Wie sich die EU nicht nur am 8. März für Frauenrechte stark macht

Wie sich die EU nicht nur am 8. März für Frauenrechte stark macht

Seit 1921 wird am 8. März der Weltfrauentag (auch: Frauentag oder Feministischer Kampftag) gefeiert. Erstmals wurde er am 19. März 1911 in Deutschland, Dänemark, Österreich-Ungarn und der Schweiz begangen, um Gleichberechtigung, Emanzipation und vor allem das Wahlrecht für Frauen zu erkämpfen. Seit 1921 wird der Tag immer am 8. März gefeiert, um die bisherigen Errungenschaften in der Frauenrechtsbewegung zu feiern, aber auch um auf bestehende Diskriminierung und Ungleichheiten aufmerksam zu machen. Die EU gilt heute als einer der sichersten und fairsten Orte weltweit für Frauen. Dennoch ist es nach wie vor erforderlich für die Rechte von Frauen zu kämpfen und sie zu wahren. Wie sieht die Situation für Frauen in der Europäischen Union und in den Institutionen der EU aktuell aus? Was tut die EU bereits jetzt für Gleichstellung? Und was gilt es noch zu erreichen?

Frauen in der Europäischen Union – viel erreicht, noch einige Vorhaben

Bereits seit den Römischen Verträgen aus dem Jahr 1957 gilt die Gleichstellung von Frauen und Männern als einer der Grundwerte der Europäischen Union, indem gleicher Lohn für gleiche Arbeit festgelegt wurde. 2006 verabschiedeten der Europäische Rat und das Europäische Parlament zudem Regeln zur Gleichstellung von Frau und Mann auf dem Arbeitsmarkt, die z.B. vor mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung schützen sollen. Obwohl seit 1957 der Grundsatz „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ gilt, ist der Gender Pay Gab, also die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes der Frauen zu dem der Männer, 2019 im EU-Durchschnitt bei 14,1 Prozent – Frauen verdienen also in der Stunde für die gleiche Arbeit 14,1 Prozent weniger als Männer. Hier gilt es aber zu beachten, dass es große Unterschiede in den EU-Ländern gibt. In Estland lag der Gender Pay Gap 2018 bei rund 23 Prozent, in Rumänien bei 3 Prozent. Oft hängt ein geringer Lohnunterschied aber auch damit zusammen, dass in einem Land weniger Frauen bezahlter Arbeit nachgehen. Charakteristisch für einen Arbeitsmarkt mit einem hohen Gender Pay Gap ist, dass viele Frauen schlechtbezahlten Jobs nachgehen und viele Frauen halbtags arbeiten. Seit 2017 gibt es einen Maßnahmenplan der EU, um das Lohngefälle zu schließen.  Auch in den Führungspositionen von Unternehmen in der EU sind Frauen unterrepräsentiert: 2019 waren 3,4 Millionen der 9,4 Millionen Personen in Führungspositionen weiblich, also 36 Prozent. Bei den börsennotierten Unternehmen stellten Frauen etwas mehr als ein Viertel der Vorstandsmitglieder (27 Prozent). Die 2006 verabschiedeten Regeln richtig anzuwenden, bleibt also eine Herausforderung in allen Mitgliedstaaten.

Gewalt gegen Frauen stoppen, bestmögliche Hilfe gewährleisten

Eine Eurobarometer-Umfrage von 2016 zeigt, dass in manchen Ländern der EU Gewalt gegen Frauen akzeptiert und sogar gerechtfertigt wird. Eine Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte aus dem Jahr 2014 ergab zudem, dass eine von drei Frauen in der EU seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren hat. Die meisten Opfer von Menschenhandel, die in der EU gemeldet werden, sind Mädchen und Frauen. Ein verbindliches Instrument, das eigens zum Schutz von Frauen gegen Gewalt konzipiert wurde, existiert jedoch nicht. Im November 2020 haben sich die Gleichstellungsministerinnen und -minister der EU, der EFTA-Staaten (Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein) und Großbritannien darauf geeinigt, eine Telefonnummer für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, in vielen Ländern Europas einzuführen: 116 016. In Deutschland gibt es seit 2013 das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, das unter der 08000 116 016 kostenfrei, anonym, in 18 Sprachen und rund um die Uhr zu erreichen ist.

