Wo steht Europa in der Welt? Das Verhältnis Russland-EU (30.09.2015)

Wo steht Europa in der Welt? Das Verhältnis Russland-EU (30.09.2015)

Birgit Schmitz-Lenders, Leiterin der Europäischen Akademie Bayern sowie Expertin des Rednerservices „Team Europe“ der Europäischen Kommission, beleuchtete am Mittwoch, 30.09.2015, den aktuellen Kurs der europäischen Außenpolitik. In den Fokus rückte hierbei das Verhältnis zu Russland, das sich infolge der Ukraine-Krise in den letzten Monaten enorm verschlechterte.

Generell sei in den bisherigen Abkommen zwischen Russland und der EU in den letzten Jahrzehnten ein großes Interesse an einer strategischen Partnerschaft zu erkennen, so Schmitz-Lenders. Allerdings würde dieses kontinuierlich durch verschiedene Spannungslinien beeinträchtigt: Die territorialen Konflikte Russlands mit seinen Nachbarstaaten (Georgien-Krieg 2008, Transnistrien-Konflikt) stünden im Widerspruch zu den europäischen Werten sowie der Ausweitung des ordnungspolitischen Einflusses der EU. Zudem sei der zunehmend autoritäre Charakter des gesamten russischen Systems (Stichwörter: Agentengesetz und Pressezensur) problematisch für die EU. Darüber hinaus herrschen auf Seiten der mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten immer noch Skepsis und Ressentiments gegenüber Russland, während Russland selbst sich infolge der EU-Osterweiterung 2004 sowie der NATO-Osterweiterung ab 1997 vom Westen marginalisiert fühle. Die Ukraine-Krise habe vor diesem Hintergrund zu einer enormen Verschärfung der Beziehungen geführt. Die Sanktionen der EU gegen Russland haben dieses – vor allem bezüglich des Handels mit High-Tech-Geräten – empfindlich getroffen, stellte die vortragende Juristin und Politologin fest. Die Gegensanktionen Russlands im Bereich der Lebensmittelimporte seien jedoch ebenso für die europäischen Bauern und Bäuerinnen spürbar gewesen. Auch in Sachen der aktuellen Flüchtlingskrise stoßen die EU und Russland aufeinander: Putin mache die gescheiterte US-Außenpolitik in ihrem Kampf gegen den Terrorismus im Nahen Osten verantwortlich für den Zuzug von Geflüchteten nach Europa. Die EU sei dieser US-Außenpolitik aus Bündnistreue blind gefolgt und müsse daher die daraus resultierenden Lasten allein tragen. Insgesamt stelle sich das Verhältnis zwischen Russland und der EU somit als äußerst kompliziert und mehr als angespannt dar. Doch trotz alledem befinde man sich in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander, betonte die Referentin.

Schmitz-Lenders Vortrag rief eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum hervor. Hier zeigte sich, wie schwer es für die EU mit ihren 28 Mitgliedstaaten ist, sich auf einen Kurs in Sachen Russland zu einigen: Die ehemaligen Staaten der Sowjetunion haben eine verständliche Skepsis gegenüber Russland, während Deutschland beispielsweise über eine sehr gute Beziehung verfügt. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass die Sanktionen der EU für einige Mitgliedstaaten, die sehr stark von Russlands Gas und Öl abhängig sind (z.B. Slowakei, Rumänien, Bulgarien), katastrophal sind, während es andere Staaten (Großbritannien, Spanien, Belgien, Niederlande) nicht betrifft. Vor diesem Hintergrund sei es problematisch für die EU, zu einem alle zufrieden stellenden Konsens in der Haltung zu Russland zu kommen.

Text: Lena Borgstedt, Auslandsgesellschaft NRW e.V.
Foto: © Lena Borgstedt, Auslandsgesellschaft NRW e.V.