Fortbildung: Asylverfahren in Deutschland und EU-Verteilungsschlüssel
Am 16. November 2017 fand die zweite Sitzung der dreiteiligen Fortbildungsreihe zum Thema „Asylrecht“ des „Netzwerks Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe Dortmund“ im Reinoldinum in Dortmund statt. Rechtsanwalt Manuel Kabis sprach mit den Teilnehmenden u.a. über den Begriff des Asylantrags und das Dublin III-Verfahren.
Asylanträge und Erstaufnahme
Asylanträge müssten keine bestimmten Formulierungen aufweisen, nur das Anliegen des oder der Asylsuchenden müsse erkennbar sein, bemerkte Kabis. Oftmals werden Geflüchtete von der Bundespolizei zu einer Erstaufnahmeeinrichtung geschickt, in der sie registriert werden. Dabei werden Fingerabdrücke genommen und mit bereits existierenden Daten innerhalb Deutschlands abgeglichen – u.a. um zu kontrollieren, ob von einer Person bereits an anderen Orten Anträge gestellt wurden. Sobald ein*e Geflüchtete*r sich beim BAMF gemeldet hat, muss er oder sie Ausweisdokumente und andere Papiere, die Auskunft über Herkunft und Anreise geben (z.B. Flugtickets), vorzeigen und oftmals sogar abgeben. Häufig gehen auf dem Amt wichtige Dokumente verloren. Dies wird besonders im Falle einer Zwangsausreise problematisch, da die Ausgewiesenen ohne ihre Ausweispapiere das Land nicht verlassen können. Das BAMF darf zu bestimmten Zwecken auch auf die Handys der Geflüchteten zugreifen, z.B. um anhand der Kontakte Herkunft oder Abstammung in Erfahrung zu bringen. Ferner sind Asylbewerber*innen dazu verpflichtet, dem BAMF ihre Anschrift mitzuteilen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Geflüchteten wichtige Mitteilungen der Ämter, z.B. die Einladung zu einer Anhörung, erhalten. Dass die genannte Adresse korrekt hinterlegt und ggf. aktualisiert wird, ist enorm wichtig, da das Verpassen eines wichtigen Gerichtstermins im laufenden Asylverfahren dazu führen kann, dass das Verfahren eingestellt wird und es zu einer Ausreiseaufforderung kommt.
Minderjährige Asylsuchende
In Deutschland können nur Volljährige eigenständig einen Asylantrag stellen, Minderjährige benötigen dazu einen Vormund. Ist ein*e Geflüchtete*r unter 18 Jahre alt, findet vorerst eine Inobhutnahme durch das Jugendamt statt. Das Dublin-Verfahren, welches in der Regel bei erwachsenen Geflüchteten greift, gilt in diesem Fall nicht – das Kind bzw. der oder die Jugendliche bleibt zunächst in Deutschland. Im Normalfall bleibt das zuständige Jugendamt jedoch kein Amtsvormund, ein offizieller Vormund wird durch das Amtsgericht gestellt (z.B. ein*e Verwandte*r, welche*r bereits in Deutschland lebt). Geflüchtete Minderjährige haben in Deutschland wie alle Kinder und Jugendliche Anspruch auf Kinder- und Jugendhilfe, auch vor der Anerkennung des Asylantrags.
Dublin III
In der im Jahr 2013 in Kraft getretenen Dublin III-Verordnung legen die EU-Staaten gemeinsame Standards zur Verteilung von Geflüchteten fest. In der Regel müssen Geflüchtete laut der Verordnung in dem Staat um Asyl bitten, in dem sie den EU-Raum erstmalig betreten haben. Für die Unterbringung werden dabei allerdings vorzugsweise Staaten gesucht, deren Standards Asylsuchenden zugemutet werden können. Diese Standards werden nach geltenden Grundrechten beurteilt. „Griechenland verletzt diese Rechte massiv“, betonte Kabis in seinem Vortrag. Es gebe genug landesinterne Probleme – der Zusammenbruch des Asylsystems und zahlreiche polizeiliche Übergriffe seien da nur die Spitze des Eisbergs. Dennoch sind viele Politiker der Meinung, dass Griechenland weitere Geflüchtete aufnehmen könne, so auch Bundesinnenminister de Maizière.
Kritik
Viele Gegner*innen des Dublin III-Verfahrens bemängeln, dass die Einreise nur selten auf dem Luftweg erfolgt, sondern meistens auf dem Seeweg. Daraus entsteht eine nahezu einseitige Belastung der südlichen EU-Randstaaten. Kernstaaten wie Deutschland und Frankreich, die die politische Macht in der EU haben, wären hingegen fast nie zuständig. Dieses Ungleichgewicht führt zu Problemen: Südliche Länder haben Maßnahmen entwickelt, um die Richtlinien wenigstens ansatzweise umgehen zu können. Die Staaten nehmen für landesinterne Statistiken zwar Fingerabdrücke der Asylsuchenden, jedoch tragen sie diese nicht in das internationale Identifizierungssystem EURODAC ein. Dies verhindert, dass andere Länder überprüfen können, ob ein*e Geflüchtete*r bereits in einem anderen Land registriert wurde. Die europäischen Südstaaten hoffen, dass dadurch Geflüchtete unbemerkt weiter Richtung Mittel- und Nordeuropa reisen und dort einen Antrag stellen.
Text: Isabel Bezzaoui, Auslandsgesellschaft NRW e.V.
Bild: CC0, diema, Pixabay.com