2018_04_12 Halbzeitbilanz bulgarische Ratspräsidentschaft

Halbzeitbilanz der bulgarischen Ratspräsidentschaft (12.04.2018)

Bereits Anfang des Jahres hat Bulgarien den sechsmonatigen Vorsitz im Ministerrat übernommen. Welche Schwerpunkte setzt das Land dabei? Im Rahmen einer Veranstaltung der Staatskanzlei NRW mit Minister Dr. Holthoff-Pförtner referierte s.E. Radi Naidenov, bulgarischer Botschafter in Deutschland, über die Bilanz der ersten drei Monate des Vorsitzes.

„In meiner Jugend war die Europäische Union für Bulgarien ein Traum, heute ist sie für uns Realität!“ Mit diesen Worten leitete s.E. Botschafter Naidenov seinen Vortrag ein. Seit 2007 ist Bulgarien Teil der Europäischen Union. Für das relativ junge Mitglied ist es die erste Ratspräsidentschaft. Diese steht unter dem Motto „Einigkeit macht stark“ und legt einen Fokus auf Sicherheit und Stabilität sowie auf Solidarität unter den Mitgliedstaaten.

Thematisch setzt Bulgarien dabei auf vier verschiedene Schwerpunkte: Zum einen rückt es die Zukunft Europas und insbesondere der Jugend in den Vordergrund und setzt auf eine wirtschaftliche und soziale Annäherung aller Mitgliedstaaten, insbesondere auf dem Wege der Kohäsionspolitik.

Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der Integration der Westbalkanstaaten in die Europäische Union. Bulgarien ist mit diesen laut s.E. Naidenov „eng verbunden und streng geteilt“ zugleich. Es sei von enormer Bedeutung, dass die Europakarte auf Dauer „keine grauen Flecken“ aufweise, ansonsten könnten andere Staaten an Einfluss auf dem Balkan gewinnen. Die EU müsse deshalb Maßnahmen ergreifen, die den Bürger*innen in den Westbalkanstaaten signalisieren, dass sie als Teil von Europa wahrgenommen werden.

Außerdem legt das Land einen weiteren Schwerpunkt auf Sicherheit und Stabilität in Europa. Dies hänge damit zusammen, dass Bulgarien eine EU-Außengrenze habe und zudem auf der sogenannten Balkanroute liege. S.E. Naidenov betonte, dass die bulgarische Außengrenze sehr gut geschützt sei, obwohl das Land kein Mitglied des Schengen-Abkommens ist.

Der vierte Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft liegt schließlich auf der digitalen Wirtschaft und deren Zukunft. Mit diesem schließt Bulgarien an eines der zentralen Themen der estnischen Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2017 an.

Beitritt Bulgariens zur Eurozone

Mit deutlichen Worten verteidigte s.E. Naidenov die Entscheidung der bulgarischen Regierung, der Eurozone beitreten zu wollen, die bereits im Januar verkündet worden war. Laut eigenen Angaben erfülle Bulgarien die Kriterien für einen Beitritt. Der Botschafter betonte, dass ein solcher in diesem Fall auch ermöglicht werden müsse. Kompromisslösungen, wie beispielsweise den Beitritt nur mancher Regionen Bulgariens, lehnte er entschieden ab und erinnerte daran, dass bei der Gründung der Eurozone nur drei EU-Mitglieder – Finnland, Luxemburg und Großbritannien (kein Eurozonenmitglied) – die Beitrittskriterien erfüllt hätten.

S.E. Naidenov berichtete zudem, dass er oft gefragt werde, ob Bulgarien angemessen auf die Präsidentschaft vorbereitet gewesen sei. Diese Frage, sagte er, werde er erst im Juli beantworten können, wenn die Ratspräsidentschaft an Österreich übergeht und eine abschließende Bilanz gezogen werden kann. Der Großteil der wissenschaftlichen Veröffentlichungen über den bulgarischen Vorsitz falle bisher aber positiv aus.

Im Anschluss an den Vortrag des bulgarischen Botschafters hatte das Publikum die Möglichkeit, sowohl ihm als auch Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, dem NRW-Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales, Fragen zu stellen. Den Abend ließ man anschließend bei bulgarischen Spezialitäten und angeregten Gesprächen ausklingen.

Text: Rebecca Melzer

Foto: © Auslandsgesellschaft NRW e.V.