Auf den Spuren der EU – Studienseminar in Brüssel (28.-31.10.2019)
Im Mai 2019 fand das Europaquiz des Europe Direct Dortmund und der Stadt Dortmund zum dritten Mal statt – und erneut wurden die Gewinner_innen mit einer Brüsselreise belohnt. Schüler_innen des Märkischen Berufskollegs Unna begaben sich Ende Oktober 2019 auf eine ereignisreiche viertägige Reise in die „Hauptstadt der Europäischen Union“, um die Vielfalt Brüssels hautnah zu erleben und die Europäische Union und ihre Institutionen vor Ort kennenzulernen.
Nach einer entspannten Hinfahrt begaben wir uns mit den Teilnehmenden ohne Umwege zum ARD-/WDR-Studio in Brüssel, um dem wortgewandten Studioleiter Ralph Sina zu lauschen, welcher uns so einiges über Europa und die Medien bzw. Europa in den Medien erzählte. Der Blick hinter die Kulissen eines solch großen und international vernetzten Studios versetzte die Teilnehmer*innen ins Staunen. Nachdem die ersten Moderationstalente sich vor der Kamera behaupten durften, wurde die Gruppe auf ein gemütliches Beieinander mit Keksen und Getränken eingeladen. Im Anschluss an eine kurze thematische Einführung Sinas in die aktuelle politische Lage stand es den Schüler*innen frei, den Journalisten mit Fragen zu bombardieren. „Wir funktionieren wie eine Frittenbude.“, erklärte Sina auf eine Nachfrage zum Ablauf des Studios. Morgens treffe sich das ganze Team, um zu beraten, ob etwas Interessantes passiert sei, und dies ganz ohne Roboter. Denn bereits 20% der Berichterstattung würden durch künstliche Intelligenz geschaffen, sagte er. Auf die Frage, ob der Begriff ‚Brexit‘ von Journalist_innen erschaffen wurde, musste selbst der scheinbar niemals wortlose Sina passen. Er sagte, dass es möglich sei, dass dieser Begriff von einem Algorithmus geschaffen wurde, aber ganz sicher sei er sich dabei nicht. Als das Fass des Brexits einmal aufgemacht war, ließ sich dieses kaum mehr schließen. „Das ist doch eigentlich Kindergarten!“, äußerte sich eine Schülerin. Was könne die EU dagegen unternehmen, fragte daraufhin eine Teilnehmerin Sina. Der jetzige Schritt sei zunächst einmal, einen Scheidungsvertrag auszuarbeiten und sich zu einigen. Dies würde bedeuten, dass die bestehenden Regeln, an die Großbritannien und die EU gebunden seien, bis Ende nächsten Jahres bestehen bleiben. Der nächste Schritt wäre ein Handelsvertrag. In seiner Ausführung betonte Sina jedoch, dass die Gefahr eines „No-Deals“ immer noch allgegenwertig sei.
Am nächsten Tag ging es weiter mit der Erkundung Brüssels: Punkt 10 Uhr erwartete die Teilnehmenden Sacha, unser Guide für die weitere Stadterkundung. Das erste Stück unserer Tour wurde mit dem Bus bestritten. Vorbei an königlichen Gewächshäusern und Gebäuden im chinesischen Baustil hat vor allem die Mischung aus Alt und Neu die Schüler*innen begeistert. Kein Haus glich dem anderen und schaffte dadurch eine individuelle Vielfalt, die man so nur in Brüssel antreffen kann. Sacha erzählte dabei, dass sich diese Häuservielfalt auch in den Einwohner*innen wiederspiegle. 60% der Bewohner*innen von Brüssel seien außerhalb Belgiens geboren worden. Am Atomium, eines der Wahrzeichen Brüssels, wurde eine kurze Pause eingelegt, welche für eine ausgedehnte Fotosession mit außergewöhnlicher Kulisse genutzt wurde. Mit vielen neuen Bildern im Gepäck wurde der Weg fortgesetzt, vorbei an mehrstöckigen Häusern, die vorwiegend durch eine verspiegelte Fassade glänzten. Dort seien die belgischen Ministerien situiert, jedoch würden viele dieser imposanten Gebäude leer stehen, erklärte Sacha. „Das Einzige, was wir haben, sind Schulden- und Schrottberge.“, witzelte Sacha diesbezüglich mit einem zynischen Unterton. In der Altstadt angekommen ging es zu Fuß weiter. Bevor wir zum Haus der Europäischen Geschichte geleitet wurden, versetzte der Grand Place die Schüler*innen ins Staunen.
