Über ein Jahr russischer Angriffskrieg – wie geht es weiter in der Ukraine? (20.03.23)
Vor einem Jahr begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seitdem stehen Europa und die Europäische Union vor einer Reihe von Fragen. Allen voran, wie mit dem Aggressor Russland zukünftig umgegangen werden soll, zunächst aber, wie der Krieg beendet und der Frieden in Europa wiederhergestellt werden kann. Dazu diskutierte am 20. März bei unserer Online-Veranstaltung Gemma Pörzgen, Journalistin und Chefredakteurin der Zeitschrift „OST-WEST. Europäische Perspektiven“, mit Jochen Leyhe.
Der 24. Februar 2022 und die persönliche Wahrnehmung
Zu Beginn der Veranstaltung wurde vor allem die persönliche Wahrnehmung des Konflikts und die Auffassungen dazu innerhalb der Gesellschaft beleuchtet. Dieser Krieg habe jedoch nicht vor einem Jahr begonnen, sondern 2014 mit der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ostukraine, betont Gemma Pörzgen. Es habe sich lediglich gezeigt, dass man dem bereits vorhandenen Krieg in Europa, der Russischen Föderation als Aggressor und der Ukraine zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Der Einfluss der Internationalen Politik
Mit Blick auf Wirtschaftssanktionen gegen Russland seitens der Europäischen Union hat sich gezeigt, dass diese – zumindest über einen längeren Zeitraum – nicht wie erwartet greifen. Seit Jahresbeginn ist eine wirtschaftliche Entspannung in Russland zu bemerken, Sanktionen konnten durch andere wirtschaftliche Partner und Abkommen umgangen werden. Besonders die russisch-chinesischen Beziehungen, haben zu einer wirtschaftlichen Verlagerung in Russland geführt. Zusammen mit steigender chinesischer Macht in der internationalen Politik, wird die Volksrepublik in diesem Konflikt keine unerhebliche Rolle spielen, so Pörzgen. Bezüglich möglicher Friedengverhandlungen, wird es nach den bereits absehbaren katastrophalen Folgen des Krieges für Selenskyj schwierig, seine Bevölkerung für große Zugeständnisse gewinnen zu können.
Die russische Bevölkerung und die Position zum Angriffskrieg
Über eine Million Russinnen und Russen haben das Land verlassen, weil sie entweder Oppositionelle, unpolitisch, oder kritische Journalistinnen und Journalisten sind. 700.000 wehrpflichtige Männer sind vor einer aktiven Beteiligung am Krieg geflohen. Von Seiten der Zuhörerinnen und Zuhörer stellte sich ebenfalls die Frage, wie die Meinungsbildung zum Krieg innerhalb der russischen Gesellschaft beeinflusst wird. Die gelenkte Medienlandschaft in Russland, allen voran die regiemetreue Berichterstattung im Fernsehen und das autoritäre politische System, erschweren die individuelle Ablehnung des Krieges und eine klare Positionierung dagegen. Lediglich die militärischen Mobilisierungswellen und damit die persönliche Betroffenheit könnten den Druck in der Gesellschaft erhöhen, sich deutlich politisch zu positionieren.
Die Frage nach dem Ende des Krieges
Gut ein Jahr nach dem Beginn des Angriffskrieges wurde bei unserer Veranstaltung natürlich die Frage nach dem Ende des Krieges gestellt. Momentan sehe es danach aus, dass es ein langer Prozess mit vielen kleinen Schritten werden wird, da sowohl für die Ukraine als auch für den Aggressor Russland ein momentaner Waffenstillstand als nachteilig angesehen wird, so die Osteuropa-Journalistin. Weiter sagt Frau Pörzgen, dass es nicht zu erwarten sei, dass simple Verhandlungen den Krieg beenden werden. Die Ukraine möchte den Frieden verständlicherweise nicht auf Kosten ihrer Existenz erreichen. Festzuhalten bleibt, dass sowohl die Ukraine, als auch Russland verheerende Folgen aus diesem Konflikt ziehen werden, die sich mit Dauer des Krieges verschlimmern und schnelles politisches Handeln bedürfen. Die EU wird dabei nur dann eine wichtige Rolle auf der Weltbühne spielen können, wenn sie vereint auftritt, was die militärische Hilfe für die Ukraine, aber auch Sanktionen und diplomatische Bemühungen angeht.