Frankreich hat gewählt
Das Wahljahr Europa geht in die zweite Phase: Letzten Sonntag, den 23. April 2017, durfte auch die französische Bevölkerung ihr neues Staatsoberhaupt wählen – nun liegen die Ergebnisse dieser ersten Wahlrunde vor. Bereits am 07. Mai 2017 steht die nächste Wahlrunde an.
Die Ergebnisse des ersten Wahlgangs
Im ersten Wahlgang am 23. April 2017 standen elf Kandidat*innen zur Auswahl, vier davon mit Spitzenwerten in den Umfragen: Emmanuel Macron, Marine Le Pen, François Fillon und Jean-Luc Mélenchon. Während En Marche!-Kandidat Macron und sein Konkurrent Fillon von der Partei Les Républicains der Europäischen Union, unter Voraussetzung tiefgreifender Reformen, eher positiv gegenüberstehen, sind Le Pen, Kandidatin des rechten Front National, und Konkurrent Mélenchon der Partei La France insoumise (das aufsässige Frankreich) große EU-Skeptiker.
Mittlerweile sind die Stimmen vom 23. April ausgezählt: Mit 24,01% kann Macron die meisten Wähler*innen hinter sich vereinen, dicht gefolgt von Le Pen mit 21,3%. Fillon und Mélenchon haben mit 20,01% und 19,58% der Stimmen die Stichwahl verpasst. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 80%.
Anders allerdings als beispielsweise beim Brexit lässt sich in Frankreich keine Affinität der älteren Generationen zum Rechtspopulismus feststellen, lediglich 19% der 60 bis 69-Jährigen und nur 10% der 70+-Jährigen gaben Le Pen ihre Stimme. Macron erhielt hingegen bei beiden Altersgruppen bei 26% bzw. 27%. Bei den 18 bis 24-Jährigen lagen Le Pen und ihr Front National allerdings mit 21% sogar drei Prozentpunkte vor Macron mit 18% der Stimmen. Bei den 25 bis 34-Jährigen hatte dann aber Macron wieder die Nase vorn mit 28%, Le Pen dahinter mit 24. Ein sehr eindeutiges Ergebnis zeigt sich jedoch, wenn man die Wähler nach Bildungsstand aufschlüsselt. Hier gilt: Je höher der Bildungsstand, desto eher stimmten sie für Macron. So wählten Menschen ohne Abitur mit 19% Macron, aber mit 30% Le Pen, wohingegen Personen mit höherem Hochschulabschluss mit 30% für Macron, aber lediglich mit 9% für Le Pen stimmten. Das Land scheint gespalten, nicht nur beim Thema EU, und auch nicht nur im übertragenen Sinn. Während die östlichen, ärmeren, ehemaligen Industrieregionen und der generell strukturschwache Süden mehrheitlich für Le Pen stimmten, war Macron klarer Favorit im Westen Frankreichs. Am 07. Mai 2017 wird nun gewählt zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen.
Macron und Le Pen – Was sind ihre Ideen für Frankreich?
Während Macron sich für ein vereintes, starkes und großes Europa einsetzt, sieht Le Pen den Austritt Großbritanniens als „Weg aus [dem] riesigen Gefängnis“ EU. Macron wirbt für eine Vertiefung der europäischen Integration, besonders in Sachen Verteidigungspolitik und Eurozone. So soll es einen europäischen Verteidigungsfond geben für gemeinsame Rüstungsausgaben und die Eurozone soll reformiert werden und einen eigenen Haushalt, ein eigenes Parlament und einen Finanzminister bekommen. Le Pen hingegen will aus der Eurozone austreten und auch aus dem Schengen-Raum. Außerdem will sie – wie in Großbritannien – ein Referendum über den Verbleib Frankreichs in der EU anstreben.
Für Macron steht bei der Einwanderung fest: Er will an der aktuellen Flüchtlingspolitik festhalten und mehr lokale Integrationsprogramme fördern, während Le Pen die Einwanderung und die Bedingungen des Asylrechts stark einschränken will.
In Sachen Sicherheit haben beide ambitionierte Pläne. Le Pen wirbt für die Einstellung von 15.000 Polizisten und die Schaffung von 40.000 neuen Gefängnisplätzen. Außerdem sollen ausländische Straftäter und als extremistische Gefährder eingestufte Personen schneller ausgewiesen werden können. Auch Macron will die Zahl an Polizisten und Gefängnisplätzen erhöhen – 10.000 zusätzliche Polizisten und 15.000 Gefängnisplätze. Durch die engere Zusammenarbeit der Geheimdienste will er den Kampf gegen den IS weiter voranbringen.
In Sachen Wirtschafts-, Sozial-, und Finanzpolitik will Macron daran arbeiten, sein Land wettbewerbsfähiger zu machen. Es sollen 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut werden und innerhalb seiner Amtsperiode 60 Mrd. Euro eingespart werden. Aber auch Investitionen, besonders im Bereich Bildung und Jugend, sind geplant. Le Pen hingegen will vor allem die Steuern für Geringverdiener*innen senken und zur Rente mit 60 (statt mit 62) zurückkehren. Außerdem will sie Produkte von Firmen, die Fabriken ins Ausland verlagern, mit 35% besteuern.
Zwei Kandidat*innen, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten. Werden die französischen Wähler*innen am 7. Mai eher ein europafreundliches oder ein europoaskeptisches Votum abgeben? Es bleibt weiterhin spannend!
Das französische Wahlsystem
Warum zwei Wahlrunden? In Frankreich gilt das absolute Mehrheitswahlrecht: So kann im ersten Wahlgang nur gewinnen, wer die absolute Mehrheit der Stimmen, also 50% oder mehr, erhält. Erreicht kein*e Bewerber*in die 50%-Hürde, gibt es einen zweiten Wahlgang, eine sogenannte Stichwahl. Hier treten die beiden Kandidat*innen gegeneinander an, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen hinter sich vereinen konnten. Durch die Stichwahl wird sichergestellt, dass das zukünftige Staatsoberhaupt mit absoluter Mehrheit gewählt wird. Theoretisch kann natürlich auch bereits im ersten Wahlgang entschieden werden, dies ist allerdings in der Geschichte Frankreichs noch nie der Fall gewesen.
Wenn Sie das französische Staatsoberhaupt wählen könnten, für wen der elf Kandidat*innen hätten Sie sich entscheiden? Der Wahl-O-Mat zur Frankreichwahl zeigt Ihnen, mit welchem/r Kandidat*in sie am meisten übereinstimmen.
Weitere Informationen zum Wahlprogramm von Macron und Le Pen finden Sie hier.
Mehr Informationen zum Wahlsystem in Frankreich gibt es hier.
Text: Kim Isabelle Wollnik, Auslandsgesellschaft NRW e.V.
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