Halbzeitbilanz der rumänischen Ratspräsidentschaft (21.03.2019)
Seit Januar 2019 befindet sich die Präsidentschaft des EU-Ministerrats erstmals in den Händen Rumäniens. Am 21. März 2019 zogen der rumänische Botschafter Emil Hurezeanu und Nordrhein-Westfalens Europaminister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner eine Bilanz zur Halbzeit der Ratspräsidentschaft.
Der Rat der Europäischen Union (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat) setzt sich aus den verschiedenen Minister_innen der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Der Vorsitz des sogenannten Ministerrats, die Ratspräsidentschaft, übernimmt abwechselnd immer eines der Mitgliedsländer für jeweils 6 Monate. Im ersten Halbjahr 2019 liegt die Präsidentschaft bei Rumänien, in der zweiten Jahreshälfte wird Finnland folgen. Der jeweilige Vorsitz hat die Aufgabe, Entscheidungen vorzubereiteten, Treffen des Rates zu organisieren und die Kontinuität zu wahren. Deutschland wird im zweiten Halbjahr 2020 erneut eine Ratspräsidentschaft übernehmen.
Auf der Veranstaltung am 21. März 2019 wurde in der Staatskanzlei Düsseldorf eine Halbzeitbilanz der Ratspräsidentschaft von Rumänien gezogen. Nach begrüßenden Worten durch Nordrhein-Westfalens Europaminister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner übernahm der rumänische Botschafter Emil Hurezeanu das Wort. Ihm war zunächst wichtig, die starke Verbindung zwischen Nordrhein-Westfalen und Rumänien zu unterstreichen. 600.000 Rumän_innen leben und arbeiten in Deutschland, der Großteil davon in NRW. Auch die Zusammenarbeit für kulturelle Projekte sei groß, so sei die Stadt Düsseldorf zum Beispiel wichtigste Partnerin.
Mit dem Slogan „Wir sind euer Präsident“ leitete Hurezeanu daraufhin das Gespräch über zum eigentlichen Thema der Veranstaltung. Das erste Halbjahr 2019 sei für Rumänien eine Möglichkeit, Stärke zu zeigen, nicht nur, da es erstmalig die Ratspräsidentschaft übernehme, sondern aufgrund verschiedenster Herausforderungen, die 2019 bereit halte. Hurezeanu nannte hier den Brexit, die Europawahl, den neue Finanzrahmen und im Allgemeinen die Zukunft der Europäischen Union. Daraufhin stellte der Botschafter die Schwerpunkte, die Rumänien sich für die Ratspräsidentschaft gesetzt hatte, vor: ein konvergierendes Europa (Wachstum, Kohäsion, Wettbewerbsfähigkeit), Konnektivität; ein sicheres Europa; Europa als stärkerer globaler Akteur und ein Europa gemeinsamer Werte.
Hurezeanu zog nun folgende Zwischenbilanz: In den ersten drei Monaten fanden bereits 650 Veranstaltungen statt. Quantitativ sei die Ratspräsidentschaft also auf dem besten Wege. Bei diesen Veranstaltungen ging es vor allem um die Förderung europäischer Werte und die Bekämpfung von Intoleranz; die Antisemitismus-Konferenz fand statt und vermehrt auch Diskussionen mit dem Europäischen Parlament. Hier erwähnte der Botschafter, dass in den ersten zwei Monaten bereits 70 EU-Dossiers abgeschlossen wurden.
Für die kommenden drei Monate wünschte Hurezeanu sich weitere Auseinandersetzung an allen vier Säulen des Mandats. Hierbei erwähnte der Botschafter insbesondere die Bereiche Wachstum, Digitalisierung und Urheberrecht, den Schutz der Arbeitnehmer_innen (hier zum Beispiel die Entwicklung einer europäischen Arbeitsbehörde), die Energiepolitik (zum Beispiel die Überarbeitung der Gasrichtlinie), solide europäische Finanzen, den europäischen Grenzschutz sowie die Migration nach Europa (eine Einigung zur Überarbeitung des Verbindungsbeamtennetzes). Für die bevorstehenden Wahlen möchte die rumänische Regierung das Vertrauen der Bürger_innen in Europa stärken. Weitergehend würden aktuell der EU-Gipfel im Mai sowie weitere Debatten, vornehmlich im Bereich der Bekämpfung von Intoleranz, vorbereitet.
Um Fragen in der Diskussion vorwegzunehmen, sprach der Botschafter noch einige Probleme Rumäniens an, die auch in der Zeit vor der Ratspräsidentschaft durch andere Mitgliedsstaaten kritisiert wurden. Diese beantwortete Hurezeanu mit der Aussage, dass Rumänien sich seit Jahren in einem Transformationsprozess befinde, um Korruption zu bekämpfen und sich zu einem vollen Rechtsstaat zu entwickeln. Dieser Prozess sei allerdings langwierig. Der Rechtsstaat sei vorhanden und funktioniere, es werde jedoch noch weitere Fortschritte geben. Zudem habe Rumänien eine junge proeuropäische Generation im Lande. Zuletzt sprach der Botschafter die Roma-Bevölkerung in Rumänien an. Er betonte, dass das Vorurteil der verbrecherischen Roma absolut kontraproduktiv sei.
In der folgenden Diskussion ging es doch vornehmlich um die Roma-Bevölkerung in Rumänien. Fragen nach konkreten Maßnahmen traten auf, die der Botschafter mit Beispielen wie der dualen Ausbildung, die aus Deutschland importiert wurde, und Sozialfonds für die Integration der Roma-Bevölkerung beantwortete. Der Botschafter und der Europaminister waren sich allerdings einig, dass man erst am Anfang des Prozesses stehen würde.
Text: Anita Lehrke, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Foto: © Anita Lehrke, Auslandsgesellschaft.de e.V.