Im Haus der Europäischen Geschichte bekamen die Schüler*innen – ausgestattet mit einem Tablet mit integriertem Audio-Guide – die Möglichkeit, sich das große Museum auf eigene Faust zu erschließen. Über mehrere Stockwerke hinweg erfuhren die Teilnehmer*innen alles über die Geschichte Europas und der Europäischen Union. In mehreren interaktiven Spielen wurden viele Informationen vermittelt sowie durch Filme visualisiert.
An Tag drei führte die Reise in das Europäische Parlament, wo uns unser Referent Stephan Raab empfing. Dieser begann seinen Vortrag mit der Frage: „Was ist die EU eigentlich?“ Die Gewinner*innen unseres Europaquiz ließen sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen und antworteten, dass die EU ein politisches Projekt von europäischen Ländern sei, die unterschiedliche Werte miteinander teilten, wie Reisefreiheit und vor allem Frieden. Zufrieden mit dieser Antwort stieg der Referent in eine Diskussion um die Funktion des Europäischen Parlaments ein. Er erläuterte das Zusammenwirken mit der Europäischen Kommission und dem Rat der Europäischen Union anhand des „Blauen Dreiecks“. Anschließend erklärte er die Zusammensetzung der Fraktionen im Europäischen Parlament und stellte die aktuellen vor. Fraktionen entstünden erst, wenn 28 Abgeordnete aus sieben verschiedenen Ländern sich zusammenschlössen, sagte er. Aufgrund dessen zählten die Brexit-Anhänger_innen, welche alle aus Großbritannien stammen, als fraktionslose Abgeordnete. „Viele haben das Gefühl, dass die EU sich einfach so entwickelt und wir nicht so viel Beitrag dazu leisten müssen.“, teilte ihm ein Schüler in der Diskussion mit. Diese Aussage sah Raab kritisch und verdeutlichte die Dringlichkeit, für die Idee der Europäischen Union aktiv zu kämpfen, anhand der heutzutage aufkeimenden Gegenbewegungen. Dies betreffe vor allem junge Menschen, die ihr Leben innerhalb der EU noch vor sich haben. Um den Teilnehmer*innen mögliche Optionen zur Partizipation aufzuzeigen, stellte er mehrere Veranstaltungen für junge Menschen vor. Darunter zum Beispiel das „European Youth Event“, das alle zwei Jahre ein großes Treffen von jungen Europa-Interessierten in Brüssel organisiere, um eine Plattform zum Austausch und zur Ideensammlung zur Zukunft Europas zu schaffen. Anschließend durften die Schüler*innen noch einen Blick in den großen Plenarsaal des Europäischen Parlaments werfen.
Am letzten Tag der Reise ging es in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union. Dort erfuhren die Schüler*innen alles über die Arbeitsweise der Vertretung. Diese habe das Ziel, die deutschen Interessen so gut wie möglich in der EU zu vertreten und ihnen bei Entscheidungsträger*innen Gehör zu verschaffen. Um dies zu erreichen, würden aus den deutschen Ministerien kompetente Vertreter*innen nach Brüssel entsandt. Sie bewegten sich dabei in der Europäischen Kommission, im Europäischen Parlament und insbesondere im Rat der Europäischen Union. Auf die Frage der Schüler*innen, ob es nicht schwer sei, das allgemeine Interesse der Deutschen zu vertreten, wenn es nicht dem eigenen entspreche, zögerte der Referent kurz. Er sagte, dass es nicht leicht sei, eine andere Meinung als die eigene zu vertreten, aber dass dies nun mal der Job sei.
Nach dem Vortrag hieß es auch schon Abschied nehmen von Brüssel. Auf den Spuren der EU zu sein, hieß für die Schüler*innen, die Hauptstadt der Europäischen Union zu erkunden, die Institutionen der EU besser kennen zu lernen und bei allem den Spaß nicht zu vergessen.
Die Studienreise nach Brüssel wurde vom Europe Direct Dortmund und dem Institut für politische Bildung in der Auslandsgesellschaft.de e.V. organisiert. Wir danken der Stadt Dortmund sowie der Landeszentrale für politische Bildung für die Förderung der Reise.
Text: Eileen Eisenhut, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Lorenz Blumenthaler, Auslandsgesellschaft.de e.V.