Unsere Gesellschaft im Wandel: Demographische Entwicklungen in Europa

Unsere Gesellschaft im Wandel: Demographische Entwicklungen in Europa

Demographische Daten sind in der europäischen Politik enorm wichtig. Sie geben Aufschluss über die Zusammensetzung der Gesellschaft. An diesen Erkenntnissen können sich zukünftige Richtlinien und Gesetzgebungen orientieren, damit diese auf die aktuellen Bedürfnisse der Bevölkerung abgestimmt sind. Das statistische Amt der Europäischen Union, Eurostat, hat unter dem Titel „Demography of Europe“ umfangreiche Daten zur demographischen Entwicklung Europas der letzten 20 Jahren veröffentlicht. Die Daten geben Aufschluss über die Bevölkerungsstruktur der EU, über den Wandel in der Bevölkerung und ihre Diversität. Wir bieten einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse.

Ansteigende Bevölkerungszahlen, bis auf 2020

Am 01. Januar 2021 zählte die Europäische Union 447 Millionen Einwohner. Die bevölkerungsreichsten Mitgliedstaaten bildeten Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Polen. Seit dem Jahr 2001 (damals noch 429 Millionen Einwohner) hat die EU ein Wachstum von 4% zu verzeichnen. Das Wachstum verläuft seitdem stetig nach oben. Eine Ausnahme bildet in den vorliegenden Daten nur das Jahr 2020. In absoluten Zahlen verringerte sich die Bevölkerung der EU um 312.000 Personen. Grund dafür ist die COVID-19-Pandemie, die im vergangenen Jahr viele Todesopfer forderte. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Italien das Land mit den stärksten Bevölkerungseinbußen ist: Die Gesamtbevölkerung Italiens verringerte sich 2020 um 0,6%. Generell hatte die EU im Jahr 2020 etwa 550.000 mehr Todesfälle zu verzeichnen als im Durchschnitt der Jahre 2016-2019. Obwohl die Pandemie also eindeutig bemerkbare Auswirkungen auf die Bevölkerungszahlen der EU hat, ist die Tendenz des Bevölkerungswachstums nach wie vor steigend. Ein Effekt der wachsenden Bevölkerungszahlen ist die zunehmende Bevölkerungsdichte. Im Durchschnitt hat sich die Bevölkerungsdichte in der EU von 104 Personen pro km² im Jahr 2001 zu 109 Personen pro km² im Jahr 2019 gesteigert.

Die zunehmenden Bevölkerungszahlen stellen starke Herausforderungen für die Politik dar. Es gilt, die Infrastruktur an die bevölkerungsstrukturellen Entwicklungen anzupassen. Zum Beispiel ist eine große Herausforderung die Schaffung neuen Wohnraums. Aktuell lässt sich eine fortschreitende Urbanisierung Europas, und damit einhergehende Landflucht, feststellen. Dies bedeutet, dass immer mehr Menschen in Großstädte ziehen und dort neuer Wohnraum geschaffen werde muss. Dieser darf allerdings nicht auf Kosten wichtiger natürlicher Ressourcen entstehen. Es ist die Aufgabe der Politik für diese, und für viele weitere Herausforderungen, Lösungen sowohl auf nationaler Ebene, wie auch auf europäischer Ebene, zu finden.

Alterung der Gesellschaft: Ein Europa der Senioren?

Ein weiteres Merkmal des demographischen Wandels ist die Alterung der Gesellschaft. So liegt das Durchschnittsalter der EU-Bevölkerung im Jahr 2020 mit 44 Jahren ganze 6 Jahre über dem Durchschnitt aus dem Jahr 2001 (38 Jahre). Es gibt allerdings Unterschiede in der Gesellschaftsalterung zwischen den Mitgliedsstaaten. So sind die Länder mit dem höchsten Durchschnittsalter Italien (mit 47 Jahren), Deutschland und Portugal (mit jeweils 46 Jahren). Die Länder mit dem niedrigsten Durchschnittsalter sind Luxemburg, Malta (beide mit 40 Jahren), Zypern und Irland (beide mit 38 Jahren). Der Alterungsprozess schlägt sich auch in den Anteilen der einzelnen Bevölkerungsgruppen nieder. So hat sich z.B. der Anteil der über 80 Jährigen seit 2001 beinahe verdoppelt, während der Anteil der unter 20 Jährigen geschrumpft ist. Dazu kommt der Rückgang der Geburtenzahlen und die erhöhte Lebenserwartung: Während 2001 noch 4,4 Millionen Lebendgeburten verzeichnet wurden, waren es 2020 nur noch 4,0 Millionen. Die Lebenserwartung ist von 2002 (durchschnittlich 77,6 Jahre) bis 2019 (durchschnittlich 81,3 Jahre) um 3,7 Jahre gestiegen. Es sind diese Faktoren, welche die Alterung der Gesellschaft zur Folge haben.

