2019_09_16 Workshop FES

Mallinckrodt-Gymnasium Dortmund: Workshop „Anecken, Ausgrenzen Aufräumen: Strategien des jungen Rechtsaußenspektrums in Europa“ (16.09.2019)

Die Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und der „neuen“ Rechten macht kaum noch vor einem Gesellschaftsbereich in Europa halt. Nicht erst seit der AfD-Melde-Plattform für unliebsame Lehrer*innen haben Rechte und Akteure der sogenannten „neuen“ Rechten den Bereich Schule und damit Jugendliche als eine potentielle Zielgruppe für ihre menschenfeindliche Weltanschauung entdeckt. Doch anders als in den 1990ern geht es hier mittlerweile nicht mehr um klassische Skinheads, die auf dem Pausenhof Rechtsrock-CDs verteilen. „Die neue Rechte ist viel geschickter, was ihre Außendarstellung angeht.“, so einer der Teamer der Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro NRW, der am 16.09.2019 mit den Schüler*innen des Mallinckrodt-Gymnasiums Dortmund einen Workshop mit dem programmatischen Titel „Anecken, Ausgrenzen, Aufräumen“ über die „Strategien des jungen Rechtsaußenspektrums in Europa“ abhielt. Ziel des Workshops war es, einen Überblick über die Strategien des „neuen“ Rechtsaußenspektrums in Europa sowie Handreichungen zum Umgang zu geben und die Schüler*innen so zu empowern.

Der Workshop begann wie jeder andere mit einer kurzen Vorstellungsrunde, in der die Jugendlichen auch ihre Erfahrungen mit Akteuren des Rechtsaußenspektrums teilen sowie ihre Erwartungen und Vorstellungen formulieren konnten. Auch wenn viele der Schüler*innen zum Glück noch keine Erfahrungen in der Konfrontation mit Rechtsextremisten machen mussten, war für die Teilnehmer*innen klar: „In Dortmund muss man sich zwangsläufig damit auseinandersetzen.“ Das Bild der Schüler*innen vom Auftreten der Akteure des Rechtsaußenspektrums war relativ schnell gezeichnet; man erkenne sie an „Tattoos, Springerstiefeln und halt sehr vielen Hakenkreuzen“. Wie sich im Laufe des Workshops herausstellte, ist dieses Bild des klassischen rechten Skinheads nicht erst seit den 1990ern überholt. Zumindest wenn man ein paar ewig Gestrige aus Dortmund-Dorstfeld außen vor lässt. Am Beispiel der zwischen „Links“ und „Rechts“ umkämpften Turnschuhmarke New Balance machten die Teamer klar, dass rechte Symbole und Codes nicht zwangsläufig erst bei Thor Steinar anfangen müssen. Der allgemeine Tenor über diese Erkenntnis führte zu eher gemischten Reaktionen bei den Schüler*innen: „Ich habe das Gefühl, dass Rechte heutzutage nicht mehr so leicht zu erkennen sind.“

Dennoch war den Schüler*innen von Anfang an klar, dass sehr viel Gewalt von ihnen ausgehe, vor allem “Gewalt gegen Juden und jetzt auch gegen Moslems“. Klar war auch, dass diese Gewalt nicht erst mit physischen Handlungen beginne, sondern schon bei der Sprache und Rhetorik. Zudem zählten die Teilnehmer*innen auch Polizist*innen und Obdachlose zu den Opfern rechter Gewalt. Dennoch bleibe rassistisch motivierte Gewalt das Kerngeschäft der neuen Rechten in Europa. Der Begriff „Ausländerhass“, wie er in den 1990ern gebraucht wurde, sei aber in jedem Fall überholt. Wie ein Schüler kritisch anmerkte, ginge es Rechten in der EU gar nicht um Staatsangehörigkeit, sondern um „Rassismus, der sich in erster Linie gegen Menschen richtet, die nicht europäisch aussehen“. Rechte Gewalt sei keine Frage des Passes.

