NextGenEU vor Ort: Grün4KRITIS - Ein Forschungsprojekt der TU Dortmund & des RVR

NextGenEU vor Ort: Grün4KRITIS – Ein Forschungsprojekt der TU Dortmund & des RVR

Im Rahmen von NextGenerationEU werden Projekte gefördert, die sich mit dem Strukturwandel in Industrieregionen beschäftigen und das damit einhergehende Bedürfnis einer Stärkung der regionalen Wirtschaft zum Ziel haben. So hat auch das Projekt Grün4KRITIS der TU Dortmund & des RVR von NextGenerationEU profitiert.

Das Projekt erforscht die Nutzung grüner Infrastruktur zum Schutz von kritischer Infrastruktur zuerst konzeptionell. Spätere Projektphasen sehen eine anwendungsbezogene Pilotphase und die Umsetzung konkreter Maßnahmen vor. Wir haben mit Prof. Dr. Stefan Greiving von der TU Dortmund über das Projekt gesprochen.

Steckbrief

Name des Projekts: Grün4KRITIS

Träger: Lehrstühle für Regionalentwicklung und Risikomanagement sowie Landschaftsökologie und Landschaftsplanung der TU Dortmund

Kooperationspartner: Regionalverband Ruhr (RVR)

Förderprogramm: Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Kofinanziert durch die EU (EFRE/JTF-Programm NRW Aufruf Regio.NRW – Transformation)

Ziel des Projekts: Untersuchung & planungsinstrumentelle Verankerung inwiefern grüne Infrastruktur KRITIS-Anlangen und –Systeme vor den Folgen des Klimawandels schützen kann

Projektmaßnahmen:

  • Erstellen eines KRITIS-Katalogs für das RVR-Gebiet
  • Erstellen von Kaskadenketten zur Ermittlung der Auswirkungen klimabedingter Extremwetterereignisse auf Kritische Infrastrukturen
  • Räumliche Analysen für identifizierte KRITIS
  • Bestimmung der Schutzwirkung von GI in identifizierten Szenarien & Kaskadenketten
  • Gestalten von Maßnahmen zum Schutz der KRITIS durch GI in Piloträumen
  • Verankern dieser Erkenntnisse in Planungsinstrumenten auf Ebene des RVR (siehe Masterplan „Grüne Infrastruktur Ruhr“)

Interview mit Prof. Dr. Stefan Greiving, IRPUD TU Dortmund

Herr Greiving, was genau steckt hinter Ihrem Projekt Grün4KRITIS?

Prof. Dr. Stefan Greiving von der TU Dortmund. Foto: Uwe Grützner/TU Dortmund

In dem Projekt geht es um die nähere Begründung der möglichen Schutzwirkungen, also der positiven Wirkung von grün-blauer Infrastruktur, für den Schutz von Kritischen Infrastrukturen. Deswegen der Kurztitel Grün4KRITIS. Grüne und blaue Infrastrukturen (GI) bezieht sich auf die vorhandene Vegetation in der Stadt. Diese grüne Infrastruktur hat im Bereich des Klimawandels zwei wesentliche Wirkungen. Zum einen, den Kühlungseffekt im Sommer durch Beschattung und die sogenannte Evapotransporation, also Verdunstungskälte durch Photosynthese, was zur Verbesserung des Wohnklimas und dem angenehmeren Aufenthalt im Freien beiträgt. Zum anderen, das Retentionspotential, also das Wasserrückhaltepotential bei stärkeren Niederschlagsereignissen, die dann in diesen unversiegelten Flächen zwischengespeichert werden können.

Mit Grün4KRITIS ergründen wir die Zusammenhänge und erweitern das Verständnis für diese Infrastruktur um es von seinem Dasein als ökologisches Nischenthema zu befreien. Bisher fehlt das Know-how wie diese grüne Infrastruktur gezielt eingesetzt werden kann, um Kritische Infrastruktur zu schützen. Kritische Infrastruktur wird als kritisch definiert, weil ihr Funktionieren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt entscheidend ist. Wenn Prozesse wie beispielsweise die Wasser- oder Stromversorgung oder die Verkehrsanbindung unterbrochen sind, kommt es zu weitreichenden Kaskadeneffekten auf andere Infrastruktursektoren. Diese Effekte können sich ausbreiten und entferntere Regionen treffen. So können zum Beispiel Flutschäden an Autobahnbrücken internationale Auswirkungen nach sich ziehen, da daraus enorme Fahrzeitverlängerungen für den internationalen Güterverkehr resultieren.

Das Ganze kann natürlich auch im Ruhrgebiet passieren, weswegen der Untersuchungsraum das gesamte Gebiet des Regionalverbands Ruhr (RVR) umschließt. Die Perspektive des Projekts ist bewusst auf die Standortbedingungen im Ruhrgebiet für die gewerbliche Wirtschaft gelegt worden. Neben dem Gesundheitssektor wird auch der Transport- und Verkehrssektor wird in den Fokus gerückt, um die Unterbrechung von Produktionsprozessen durch unzuverlässige Transportbeziehungen zu vermeiden. In der ersten Projektphase wollen wir dies konzeptionell verstehen und bisher unbekannte Zusammenhänge räumlich darstellen um dann entscheiden zu können, wo die Schaffung zusätzlicher grüner Infrastruktur sinnvoll ist. Primär geht es darum unbebaute Flächen mit Schutzwirkung bestehen zu lassen. Es ist unerlässlich sich anzuschauen, wo grüne Infrastruktur essentiell zur Aufrechterhaltung gesellschaftlich relevanter Funktionszusammenhänge ist. Im weiteren Projektverlauf werden dann im Rahmen der Umsetzung des Masterplans „Grüne Infrastruktur Ruhr“ besondere Schwerpunkte umgesetzt.

