Quo vadis, Europa? – Vortrag von MdEP Elmar Brok (10.05.2019)
Am 10. Mai 2019 gab es hohen Besuch in Dortmund: Elmar Brok, Urgestein und Abgeordneter des Europäischen Parlaments seit 1980, war zu Besuch, um über die Europawahl 2019 zu sprechen. Mit den Anfängen des Parlaments gestartet, ging es über dessen Entwicklung hin zur Zukunft der Europäischen Union. Und wer könnte besser über den Weg der EU Bescheid wissen, als Elmar Brok, der diesen von Beginn an mitgegangen ist? So stellte man sich gemeinsam der Frage: Quo vadis, Europa?
Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft.de e.V., begrüßte die Gäste des Abends mit einem herzlichen „Glück auf!“. Dies sei die erste Gemeinschaftsveranstaltung des Europe Direct Dortmund, der Auslandsgesellschaft und des Westfälischen Industrieklubs e.V. und er freue sich „wie Bölle“, dass die Veranstaltung trotz einer Terminverschiebung stattfinde. Herr Brok gelte für ihn als wahrer Insider des Europäischen Parlaments. Wegener stellte aufgrund aktueller Entwicklungen ein wachsendes Interesse an EU-Themen fest und schmunzelte: „Viele können das Thema Brexit bestimmt nicht mehr hören.“ Trotzdem gebe es ein Selbstverständlichkeitsproblem innerhalb der EU. Man habe die historischen politischen Leistungen nicht mehr im Kopf, was seiner Ansicht nach eine große Gefahr darstelle.
Eine Union des Ausgleichs
Im Anschluss kam der Mann des Abends selbst zu Wort: Elmar Brok, Abgeordneter des Europäischen Parlaments seit 1980. Vor 41 Jahren habe er direkt gegenüber des heutigen Veranstaltungsortes, dem Westfälischen Industrieklub, die Zusage zur Kandidatur für das EU-Parlament erhalten. „Heute schließt sich der Kreis.“, kommentierte er, denn seine Amtszeit endet 2019. Er erinnere sich an die Anfänge des Europaparlaments, als es noch EG Stahl hieß, und an die damaligen Befürchtungen, Europa sei in Zukunft nur noch Urlaubsziel statt Wirtschaftsmacht. Doch dank der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarkts kam es anders: „Heute sind wir der am besten integrierte Binnenmarkt der Erde.“ Gleichzeitig müsse die Europäische Union aber eine Union des Ausgleiches sein, so Brok. „Die Bereitschaft zum Ausgleich ist die Lebensbedingung einer jeden Gemeinschaft.“ Man müsse ärmere Bezirke der EU fördern und Staaten in Problemsituationen präventiv helfen, um Krisen zu vermeiden und Win-Win-Situationen zu schaffen. Außerdem solle man große Unternehmen an sozialen Kosten teilhaben lassen. Die Politik dürfe sich nicht von Unternehmen zerschlagen lassen: „Niemand darf in einer demokratischen Gemeinschaft zu stark sein, weder der Kanzler, noch große Unternehmen.“
Wenn es regnet, war’s Brüssel
Dann räumte er mit ein paar Mythen über die Europäische Union auf. Diese sei bürokratie-fixiert und gebe zu viel Geld für dessen Angestellte aus, heiße es oft. „Die EU hat insgesamt so viele Mitarbeiter wie die ganze Stadt München“. Außerdem sei der Anteil der deutschen Ausgaben an der EU nur ein Viertel von dem, was die Bundeswehr jährlich koste und weniger als die Hälfte des Bundeshaushalts. „Die EU schafft Frieden, Freiheit und Wohlfahrt durch den gemeinsamen Binnenmarkt und trotzdem klagen einige, sie sei zu teuer.“ Ein häufiger Fehler Deutschlands läge darin, die Vorgaben Brüssels immer ein Drittel mehr umsetzen zu wollen, als gefordert. Aber hier müsse man sich die Ursachen genauer ansehen: „Wenn die Sonne scheint, war es Deutschland, und wenn es regnet, Brüssel.“ Man müsse lernen, wieder positiv über die EU zu sprechen, denn sie schaffe 12 Millionen neue Arbeitsplätze und sei nur halb so verschuldet wie die USA. „So schlecht kann die EU also nicht sein.“, das müsse man nur den Bürger*innen vor Augen führen.
Gemeinsam stark für die Zukunft
In Sachen Handlungskompetenz der EU hatte Brok eine klare Meinung: Themen wie Migration, Terror, Klimawandel und Globalisierung können auf nationaler Ebene nicht mehr alleine bewältigt werden. Man müsse Konsequenzen ziehen und einer handlungsfähigen Ebene Aktionsmöglichkeiten geben. „Die EU muss da gestärkt werden, wo wir gemeinsam stärker werden können und nicht in jedem Keim.“ Hier gehe es vor allem um Verteidigungs- und Währungspolitik. Ansonsten brauche die EU vor allem Kraft für die Zukunft, um gemeinsam durch Innovation, Bildungsexpansion und Investitionen Stärke gegenüber führender Wirtschaftsmächte wie China und den USA zu zeigen.
In der nachfolgenden Fragerunde wurde das Gespräch auf das Thema Brexit gelenkt: „Die EU will, dass Großbritannien bleibt und hat viele Zugeständnisse gemacht, welche aber nicht wahrgenommen wurden.“, kommentierte Brok, der für seine Fraktion EVP im Europäischen Parlament Brexit-Beauftragter ist. Großbritannien habe die freie Entscheidung gehabt, und sich gegen die EU entschieden. Nun müsse es auch mit Folgen rechnen. „Wenn ich aus einem Golfclub austrete, darf ich auch nicht mehr mitspielen.“ Es wolle aber alle Konditionen der EU und des Binnenmarkts behalten, was laut Brok zu einem Zerfall führen könne. Wenn ein Land die Union verlasse, dürfe es nicht mehr die vielen Vorteile genießen, sonst sei der Zusammenhalt gefährdet. „Wir werden alles tun, um einen harten Brexit zu verhindern, aber die andere Seite muss es auch können wollen.“, fasste der Europaabgeordnete zusammen.
Die Veranstaltung wurde vom Europe Direct Dortmund in der Auslandsgesellschaft.de e.V. mit Unterstützung des Westfälischen Industrieklubs e.V. organisiert.
Text von: Celine Kutzner, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Lena Borgstedt, Auslandsgesellschaft.de e.V.