Workshop “Das Prinzip Populismus – Demokratie auf dem Spiel?” mit dem Grashof Gymnasium Essen (10.09.2019)
Wie funktioniert eigentlich Populismus? Welchen Einfluss haben populistische Strömungen auf Europa und EU-Politik? Diesen Fragen stellten sich am Dienstag, den 10.09.2019, zwei Schülergruppen des Grashof Gymnasiums aus Essen. Im Rahmen der Europa-Projektwochen mit dem Thema „Populismus und Extremismus in Europa“ veranstaltete das Europe-Direct-Informationszentrum Dortmund gemeinsam mit dem Berliner Institut Planpolitik einen Workshop, um die Schüler*innen für populistische Agitationsstrategien zu sensibilisieren. Da das Interesse am Workshop sehr groß war und um eine gute Arbeitsatmosphäre sicherzustellen, teilten sich die Schüler*innen auf zwei separate Workshops auf.
„Was würdet ihr tun, wenn ihr König*in der Welt wäret?“ Mit dieser kurzen Icebreaker-Frage begann eine Teamerin von Planpolitik den Einstieg in einen der beiden Workshops. Die Antworten waren durchaus vielfältig. Klar, dass das Thema Klimaschutz in vielen Antworten der Schüler*innen nicht wegzudenken war; ein anderer Schüler hingegen würde eine „richtig liberale Marktwirtschaft einrichten“. Die allermeisten wünschten sich aber doch gleiche Rechte für alle. Etwas, das in Deutschland zumindest auf dem Papier eigentlich in fast allen Lebensbereichen sichergestellt sein sollte.
Der Workshop legte großen Wert auf den Input und die Partizipation der Teilnehmer*innen. In einer Art gegenseitigem Interview wurden weitere grundlegende Fragen geklärt: Was hat (Europa-)Politik mit dem Leben der Schüler*innen zu tun? Was bedeutet Demokratie für sie? Welche Themen und Begriffe fallen ihnen zum Thema Populismus ein? Was könnten potentielle Unterschiede zwischen Links- und Rechtspopulismus sein? Die Kleingruppe, die sich mit der ersten Frage beschäftigte, kam zu dem Schluss: „Die Meinungen, wie Politik in Deutschland und Europa unser Leben berührt, gehen sehr weit auseinander, sie sind sehr unterschiedlich.“ Ansonsten wurde vor allem die Schulpflicht, Klimapolitik und etwa die Bildungspolitik genannt. Beim Thema Populismus wurde neben den üblichen Verdächtigen der AfD auch die Linkspartei genannt. Für die meisten war dieses Thema zudem eng verbunden mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und der EU.
Nach der Interviewphase wurde es wieder ein wenig spaßiger, es war Zeit für Bingo, genauer gesagt Demokratie-Bingo. In Kleingruppen galt es, gemeinsam Definitionen für verschiedene Begriffe zu erarbeiten. Wie war das eigentlich noch einmal mit der Gewaltenteilung oder dem Mehrheitsprinzip? Es wurde eifrig gearbeitet. Die Schüler*innen hatten keinerlei Probleme, auch die schwierigeren Begriffe, wie den Minderheitenschutz, gemeinsam zu erschließen. Gekonnt leiteten die Teamer*innen von Planpolitik durch den Workshop, stellten Verbindungen her, wo es manchmal noch ein bisschen hakte. Nachdem die Basics einer demokratischen Verfasstheit in Europa geklärt waren und auch niemand mehr die Vorzüge der Demokratie anzweifelte („Demokratie bedeutet für mich vor allem Sicherheit für alle.“), war es Zeit, sich mit dem Kernthema des Workshops auseinanderzusetzen: Populismus und wie sich dieser zur Demokratie in Europa verhält.
Nach einer kurzen Pause ging es mit einem kurzen Input zum Thema Populismus weiter, eigentlich die einzige konventionelle Lehrkomponente des Workshops. Anhand von verschiedenen Videos aus rechtspopulistischen Reden europäischer Politiker*innen wurde schnell klar, wie dieser die europäischen Demokratien gefährdet. Besonders schockierte die Schüler*innen die Rhetorik der Entmenschlichung („Da werden Menschen als Naturkatastrophen dargestellt.“) und der Allgemeinheitsanspruch („Es wird immer so getan, als sprechen die in meinem Namen, dabei denke ich gar nicht so.“). Wer ist denn eigentlich dieses Volk und wie viele, wurde gefragt. Die Workshop-Leiterinnen halfen vor allem dabei, das Gesehene einzuordnen, die Logik der Übersteigerung, der kalkulierte Tabubruch und die „Aufmerksamkeit als die Währung der Populist*innen“. Den Schüler*innen wurde dabei schnell klar, welche Gefahren gerade für Minderheiten von jemandem ausgehen, der vorgibt, für alle, für ein homogen konstruiertes Volk zu sprechen. „Ich sehe das vor allem als große Gefahr für Minderheiten und den Rechtsstaat, der eigentlich alle Menschen in Deutschland beschützen sollte“, so ein Schüler.
Nun galt es, das Gelernte auch praktisch anzuwenden, um zu verstehen, wie populistische Agitation ganz praktisch am Beispiel Deutschland funktioniert. Dafür teilten sich die Schüler*innen in Kleingruppen auf, um eine Rede von Alexander Gauland in Elsterwerda (Sachsen) aus dem Jahr 2016 zu analysieren. Die Jugendlichen waren bestürzt und förderten immer neue Befunde zu Tage. Besonders der verschwörungstheoretische Ton schien sie zu stören: „Kanzlerdiktatur? Mega schlimm, was der Gauland da behauptet, vor allem weil es halt einfach nicht so ist.“ Die Widersprüche des Populismus wurden schnell aufgedeckt: „Er stellt einfach Muslime und Ausländer als so schrecklich da, als würden sie Deutschland zerstören und gleichzeitig wird gesagt, wir sind weltoffen und nicht rassistisch.“ Für die Aufmerksamkeit der Medien reichte es dennoch. Für die Schüler*innen sprach Gauland an diesem verregneten Tag in Sachsen eindeutig nicht: „Ich fand es vor allem problematisch, dass er immer wieder den Satz ‚Wir sind das Volk.‘ benutzt hat. Mich meint er damit sicher nicht.“ Doch neben den deutschen Populist*innen bestürzte die Schüler*innen vor allem auch manche EU-Mitgliedstaaten und Donald Trump, die deutlich mehr Medienpräsenz und Aufmerksamkeit hätten. „Genau das, was sie wollen“, so eine der Teamerinnen.
Am Ende des Workshops nahmen die Jugendlichen neben einem breiteren Rüstzeug gegen populistische Versuchungen vor allem eines mit: Es braucht für sie „Fakten von seriösen Quellen“. Für viele der Schüler*innen sind damit auch Medien und Politik mehr in die Verantwortung zu nehmen. Es reiche nicht aus, Unwahrheiten nur als solche zu demaskieren, sie sollten vielleicht erst gar nicht verbreitet werden können. Wie es einer der Schüler am Ende auf den Punk brachte: „Wenn ich in der Schule so lügen würde wie der Gauland würde ich sofort durchfallen.“
Die Veranstaltung wurde vom Europe Direct Dortmund in der Auslandsgesellschaft.de e.V. mit Unterstützung vom DGB Dortmund-Hellweg, der Stadt Dortmund und dem Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus Dortmund organisiert. Wir danken der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen für die freundliche Förderung des Projekts.
Text von: Lorenz Blumenthaler, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Lorenz Blumenthaler und Lena Borgstedt, Auslandsgesellschaft.de e.V.