Wer profitiert konkret vom Projekt Grün4KRITIS?

Ein zentraler Nutzer ist der RVR selber, der ja auch Projektpartner und eigener Zuwendungsempfänger ist. Es gibt also zwei projektdurchführende Institutionen, die TU Dortmund und den RVR. Der RVR zielt darauf ab, seinen Masterplan „Grüne Infrastruktur“ weiter zu qualifizieren und zudem seine Fachgutachten im Bereich Klima für seine Mitgliedskommunen um die KRITIS-Perspektive zu erweitern. Daneben beteiligen sich weitere Institutionen als assoziierte Partner. Das Landeszentrum für Gesundheit ist an Hitzeaktionsplänen für kritische Infrastruktur im Gesundheitswesen interessiert ist. Die Emschergenossenschaft steht als regionaler Wasserentsorger und durch die Emscherrenaturierung auch mit grün-blauer Infrastruktur in Verbindung. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr interessiert sich als Träger des Öffentlichen Nahverkehrs dafür, dass die Zuverlässigkeit der Leistungserbringung optimiert wird. Auch das Landeszentrum für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz ist immer an klimabezogenen Fragestellungen interessiert. Die Kommunen potentiell natürlich auch, da sie über den RVR betroffen sind, wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der grünen Infrastruktur, beziehungsweise um die Schutzwirkung von grüner Infrastruktur die auf ihrem Gebiet liegt, geht. Für Unternehmen, die durch die Business Metropole Ruhr vertreten sind, ist es natürlich auch vorteilhaft, wenn ein positiver Beitrag zur Business Kontinuität und der Verlässlichkeit von Verkehrs- und Logistikprozessen geleistet wird. Genauso ist die allgemeine Öffentlichkeit Nutznießer des VRR und dem entsprechend auch betroffen.

Was ist Ihre Rolle im Projekt?

Ich bin der Projektkoordinator auf der Gesamtprojektebene. Wie erwähnt gibt es zwei Teilprojekte, eines an der TU Dortmund und eines beim RVR. Auf der Teilprojekteben des Projekts in Dortmund bin ich auch Projektleiter. Meine Aufgaben beinhalten im Wesentlichen das Projektmanagement, die Darstellung des Projekts nach Außen und die Koordinierung der inhaltlichen Arbeiten. Bei der TU Dortmund ist auch noch der Kollege Professor Gruehn beteiligt, dessen Lehrstuhl Landschaftsökologie und Landschaftsplanung vor allem die GI Perspektive einnimmt, während wir die KRITIS Seite betrachten.

Projektbeteiligte der TU Dortmund & des RVR. Foto: Uwe Grützner/TU Dortmund

Was macht das Projekt besonders? Was ist ein Alleinstellungsmerkmal von Grün4KRITIS?

Dieses Zusammendenken von GI und KRITIS ist definitiv ein Alleinstellungsmerkmal, da es in dieser Art noch nicht erforscht wurde. Es gibt umfangreiche langjährige Forschung zu grüner Infrastruktur und den Ökosystemleistungen die grüne Infrastruktur erbringt. Tatsächlich ist es unser Ziel, eine Neue bisher gar nicht etablierte Systemleistung zu entwickeln, die in eben dieser Schutzwirkung besteht. Genauso gibt es auch relativ viel zu Kritischer Infrastruktur, aber nicht explizit unter dem Gesichtspunkt was naturbasierte Lösungen zum Schutz kritischer Infrastruktur beitragen. Existierenden Projekten die sich mit dem Beitrag grüner Infrastruktur und dem Schutz vor Extremereignissen befassen, fehlt dieser spezielle KRITIS Bezug. Das spannende bei KRITIS ist, diese systemischen Zusammenhänge in den Vordergrund zu stellen. Wir schauen uns nicht nur an, welche Schäden in überschwemmungsgefährdeten Gebieten vermieden werden können, sondern auch welche Kaskadeneffekte, die Dritte in eigentlich nicht gefährdeten Gebieten betreffen, auftreten und vermieden werden können.

Wodurch kam die EU-Förderung zustande?

Das Strukturfördermittel EFRE ist eigentlich kein klassisches Förderprogramm für uns. Unsere europäischen Förderprojekte fallen normalerweise unter das Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe. Allerdings haben wir diese Ausschreibung gesehen und die hat mich auf diese Forschungsidee zum Zusammenhang zwischen grüner und Kritischer Infrastruktur gebracht. Da eine ehemalige Mitarbeiterin, die bei mir zum Thema kritische Infrastruktur promoviert hat, jetzt beim RVR zum Thema grüne Infrastruktur arbeitet, hat sich eine Kooperation angeboten und wir konnten den RVR für die Idee begeistern. So ist es letztendlich zu dieser Projektstruktur gekommen. Nicht zuletzt ist durch die Zusammenarbeit mit dem RVR auch der Anwendungsbezug des EFRE gegeben, da der RVR durch den Masterplan „Grüne Infrastruktur Ruhr“ direkt mit der Umsetzung betraut ist.