VHS-Themenreihe „Europa konkret“: Die Europawahl im Blick (29.04.2019)
Seit Wochen wurde dazu aufgerufen, am 26. Mai 2019 an der Europawahl teilzunehmen, aber wen oder was wählt man? Die EU wird oftmals als zu komplex empfunden, um sie begreifen und eine fundierte Wahlentscheidung treffen zu können. In der VHS-Themenreihe „Europa konkret“ sollten Fragen rund um die EU, von der Arbeitsweise bis zu den Ergebnissen, erklärt werden. Mit Vorurteilen sollte aufgeräumt und ein*e jede*r fit gemacht werden für die bevorstehende Europawahl.
Das Rathaus Dortmund begrüßte am 29. April 2019 im Saal Westfalia zwei engagierte Redner. Zum einen Niklas Reininghaus, Beamter der Stadt Dortmund, und zum anderen Bernhard Rapkay, ehemaliger Europaabgeordneter. Nacheinander stellten sie sich der Herausforderung, die Europäische Union genauer unter die Lupe zu nehmen und das komplexe Gebilde zu entwirren. Niklas Reininghaus war dabei zuständig für die Theorie, während Herr Rapkay auf Grundlage seiner 20-jährigen Erfahrung im Europäischen Parlament sprach.
Fakten, Fakten, Fakten
Gut wäre es, am 26. Mai 2019 zur Europawahl gegangen zu sein. Ideal wäre es, wenn man genau gewusst habe, wofür man wählt und wie die Institution funktioniert, für die man seine*ihre Stimme abgeben konnte. Um das zu erreichen, führte Niklas Reininghaus das Publikum am 29. April 2019 in das Thema Europäische Union ein: Von der Gründung der Europäischen Union über ihren Aufbau und ihrer Entwicklung bis hin zur Funktionsweise der verschiedenen Institutionen. Er zeigte, wie das Europäische Parlament aufgebaut ist, wie die Fraktionen sich darin verteilen und nahm dabei insbesondere auch Bezug auf die deutschen Abgeordneten.
Besonders wichtig war es Reininghaus, Vorurteile gegenüber der Europäischen Union anzusprechen und aus der Welt zu schaffen. Zu diesem Zweck richtete er sich an das Publikum und fragte nach ihren persönlichen Vorbehalten und Kritikpunkten. So wurde beispielweise geklärt, dass die Richtlinien zur Krümmung von Gurken und Bananen als Vereinheitlichung von Handelsstandards eingeführt worden waren. Interessenvertretungen des Handels beantragten eine solche, um den Handel innerhalb Europas übersichtlicher und effizienter zu gestalten. Auch das Vorurteil der zu hohen Bürokratiedichte wurde entkräftet. So habe die gesamte Europäische Union unter 50.000 Mitarbeiter*innen in der Verwaltung, erläuterte Reininghaus. Damit würden nur 6,4 % der finanziellen Mittel an diesen Bereich gehen.
Was hat die EU erreicht?
Zum Ende seines informativen Vortrags beschrieb Reinighaus, was die EU bisher konkret erreicht hatte. Darunter fielen u.a. viele wichtige Verordnungen und Richtlinien, welche Teil unseres Alltagslebens sind, ohne dass viele überhaupt davon wissen. So nannte er unter anderem die Nähstofftabelle auf Lebensmitteln und das EU-Energielabel. Besonders bedeutend sei zudem die Überwindung der Erbfeindschaften zwischen den europäischen Staaten, die noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts bestanden, so Reinighaus. Aber auch unsere Reisefreiheit, eine gemeinsame Währung, Mobilitätsprogramme und Lebensmittelsicherheit seien nur einige von vielen Vorteilen, welche wir Dank der jahrelangen Arbeit der Europäischen Union genießen. Auch dem Vorurteil, dass die EU weit weg wäre, setzte Reininghaus ein Ende und stellte klar, dass es für jeden Wahlbezirk eine*n zuständige*n europäische*n Abgeordnete*n gäbe, mit dem*der man sprechen könne. Alle europäischen Institutionen seien zudem für Besucher*innen geöffnet und die EU-Bürger*innen können sich an öffentlichen Konsultationen von der Europäischen Kommission beteiligen. Die wohl bekannteste war die Konsultation zur Abschaffung der Sommerzeit im Jahr 2018. Nicht zuletzt betonte Reininghaus dass es in ganz Europa Informationsstellen gäbe, die sogenannten Europe Direct Informationszentren, welche im Auftrag der Europäischen Kommission Beratung und Bildung anbieten.
Bernhard Rapkaykonnte im Gespräch mit den Besucher*innen ein praktisches und lebendiges Bild von der Europäischen Union zeigen, denn er saß von 1994 bis 2014 zwanzig Jahre im Europäischen Parlament und konnte viele Entwicklungen und Entscheidungen prägen und begleiten. Auf die Frage hin, wie er die Gefahr des Populismus in Europa einschätze, sagte er, dass diese Entwicklung sich schon seit Jahren vollziehen würde und dass die „Populisten […] stärker werden“ würden. Man müsse in den nächsten Jahren mit einer veränderten Parteienlandschaft in Europa rechnen und dementsprechend mit einer veränderten Politik. Auf die Publikumsfrage, wie stark und einflussreich der Lobbyismus in Brüssel sei, stellte er zunächst einmal klar, dass es grundsätzlich in jeder Demokratie erlaubt sei, seine*ihre Interessen zu vertreten und sich dafür einzusetzen. Jede*r Politiker*in müsse selbst entscheiden, wie und ob Anfragen von Lobbys mit den Interessen der Partei, Fraktion und der Wähler*innen, zu vereinbaren sind.
So wurden Theorie und Praxis miteinander vereint und bildeten einen soliden Wissensrahmen für die Europawahl 2019. Abschließend erinnerte Bernhard Rapkay daran, dass Deutschland im Weltvergleich nur ein kleines Land sei und sagte mit Blick auf Europa: „Wir können nur überleben, wenn wir es gemeinsam machen.“
Die Veranstaltung wurde vom Europe Direct Dortmund in der Auslandsgesellschaft.de e.V. gemeinsam mit der Stadt Dortmund und der VHS Dortmund organisiert.
Text von: Karin Bienkowski, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Karin Bienkowski, Auslandsgesellschaft.de e.V.