Weihnachten im Osten

Weihnachten im Osten

Ein Blick ins neue Jahr gefällig? Dann solltet ihr vielleicht einmal an einer Weihnachtsfeier in Polen, Ungarn oder Tschechien teilnehmen. Wie viele Länder Europas feiern auch die östlichen Länder ein Weihnachtsfest mit einer Kombination aus religiösen und heidnischen Traditionen. Dabei werden in den drei Ländern vor allem Voraussagen für das neue Jahr angestellt. Was das Weihnachtsfest in den östlichen EU-Mitgliedstaaten sonst noch bereithält, haben wir für euch zusammengetragen.

Polen

In Polen wird das Weihnachtsessen vom ersten Stern, der am Nachthimmel zu sehen ist, eingeleitet. Dies ist normalerweise um etwa 17 Uhr der Fall. Tatsächlich ist dieser helle Punkt am Himmel häufig gar kein Stern, sondern ein Planet: Venus oder Jupiter. Aber das tut der Tradition keinen Abbruch.

Bei den Vorbereitungen auf das Weihnachtsessen ist es Tradition, immer einen Teller zusätzlich auf den Tisch zu stellen. Dieser soll für die Seelen der Verstorbenen oder einen Gast bereitstehen. Das Weihnachtsessen besteht aus 12 Speisen, eine Zahl die sich von den 12 Aposteln ableitet. Dabei sollte jeder von allen meist fleischlosen Speisen probieren. Einige der beliebtesten Speisen sind Barszcz, eine Suppe aus Rote Beete, und Piroggi, gefüllte Teigtaschen, Hering oder Rollmops in Biersoße.

Vor dem Essen wird in vielen polnischen Häusern etwas Heu unter die Tischdecke gelegt, welches die Krippe des Christuskindes symbolisieren soll. Jeder Gast kann nach dem Essen einen Heuhalm unter der Tischdecke hervorziehen. Der längste Halm bringt laut Tradition das meiste Glück im nächsten Jahr. Ein anderer Glücksbringer fürs nächste Jahr ist das Einstecken einer Fischschuppe oder Gräte in die Geldbörse.

Eine meist bunte Oblate wird mit der Familie als Symbol der Versöhnung und der Freundschaft geteilt. Nach dem Essen findet die Bescherung statt, die Geschenke werden vom Christkind gebracht. Die meisten Polen gehen an Weihnachten in die Mitternachtsmesse. Danach werden Süßigkeiten verspeist.

Insgesamt gilt die Stimmung an Weihnachten als Prognose für die Situation im neuen Jahr. Streit würde also auch eine schwierige Stimmung im Folgejahr bedeuten. Deshalb ist den Polen die Stimmung an Weihnachten sehr wichtig.

Ein berühmtes polnisches Weihnachtslied heißt „Anioł pasterzom mówił“, auf Deutsch „Der Engel sagte den Hirten“

Ungarn

Mikulás – das ist der Name vom heiligen Nikolaus in Ungarn, der gleichzeitig der Vater des Winters ist. Er wird von zwei kleinen Jungen begleitet, den Krampuszen, die die Aufgabe des deutschen Knechts Ruprecht haben.

Wie in vielen nordischen Ländern Europas, feiert man auch in Ungarn den St. Lucien-Tag, der auf Ungarisch Luca Napja genannt wird. An diesem Tag beginnt jedes Jahr das Bauen des sogenannten Luzien-Stuhls. Jeder Mann soll bis zum 24. Dezember einen Stuhl aus sieben verschiedenen Holzarten bauen. Nach der Tradition kann jemand, der sich während der Weihnachtsmesse auf einen solchen Stuhl stellt, anwesende Hexen erkennen. Außerdem versuchen viele Mädchen am Luzien-Tag den Beruf ihres zukünftigen Partners durch Bleigießen herauszufinden.

