“Wiedergeburt Europas”: Emmanuel Macrons Rede vor dem Europäischen Parlament
Der 17. April war für viele Europaabgeordnete ein mit Spannung erwarteter Tag: Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron kam zum ersten Mal ins Parlament, um dort eine Rede über seine Zukunftsvisionen für die Europäische Union zu halten. Der Tenor war deutlich: Macron wünscht sich eine Erneuerung und Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit. Außerdem möchte er durch Konsultationen die Bürger*innen und deren Erwartungen an die EU stärker einbinden.
Für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron steht eines fest: Angesichts der wachsenden autoritären Strömungen in vielen Mitgliedstaaten dürfe Europa seine Identität und demokratischen Werte nicht aufgeben. In diesem Kontext lobte er die Abgeordneten des Europäischen Parlaments ganz besonders, denn diese würden tagtäglich die liberale Demokratie Europas leben. Macron fordert nicht weniger als eine „Wiedergeburt Europas“ und die Schaffung einer europäischen Souveränität zum Schutze der Bürger*innen gegen die „Unordnung dieser Welt“. Zu diesem Zweck sei Frankreich auch bereit, seinen Anteil am EU-Budget zu erhöhen, jedoch nur, wenn dieser auch sinnvoll verwendet werde, beispielsweise für die Unterstützung von Kommunen, die Geflüchtete aufnehmen. Der französische Präsident mahnte zudem, dass es als Teil einer Generation, die keinen Krieg erlebt habe, einfach sei, die Vergangenheit Europas zu vergessen. Er selber wolle aber nicht einer „Generation von Schlafwandlern“ angehören, sondern einer, „die standhaft entschieden hat, ihre Demokratie zu verteidigen“.
Anders als normalerweise üblich hielt der Präsident jedoch nicht nur eine Rede, sondern blieb im Anschluss im Parlament, um gemeinsam mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und den Abgeordneten über seine Pläne für die Zukunft der Union zu debattieren. Juncker betonte in diesem Rahmen die besondere Bedeutung einer europäischen Perspektive für die Staaten des Balkans, die unverzichtbar sei, um den Frieden in Europa dauerhaft zu sichern. Er erinnerte außerdem daran, dass Europa nicht nur der „deutsch-französische Motor“ sei, sondern dass sich letztlich alle Mitgliedstaaten beteiligen müssten, um Veränderungen voranzutreiben.
Macrons Idee der Bürgerkonsultationen
Bereits bei seiner Grundsatzrede an der Pariser Universität Sorbonne im vergangenen Herbst kündigte Emmanuel Macron an, Bürgerkonsultationen in Frankreich durchzuführen, bei denen die Bürger*innen die Möglichkeit erhalten, ihre Vorstellungen und Prioritäten für Europa zu äußern. Die Ergebnisse sollen anschließend im Dezember 2018 auf einer Tagung des Europäischen Rats besprochen werden. Die Europäische Kommission führt bereits seit längerer Zeit in einem ähnlichen Format Bürgerdialoge in sämtlichen EU-Staaten durch. Macrons Idee steht zu diesen jedoch in einem Gegensatz, denn er möchte die Institutionen nicht direkt an den Konsultationen beteiligen.
Insgesamt werden Macrons Bürgerkonsultationen in 26 EU-Mitgliedstaaten durchgeführt, mit Ausnahme von Großbritannien und Ungarn. Frankreich wird diese zwischen April und Oktober dieses Jahres ausrichten. Die erste Konsultation fand direkt im Anschluss an die Sitzung des Europäischen Parlaments in der Stadt Epinal im Elsass statt, bei der auch Präsident Macron anwesend war. Grundsätzlich steht es allen französischen Bürger*innen frei, selbst eine solche Veranstaltung zu organisieren, sie muss jedoch vom französischen Europa- und Außenministerium genehmigt werden.
Die konkrete Durchführung der Bürgerkonsultationen in Deutschland steht aufgrund der verzögerten Regierungsbildung noch nicht fest. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass diese im Mai anlaufen werden. Auch die Europa-Union Deutschland und die Bewegung Pulse of Europe möchten sich an der Durchführung beteiligen.
Text: Rebecca Melzer, Auslandsgesellschaft.de e.V.
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