Transatlantische Beziehungen: Die Bilanz nach sechs Monaten Biden

Transatlantische Beziehungen: Die Bilanz nach sechs Monaten Biden

Noch bevor Biden im November zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde, versprach er: Mit ihm wird alles anders als unter Trump. Er wollte das durch Trumps Innenpolitik gespaltene Amerika wieder einen, und die diplomatischen Beziehungen zu anderen Ländern wieder normalisieren. Zu Anfang seiner Amtszeit galt er daher als Hoffnungsträger für die transatlantischen Beziehungen, EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb sogar in einem Diskussionspapier, dass der Regierungswechsel in den USA eine Chance sei, die strategische Partnerschaft mit den USA zu erneuern und „mit neuem Leben zu erfüllen“  Mittlerweile ist Biden seit knapp sechs Monaten im Amt: Hat er die Hoffnungen bisher erfüllen können? Wir ziehen eine erste Bilanz.

Die USA als Europas wichtigster Handelspartner

Aber zunächst ein kurzer Blick in die Vergangenheit: Europa und die USA sind seit je her wirtschaftlich und politisch eng verflochten. Diplomatische Beziehungen zwischen Europa und den USA bestehen schon seit 1953 mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, dem Vorgänger der EU. Durch zahlreiche Abkommen sind die EU und die USA auch wirtschaftlich miteinander verbunden: So waren die USA beispielsweise nach dem zweiten Weltkrieg durch den Marshallplan direkt am wirtschaftlichen Wiederaufbau von Europa beteiligt, und beschlossen über die Jahre zahlreiche Abkommen, um Handelshindernisse und Zölle abzubauen. Der Erfolg dessen zeigt sich unter anderem darin, dass nach Angaben der EU ein Drittel des globalen Handels allein auf die beiden Partner entfiel.

Unter Trump änderte sich jedoch der Ton: Er sah die USA wirtschaftlich benachteiligt, und angelehnt an seine außenpolitische Devise „America First“ begann er mit mehreren Staaten einen Handelskrieg – unter anderem mit Europa: er verhängte Zölle auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren in die USA, verteuerten die Einfuhr auf Käse, Butter und Wein, und beide Seiten verhängten Strafzölle gegeneinander wegen staatlicher Beihilfen für Airbus und Boeing.  Der volkswirtschaftliche Schaden für die EU wird von Experten zwar als überschaubar eingeschätzt, die transatlantischen Beziehungen hat der Handelskrieg jedoch spürbar verschlechtert. Diverse verbale Entgleisungen in Richtung europäischer Staats- und Regierungschefs belasteten die Beziehungen zusätzlich.

Biden hingegen kündigte kurz nach seinem Amtsantritt an: „Amerika ist zurück – die Diplomatie ist zurück“ Sowohl in der Innen-, als auch in der Außenpolitik versprach er noch während des Wahlkampfes, verschiedene Beschlüsse Trumps wieder Rückgängig zu machen. Er wolle die Beziehungen mit den engsten Verbündeten der USA „nach Jahren der Vernachlässigung“ wiederbeleben und internationalen demokratische Bündnisse wiederaufbauen – auch mit der EU.

Der G7-Gipfel und Bidens Brüssel-Besuch: Erste Schritte zur Normalisierung der Beziehungen

Doch was hat sich seit dieser Ankündigung getan? Die Pandemie verhinderte zunächst sämtliche persönliche Gespräche zwischen den Staats- und Regierungschefs, aber als die Corona-Zahlen weltweit zurückgingen begann Biden mit den diplomatischen Reisen – und seine erste Auslandsreise führte ihn nach Europa zum G7-Gipfel in Cornwall, sowie nach Brüssel zu einem Treffen mit der EU-Kommissionchefin Von der Leyhen und Ratspräsident Michel. Auf dem G7-Gipfel bekräftigten beide Seiten ihre gemeinsamen Ziele in Puncto Klimaschutz und Pandemiebekämpfung: Beide wollen bis 2050 klimaneutral werden, und auch die Corona-Pandemie soll durch gemeinsame Anstrengungen möglichst schnell beendet werden. Die größte Einigung erzielten USA und EU jedoch während Bidens Besucht in Brüssel:  Beide Seiten setzen für fünf Jahre Strafzölle aus, die sie wegen Subventionen für Airbus und Boeing gegeneinander verhängt hatten. Damit entschärften sie einen 17 Jahre dauernden Streit – den langwierigsten in der Geschichte der Welthandelsorganisation.

Gemeinsame Ziele, langsame Annäherung

Haben sich die Hoffnungen bisher also erfüllt? Zwar konnten sich die EU und USA auf gemeinsame Ziele in verschiedenen Bereichen einigen, doch bei ihrer Durchsetzung bestehen nach wie vor Meinungsunterschiede, wie zum Beispiel in Puncto Klimaschutz: Zwar wollen beide Seiten Klimaneutralität erreichen, aber bei der Umsetzung des Ziels gibt es Uneinigkeiten. Um die Corona-Pandemie möglichst schnell zu beenden wollen sie eine Impfstoff-Taskforce einrichten, doch dem Vorstoß der USA, Impfstoffpatente freizugeben, stehen die meisten EU-Staaten skeptisch gegenüber. Auch die Frage der Strafzölle bleibt vorerst ungeklärt, auch wenn EU und USA sich darauf verständigt haben, bis Ende dieses Jahres eine Lösung zu finden.
Nach Bidens erstem Brüssel-Besuch bleiben einige Streitpunkte nach wie vor bestehen, und um die Probleme der letzten Jahre endgültig zu lösen braucht es vermutlich mehr Zeit als sechs Monate.  Dennoch handelt es sich bei diesen ersten Schritten um ein wichtiges Zeichen dafür, dass sich die USA und die EU wieder annähern: In seiner bisherigen Amtszeit hat Biden gezeigt, dass er, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, auf Kooperation mit der EU setzt. Dies gibt Anlass zur Hoffnung, dass in Zukunft weitere Schritte zur Verbesserung der Beziehung folgen werden.

 

Text: Stefaniya Vlasova