Auch hier muss die Politik auf die Veränderung in der Bevölkerungszusammensetzung reagieren. Die fortschreitende Alterung der Gesellschaft fordert unter anderem Veränderungen im Sozialsystem. Aktuell baut dieses auf einem Generationenvertrag auf. Wenn sich das Verhältnis zwischen den Generationen aber verschiebt, ist dies kein sinnvolles System mehr und muss überarbeitet werden. Außerdem steigt mit der Anzahl der Personen im höheren Alter auch die Anzahl der Pflegebedürftigen. Auch in diesem Bereich wird also ein Ausbau des bestehenden Systems notwendig werden. Allerdings: Es bleibt wichtig, in der Politik die Bedürfnisse junger Personen nicht zu vernachlässigen.

Migration: Europa in Bewegung

Eine Möglichkeit, die Bevölkerungsalterung zu dämpfen, stellt eine aktive Migrationspolitik dar. Sowohl die Einwanderung, wie auch die Auswanderung haben sich in den letzten Jahren verstärkt. Insbesondere mit den großen Fluchtbewegungen in den Jahren 2015 und 2016 kam es zu stark ansteigenden Zahlen von Einwander:innen von außerhalb der EU. Zusätzlich zur verstärkten Einwanderung ist auch eine verstärkte Auswanderung in 20 der 27 Mitgliedsstaaten zu verzeichnen. Diese beinhaltet Personen, die in ein anderes EU-Land auswandern, sowie Personen, die in einen Nicht-Mitgliedsstaat auswandern. Auch die Zahl der EU-Bürger:innen, die sich temporär in anderen EU-Staaten aufhalten, steigt. Das bedeutet, dass immer mehr EU-Bürger:innen von ihrem Recht Gebrauch machen, sich frei über nationale Grenzen innerhalb der EU hinweg zu bewegen. Außerdem gibt es viele Menschen, die jedes Jahr eine EU-Staatsbürgerschaft erlangen. Die Zahlen schwanken von 2016 bis 2019 zwischen etwa 672.000 und 844.000 neuen Staatsbürger:innen pro Jahr. Die meisten Staatsbürgerschaften werden vergeben an Personen aus Marokko, Albanien und der Türkei (2014-2018), beziehungsweise dem Vereinigten Königreich (2019). Es lässt sich also leicht erkennen, dass sich die Mobilität in Europa erhöht. Die Menschen fühlen sich immer weniger an die Grenzen ihres Heimatstaates gebunden und nutzen immer mehr die Möglichkeiten der EU, sich frei zu bewegen.

Die erhöhte Migration ist ein Zeichen der weiter fortschreitenden Globalisierung. Diese zeigt immer mehr die Diskrepanzen in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung verschiedener Länder auf, was Personen dazu motivieren kann, ihr Heimatland zu verlassen und die Chancen eines anderen Landes zu nutzen. Die Welt, und ganz besonders die Europäische Union, wächst immer stärker zusammen. Dies fördert die Mobilität über nationale Grenzen hinweg und die Bereitschaft der Menschen, im Ausland zu leben. Diese transnationale Bewegung stellt natürlich auch Herausforderungen für die Politik dar, wie zum Beispiel die Integration von Einwander:innen oder die Förderung von Austauschprogrammen. Es sind demographische Daten wie die von Eurostat die einen Ausblick darauf geben, welche Schwierigkeiten in Zukunft auf die Politik zukommen, damit diese erfolgreich bewältigt werden können.

 

Text: Dorothea Ullrich