2019_02_25 Erste Wahl Europa

Erste Wahl: Europa! (25.02.2019)

Vom 23. bis zum 26. Mai 2019, in weniger als drei Monaten, wählen wir in der gesamten EU ein neues Europäisches Parlament. Das nahm die Auslandsgesellschaft in Dortmund zum Anlass, um am 25. Februar 2019 im Schloss der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster mit zahlreichen Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft über die Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements im Vorfeld der Wahlen zu diskutieren.

Welche Rolle spielen die Euregios, Städtepartnerschaften und zivilgesellschaftliche Bewegungen wie beispielsweise Pulse of Europe für den Ausgang der Europawahl? Was genau macht die Europawahl im Jahr 2019 zu der wohl wichtigsten Wahl in der Geschichte des Europäischen Parlaments? Und wie können wir die Menschen motivieren, wählen zu gehen? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigten sich die Teilnehmer*innen der von der Auslandsgesellschaft organisierten Veranstaltung „Erste Wahl: Europa!“.

Die Veranstaltung begann mit einem sehr ernsten Grußwort des NRW-Europaministers Stephan Holthoff-Pförtner. Dieser berichtete, dass er erst kürzlich von einem Besuch in Polen zurückgekehrt sei, bei dem er sich insbesondere mit jungen Menschen traf, die gegen die zu beobachtende Beschränkung der politischen Freiheiten im Land Widerstand leisteten: „Diese Personen gelangen in Gefahr, nur weil sie die Wahrheit äußern – das darf und kann nicht Europa sein.“ Holthoff-Pförtner plädierte aus diesem Grund dafür, dass es eine Pflicht der EU sein, ihre Grundrechte durchzusetzen, sei es auch gegen den Widerstand einiger Mitgliedstaaten: „Die EU muss für ihre Bürger*innen da sein, nicht für die Nationalstaaten.“

Warum die Europawahl 2019 die möglicherweise wichtigste in ihrer Geschichte sein wird, erklärte der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Uwe Andersen von der Ruhr-Universität Bochum: Den aktuellen Prognosen zufolge könnten die Fraktionen der großen Volksparteien ihre Mehrheit verlieren, in jedem Fall aber werden die Anteile der EU-kritischen Fraktionen sowohl links als auch rechts außen deutlich zunehmen. Um eine EU-kritische Mehrheit im Parlament zu verhindern, müssten deshalb vor allem diejenigen Nichtwähler*innen mobilisiert werden, die der EU grundsätzlich positiv gesinnt sind. Das Problem dabei: Viele Menschen würden sich selbst zwar mittlerweile auch als Europäer*in wahrnehmen, die europäische Identität sei für sie aber meistens nachrangig zu ihrer nationalen oder regionalen Identität. Das liege auch daran, dass es immer noch keine genuine europäische Öffentlichkeit gebe und die europäische Politik zumeist durch eine nationale Brille betrachtet werde.

Wie kann man Menschen Europa näher bringen?

Andersen sieht in der engagierten Zivilgesellschaft einen wichtigen Hoffnungsträger für das europäische Projekt. Insbesondere die Städtepartnerschaften stellen für ihn ein wichtiges Instrument dar, sie seien quasi eine „kommunale Außenpolitik“.

Ähnlich sieht das auch Roland Schäfer, Bürgermeister der Stadt Bergkamen. Durch Städtepartnerschaften würden vor allem Jugendliche lernen, wie ähnlich sie sich trotz nationaler Unterschiede seien, betonte er in einer Gesprächsrunde, an der auch Prof. Dr. Johannes Wessels, Rektor der WWU Münster, Dorothee Feller, Regierungspräsidentin des Bezirks Münster und Ulrich Beul, stellvertretender Vorsitzender der Europa-Union NRW, teilnahmen. Sie diskutierten verschiedene Möglichkeiten, die schweigende Mehrheit im Mai zur Wahl zu motivieren. Feller betonte, dass das Ziel dabei jedoch immer sein müsse, die Bedeutung Europas dauerhaft im Bewusstsein der Menschen zu verankern, weswegen es unverzichtbar sei, auch nach der Wahl aktiv zu bleiben.

Ein Projekt, das vor allem Jugendlichen das Thema Europa nahe bringen soll, präsentierten Dirk Schubert von der Auslandsgesellschaft und der Musiker und Regisseur Gandhi Chahine: Im Projekt „Dein Europa – Deine Stimme“ setzen sich 40 Jugendliche 7 Monate lang kreativ mit dem Thema Europa auseinander. Einige der dabei entstandenen Ergebnisse wurden während der Veranstaltung präsentiert und sorgten durchweg für große Begeisterung bei den Teilnehmer*innen.

Mit dem Thema „Jugend und Europa“ beschäftigte sich auch einer der drei Workshops, die am Nachmittag stattfanden. Hier stellten Vertreter*innen des Bereichs Personalentwicklung der WWU Münster sowie der IHK Nord Westfalen Münster Möglichkeiten vor, wie auch Arbeitnehmer*innen und insbesondere Auszubildende vom Erasmus-Programm profitieren können. Das Ziel sei, dass in Zukunft mindestens 10% aller Auszubildenden während ihrer Ausbildung Auslandserfahrung sammeln, aktuell würden die Angebote jedoch nur von 6% genutzt.

Ein weiteres großes Thema war das Engagement von Jugendlichen für Europa. „Wie können wir junge Menschen dazu bringen, sich aktiv politisch einzubringen?“, fragte Ulrich Beul von der Europa-Union NRW in die Runde. Die Teilnehmer*innen des Workshops waren überwiegend der Ansicht, dass es für breites Engagement von enormer Bedeutung sei, etwas zu haben, das entweder verteidigt oder bekämpft werden müsse. Gerade die aktuell stattfindenden Freitagsdemonstrationen von Schüler*innen für den Klimaschutz wurden sehr begrüßt und als Sprungbrett für zukünftiges politisches Engagement von Jugendlichen wahrgenommen.

Text: Rebecca Melzer, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Foto: © Rebecca Melzer, Auslandsgesellschaft. de e.V.