In der Weihnachtszeit gibt es in Ungarn vielerorts Nachstellungen der Weihnachtsgeschichte von Jugendlichen, die verkleidet durch ihre Städte oder Dörfer ziehen.

In Ungarn hängt am Weihnachtsbaum sogenannter „szaloncukor“ auf Deutsch „Salonzucker“: in Glitzerpapier eingewickelte Schokobonbons mit verschiedenen Füllungen. Am Abend des 24. findet das Weihnachtsessen statt: meist wird Fisch oder Pute aufgetischt. Die Geschenke werden entweder vom Christkind, Weihnachtsengel oder Weihnachtsmann gebracht und unter den Weihnachtsbaum gelegt.

Am 2. Weihnachtsfeiertag bringen viele Ungarn ihren Wein in die Kirche, um ihn segnen zu lassen. Davon versprechen sie sich eine heilende Wirkung für den Wein. Der 28. Dezember wird in Ungarn der Tag der „Kleinen Heiligen“ genannt. In Gedenken an die kleinen Kinder, die Herodes laut Bibel töten ließ, werden kleine Jungen zu den Nachbarn geschickt, um dort mit Ruten berührt zu werden. Das soll sie im neuen Jahr gesund bleiben lassen.

Ein beliebtes ungarisches Weihnachtslied heißt „Der Engel vom Himmel“, „Mennyből az angyal“

Tschechien

Am 5. Dezember kommt in Tschechien der Nikolaus mit seinen Engeln und Teufeln und fragt die Kinder, ob sie artig gewesen sind. Die Kinder singen ein Lied und bekommen Obst und Süßigkeiten geschenkt. Sollten die Kinder nicht brav gewesen sein, bekommen sie Kartoffeln und Kohle.

Am 24. Dezember wird bis zum Weihnachtsessen am Abend gefastet. Außerdem darf das Haus nicht beleuchtet werden, bevor der erste Stern am Himmel zu sehen ist. Weitere Traditionen bestimmen, eine gerade Anzahl Teller auf den Tisch zu stellen und keinen Gast mit dem Rücken zur Tür sitzen zu lassen. Die Tischbeine sollten mit Seilen zusammengebunden werden, um das Haus im neuen Jahr vor Diebstahl zu schützen. Zum Weihnachtsessen gibt es in Tschechien meist Karpfen mit Kartoffelsalat.

Auch in Tschechien lassen sich im Dezember viele Weihnachtsmärkte bestaunen. Einer der berühmtesten Weihnachtsmärkte Tschechiens findet jedes Jahr in Prag statt.

Außerdem wird die Weihnachtszeit von vielen Vorhersagen für das neue Jahr begleitet. Aus den leeren Schalen von verzehrten Nüssen werden Schiffchen gebastelt, die mit einer Kerze beladen in einer Schüssel ins Wasser gelassen werden. Schwimmt die Schale auf dem Wasser, kündigt sie ein langes Leben an. Sinkt sie, soll Unglück auf den Besitzer des Schiffchens zukommen. Außerdem werden in der Weihnachtszeit Äpfel durchgeschnitten. Sind die Kerne wie ein Stern angeordnet, soll das nächste Jahr Glück bringen. Stellen sie ein Kreuz dar, kündigt dies Krankheit oder Tod an.

Das wohl berühmteste Weihnachtslied Tschechiens heißt „Vánoce, Vánoce přicházejí“, auf Deutsch: Weihnachten, Weihnachten kommt.

Vielleicht versucht ihr es ja dieses Weihnachten mal mit Vorhersagen. Bleigießen ist wegen der Chemikalienbelastung mittlerweile verboten. An Silvester wird in Deutschland als Alternative Wachsgießen gehandelt. Falls ihr darauf zu Weihnachten keine Lust habt, könntet ihr stattdessen ausprobieren, Heuhalme unter der Tischdecke hervorzuziehen oder Apfelhälften zu interpretieren – Wer weiß, was das neue Jahr bereithält.

 

Text: Luise Blessing