2019_09_16 Workshop FES

Die Logos der Jungen Alternative, der Identitären Bewegung und der Casa Pound Italia Bewegung. Gerade die letzten beiden Logos orientieren sich wenig subtil an nationalsozialistischen Symboliken. (Workshop „Anecken Ausgrenzen Aufräumen: Strategien des Jungen Rechtsaußenspektrums in Europa“ 16.09.2019)

Kultur statt „Rasse“

Die Teamer erklärten, diesem Hass liege vor allem die Vorstellung einer homogenen „Volksgemeinschaft“ zugrunde. Also ganz klar Rassismus. Jedoch seien Begriffe wie „Volksgemeinschaft“ aufgrund ihrer historischen Verortung im Kontext der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft selbst für rechte Akteure verbrannt. Deshalb auch der Begriff „neue Rechte“, da zumindest wie später im europäischen Vergleich klar wurde, in Deutschland ein positiver Bezug auf das dritte Reich nicht funktioniere. Auch wenn viele Akteure des jungen Rechtaußenspektrums in Europa ideologisch weiterhin an einer Überlegenheit der „weißen Rasse“ festhalten, sei deshalb die Rede von „Kultur“ an die Stelle von „Rasse“ getreten. So werde von vielen rechten Akteuren artikuliert, es bestünden „kulturelle“ Unterschiede, die Migrant*innen und Geflüchtete inkompatibel mit einer überlegenen europäischen oder nationalen Kultur machten. Der eigentlich positiv geprägte Begriff der Kultur als Vehikel für rassistische Gewalt und Hetze sei sicher eines der Kernmerkmale des Rechtsaußenspektrums.

Anschließend stellte einer der Teamer eine Arbeitsdefinition dessen vor, was rechte Ideologien ausmache. Rechtes Denken kreise vor allem stark um häufig konstruierte Ungleichheiten. „Es wird immer eine Hierarchie zwischen einem ‚Wir‘ und einem ‚Anderen‘ konstruiert.“ Wie auch schon bei den anderen Veranstaltungen der Europa-Projektwochen festgestellt, sei es deshalb schwierig, überhaupt von der ‚einen‘ rechten Ideologie zu reden. Vielmehr bedienen Akteure des Rechtsaußenspektrums in Europa ganz verschiedene Ideologien der Ungleichheit. Kennzeichnend sei häufig ein besonders stark ausgeprägter Antisemitismus verknüpft „mit einem starken Verschwörungsdenken“, Elementen des Antiglobalismus und Antiliberalismus.

2019_09_16 Workshop FES

In den Kleingruppen wurde intensiv diskutiert und debattiert, wie man mit rechten Akteuren im Umfeld umgehen kann. (Workshop „Anecken Ausgrenzen Aufräumen: Strategien des Jungen Rechtsaußenspektrums in Europa“ 16.09.2019)

Heimat als neuer Kampfbegriff

Nach einer kurzen Pause konnte das durch den Input erworbene Wissen bei der Analyse eines Werbevideos der Identitären Bewegung Bayern von den Teilnehmer*innen gleich praktisch angewandt werden. Auch wenn die im Video gezeigten bayerischen Landschaften mitten im Ruhrgebiet eher auf verstörende Reaktionen stießen, mussten die Schüler*innen zugeben, dass die Bilder eine sehr einnehmende Wirkung hatten: „Eigentlich ist das gar nicht so schlecht gemacht, weil all der Rassismus mit etwas vermeintlich Gutem überlagert wird. Also zum Beispiel mit Heimat.“, sagte ein Schüler. Dennoch verwies ein Teilnehmer darauf, dass die im Video gezeigten Identitären sich rassistischen Sprüchen bedienten, die sonst auch von der NPD vertreten werden. Wie etwa die NPD-Parole „Heute tolerant und Morgen fremd im eigenen Land.“, die auf einem der Banner der Identitären Bewegung zu sehen war. Die Teamer verwiesen darauf, dass trotz der jugendlichen Ästhetik „viele der Identitären richtige Neonazi-Biografien“ haben.

Aber auch Europa sollte im Workshop nicht zu kurz kommen. In besonders großem Maße wurde dabei auf die sich positiv auf den Faschismus beziehende Bewegung „Casa Pound“ in Italien eingegangen, welche ein Vorbild für rechte Akteure in ganz Europa bilde und Kontakte zur italienischen Politik habe. In einer letzten Workshop-Einheit simulierten die Jugendlichen drei mögliche Szenarien, in denen sie mit Akteuren des Rechtsaußenspektrums konfrontiert sein könnten, um auch in Zukunft für eine offene, demokratische und plurale Gesellschaft eintreten zu können. Sei es im Sportverein, der Schule oder auf der Arbeit.

Die Veranstaltung wurde vom Europe Direct Dortmund in der Auslandsgesellschaft.de e.V. mit Unterstützung vom DGB Dortmund-Hellweg, der Stadt Dortmund und dem AK gegen Rechtsextremismus organisiert. Wir danken der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen für die freundliche Förderung des Projekts.

Text von: Lorenz Blumenthaler, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Lorenz Blumenthaler/Lena Borgstedt, Auslandsgesellschaft.de e.V.