Vergangenheit enttäuscht die Multiplikatorinnen.

Insbesondere aktuelle Statements in der breiten Öffentlichkeit, wie z. B. die des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy bei seinem Afrikabesuch: “Afrikas Drama ist, dass der Afrikaner nicht genug in die Geschichte eingetreten ist. Der afrikanische Bauer kennt nur den ewigen Wiederbeginn der Zeit im Rhythmus der endlosen Wiederholung derselben Gesten und derselben Worte. In dieser Geisteshaltung, wo alles immer wieder anfängt, gibt es Platz weder für das Abenteuer der Menschheit noch für die Idee des Fortschritts.”, seien klare Erkennungsmerkmale für Eurozentrismus.

Klare Erkennungsmerkmale, die gleichzeitig Warnsignale darstellen und zeigen, dass das Werteverständnis „Gleichheit in unserer Gesellschaft“ auch heute noch regelmäßig thematisiert werden muss und Denkstrukturen nachhaltig angepasst werden müssen. Dieser Kolonialsprechweise entgegenzuwirken, fällt schwer, so Ndedi Charelle Achale, vor allem wenn sie so öffentlich von Staatoberhäuptern praktiziert wird.

Daher ist es Kleingräber besonders wichtig, auf derartige Ansätze mit öffentlicher Kritik, Empowerment und Antirassismus-Arbeit zu reagieren, um das antikoloniale Handeln nachhaltig zu fördern und Verantwortung für das Postkoloniale Erbe zu übernehmen.

Alle Anwesenden waren sich einig, dass dabei Projekte, wie Schule ohne Rassismus mit Courage, Schulpartnerschaften, regelmäßige Austausche mit Hilfsorganisationen und humanitären Vereinen wichtige Schritte in die richtige Richtung seien.