Der Europarat hat ein Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (bekannt als „Istanbulkonvention“) verfasst, das von allen EU-Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union unterzeichnet wurde. Die Ratifizierung steht in einigen osteuropäischen Mitgliedsstaaten noch aus; über die Ratifizierung der EU als Organisation wird ein institutioneller Streit geführt, der durch eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshof demnächst entschieden werden dürfte. Die Konvention verpflichtet die Länder zur Eindämmung und Kriminalisierung jeder Form von Gewalt, zum Opferschutz und zur Verfolgung von Täter:innen. Im Sommer 2020 hat der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro damit gedroht, das Abkommen wegen Bestimmungen, die „ideologischer Natur“ seien, aufzukündigen, obwohl Polen als eines der wenigen Länder in Osteuropa das Abkommen nicht nur unterschrieben, sondern auch ratifiziert hat. Er kritisiert, dass das Abkommen im Widerspruch zu traditionellen Familienwerten stehe und eine „Gender-Ideologie“ verbreite. Die Ankündigung löste im Europarat und im Europäischen Parlament Unverständnis aus; Abgeordnete zeigten sich alarmiert und hoben den Stellenwert des Abkommens hervor. Eine Entscheidung im polnischen Kabinett über eine Aufkündigung ist noch nicht gefallen.

Frauen in den EU-Institutionen: Auf dem richtigen Weg, manche Defizite

In den europäischen Mitgliedsstaaten und den Institutionen zeigt sich, dass noch nie so viel Macht in weiblicher Hand lag, wie jetzt: Ursula von der Leyen ist Chefin der Europäischen Kommission, Christine Lagarde ist Chefin der Europäischen Zentralbank, Emily O’Reilly ist die Europäische Bürgerbeauftragte und aktuell haben sechs der 27 EU-Staaten eine weibliche Regierungschefin: Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Island und Norwegen. Weltweit sind nicht einmal sechs Prozent der Regierungschefinnen und -chefs weiblich, in der EU sind es immerhin rund 23 Prozent.

Im direktgewählten Europäischen Parlament sind aktuell 269 der 705 Mitglieder weiblich; durch den Brexit ist die Anzahl gesunken. Die Frauenquote im Europäischen Parlament beträgt 38,16 Prozent. In sieben Mitgliedsstaaten werden die Sitze aktuell mit 50 Prozent Frauen besetzt: Luxemburg, Niederlande, Frankreich, Malta, Österreich, Slowenien und Lettland. Finnland und Schweden entsenden mehr Frauen als Männer, Zypern entsendet aktuell keine Frauen.  In der Europäischen Kommission beträgt der Frauenanteil rund 41 Prozent. Der ehemalige Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker hat eine Marke von 40 Prozent ausgerufen und die aktuelle Präsidentin Ursula von der Leyen hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2024 die Hälfte aller Führungspositionen innerhalb der Kommissionsverwaltung mit Frauen zu besetzten. Außerdem sollen alle Gesetzesvorlagen der Kommission auf das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter geprüft werden.

Frauentag mahnt gegen Diskriminierung vieler Gruppen

Feminismus muss intersektional gedacht werden, Feminismus kämpft nicht nur für Frauen. Bei den Streiks und Demonstrationen, die im Rahmen des 8. März auf der ganzen Welt stattfinden, geht es meist nicht nur darum, Sexismus und Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern entgegenzutreten. Vielmehr soll auf jede Art von Diskriminierung, also z.B. Rassismus, Homo- und Transphobie, Ableismus (Diskriminierung von Menschen mit Behinderung) aufmerksam gemacht werden. In diesem Zusammenhang taucht auch oft der Begriff ‚Feministischer Kampftag‘ auf – eben um darauf aufmerksam zu machen, dass am Frauentag nicht nur die Ungleichbehandlung von Frauen im Mittelpunkt steht. Auch wenn die EU bereits als einer der sichersten Ort für Frauen gilt, bleibt also der Kampf gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung auch hier ein zentrales Anliegen für alle Bürger:innen. Nicht nur am 8. März, sondern jeden Tag.

 

 

Text: Lea Mindermann