Weniger Verschwendung von Lebensmitteln, mehr Lebensmittelsicherheit! (03.04.2018)
Auf der gesamten Welt landen etwa vier Milliarden Tonnen Lebensmittel jährlich nicht auf unseren Tellern, sondern im Müll. Hierbei handelt es sich um fast die Hälfte aller jährlich produzierten Lebensmittel. Diese und viele weitere schockierende Fakten präsentierte die Abgeordnete des Europäischen Parlaments Dr. Renate Sommer in einem vom Regionalbüro Westfalen der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Vortrag über Lebensmittelverschwendung und Lebensmittelsicherheit. Neben den Ursachen und Auswirkungen einer Verschwendung von Lebensmitteln beleuchtete sie vor allem die Frage nach möglichen Gegenmaßnahmen: Was können Verbraucher_innen tun? Und was wird auf EU-Ebene bereits unternommen?
In der gesamten EU entstehen innerhalb eines Jahres ganze 88 Millionen Tonnen Lebensmüll. Anders als oft angenommen, sei hierfür jedoch nicht hauptsächlich der Handel verantwortlich, so Sommer. Tatsächlich entstünden nur fünf Prozent dieser Abfälle im Handel und etwa zehn bis zwölf Prozent in der Gastronomie. 30 Prozent der Abfälle ließen sich jedoch auf die Lebensmittelindustrie zurückführen und mit 53 Prozent entstehe der Großteil in den Haushalten. Während es sich bei dem entstehenden Lebensmittelmüll in der Industrie jedoch zumeist um unvermeidbare Verluste (z.B. aufgrund von Missernten) handele, komme es in den meisten Haushalten tatsächlich zu Verschwendung: Viele Verbraucher_innen kaufen mehr Lebensmittel ein, als sie verzehren können. Dies habe gravierende Folgen für die Umwelt: Etwa acht Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgase ließen sich allein auf Lebensmittelverschwendung zurückführen. Zudem steht dieser Überfluss in einem krassen Gegensatz zur Armut vieler Menschen, auch innerhalb der EU. Eine der zentralen Ursachen für die Lebensmittelverschwendung in Haushalten ist laut Dr. Renate Sommer die mangelhafte Aufklärung vieler Verbraucher_innen über die Haltbarkeit, Lagerbedingungen und Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Ein überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum werde beispielsweise von vielen als Anzeichen gewertet, dass das Lebensmittel nicht mehr genießbar sei, obwohl die tatsächliche Haltbarkeit in der Regel noch mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate gegeben sei.
Welche Maßnahmen werden auf europäischer Ebene ergriffen?
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments setzen sich bereits seit vielen Jahren eindringlich gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und für mehr Sicherheit und Aufklärung der Verbraucher_innen ein. Sie stellen immer wieder konkrete Forderungen in Form von Entschließungen zur Verringerung des Lebensmittelmülls. So fordern sie klare und einheitliche Kennzeichnungen bezüglich der Haltbarkeit von Lebensmitteln und möchten Nahrungsmittelspenden vereinfachen. Aktuell ist es gesetzlich nicht erlaubt, Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum z.B. an Tafeln zu spenden. Einzelhandelsunternehmen müssen zudem eine Umsatzsteuer auf alle Nahrungsmittel entrichten, die sie an Tafeln spenden. Bereits 2016 habe das Europäische Parlament eine Abschaffung dieser Steuer gefordert, was bisher allerdings nur von Frankreich tatsächlich umgesetzt wurde. Diese Forderung ist somit auch ein Beispiel für viele andere, die häufig am Widerstand der Mitgliedstaaten im Ministerrat scheitern, sodass verpflichtende Regelungen nur durch Kompromisse beschlossen werden können. Auch die aktuell gültige europäische Lebensmittelinformationsverordnung (kurz: LMIV) stellt einen solchen Kompromiss dar. Sie ist seit 2014 in Kraft und dient der besseren Information der Verbraucher_innen über die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Durch die LMIV wurde die Angabe einer Nährwerttabelle auf der Verpackung verpflichtend und zur besseren Übersicht müssen Allergene in der Zutatenliste nun optisch hervorgehoben werden. Diese und weitere Pflichtangaben müssen zudem in einer Mindestschriftgröße gedruckt sein, um ihre Lesbarkeit zu gewährleisten.
In einer an den Vortrag von Frau Dr. Sommer anschließenden Diskussion setzte sich das Publikum insbesondere mit Aspekten der Lebensmittelsicherheit und -kennzeichnung auseinander. Insgesamt war man sich einig, dass die Aufklärung über Inhaltsstoffe und Haltbarkeiten nicht bloß über die Verpackung geschehen kann, sondern bereits in der Schule erfolgen sollte, um die Gesellschaft für einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln zu sensibilisieren.
Text: Rebecca Melzer
Foto: © Auslandsgesellschaft NRW e.V.