2018_02_27 Zypern

Zypern, ein Zankapfel der internationalen Politik (27.02.2018)

Durch seine geostrategische Lage ist Zypern immer wieder zum Objekt der Begierde europäischer Mächte geworden. Bereits zu Zeiten der Antike kam es auf der Insel zu Spannungen zwischen unterschiedlichen politischen sowie kulturellen Interessen. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten und antike Monumente machen Zypern auch in der Gegenwart zu einer Schaubühne der Geschichte verschiedenster Kulturen und Religionen. In seinem Vortrag am Dienstag, dem 27.02.2018, ging der Dozent der Hamburger Universität Loukas Lymperopoulos gemeinsam mit den Teilnehmenden auf eine Zeitreise durch neuntausend Jahre Landesgeschichte, um vor deren Hintergrund die Gegenwart Zyperns als EU-Mitgliedsstaat zu beleuchten. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Europe Direct Dortmund gemeinsam mit der Deutsch-Griechischen-Gesellschaft Dortmund.

„Die geografische Lage Zyperns ist wichtig, wenn man im Osten herrschen möchte.“, bemerkte Lymperopoulos zu Beginn seines Vortrags. Deshalb sei die Insel in ihrer Geschichte immer wieder zum Zankapfel internationaler Politik geworden. So stand Zypern in der Antike zeitweise unter syrischem Einfluss, war im sechsten Jahrhundert v. Chr. eine griechische Kolonie, um später im Römischen Reich im vierten Jahrhundert n. Chr. das Christentum als offizielle Religion anzuerkennen. Unter dem darauffolgenden arabischen Einfluss verlor Zypern durch Überfälle viele seiner Kirchen. Aus den christlichen Glaubenshäusern wurden Moscheen erbaut, darunter die Hala-Sultan-Tekke, welche auch heutzutage noch eines der wichtigsten Heiligtümer des Islams darstellt.

Im 16. Jahrhundert wurde die zuvor venezianische Herrschaft über Zypern an das Osmanische Reich übergeben. In einem zunächst geheim gehaltenen Vertrag einigten sich Großbritannien und das Omanische Reich im 19. Jahrhundert schließlich auf die Übergabe der Insel an die Britische Regierung. Der Sultan sollte aber weiterhin Souveränitätsrechte behalten, um seinen Einfluss auf der Insel zu bewahren, sowie eine Tributzahlung Großbritanniens entgegennehmen. Auch zu dieser Zeit kam es immer wieder zu Unruhen, darunter Aufständen, während derer der Anschluss Zyperns an Griechenland gefordert wurde. 1925 wurde Zypern dennoch offiziell zu einer britischen Kronkolonie, deren Spuren auch heute noch auf Teilen der Insel zu erkennen sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ Erzbischof Makarios II. eine Volksabstimmung durchführen, bei der ein Großteil der Zypriot*innen für den Anschluss an Griechenland stimmte. Die Ablehnung des Anschlusses durch die UNO führte zu weiteren Unruhen im Land. Großbritannien stellte türkische Polizist*innen ein, um diesen entgegen zu wirken, wodurch die Spannungen jedoch noch zusätzlich verstärkt wurden. Im Jahr 1960 wurde Zypern mit dem Abkommen von Zürich zwischen Griechenland, Großbritannien und der Türkei laut Vertrag unabhängig. Wenige Zeit später kam es erneut zu Unruhen, welche schließlich einen Bürgerkrieg auslösten, der durch die Entsendung von UN-Truppen beendet wurde.

1974 fand im nördlichen Teil der Insel eine Invasion durch die Türkei statt. Viele griechische Zypriot*innen flohen in den Süden, es kam zu Plünderungen und Vandalismus. Über ein Drittel der Inselfläche war nun besetzt – ein Teil, der einen hohen wirtschaftlichen Einfluss hatte. Dies bedeutete schwere Rückschläge für Zypern, beinahe 70 Prozent der Brutto-Produktionsleistung gingen verloren, so Lymperopoulos.

2018_02_27 Zypern

Zyperns Teilung

Trotz der schweren ökonomischen Rückschläge erholte sich das südliche Zypern binnen weniger Jahre von seiner Krise und wurde 2004 offiziell Mitglied der EU. Die ökonomische und politische Teilung der Insel besteht jedoch nach wie vor. Zwar wird der türkische, wirtschaftlich schlechter gestellte Norden nur von der Türkei als eigenständiger Staat anerkannt, jedoch besitzt der zypriotische Staat nicht die Handlungsmacht, das EU-Recht in diesem Teil der Insel durchzusetzen. Hier zeigt sich, wie groß der türkische Einfluss immer noch ist. Auch heute sind noch etwa 40.000 türkische Soldat*innen auf Zypern stationiert – viele Zypriot*innen empfinden dies als Bedrohung.

Im Anschluss an den Vortrag wurde gemeinsam über die aktuelle Problemlage und die politischen Einflüsse auf Zypern diskutiert.
Einer der Teilnehmer*innen fragte nach der militärischen Ausrüstung Zyperns im Vergleich zur türkischen Besatzungszone. Lymperopoulos erklärte, dass Zypern mit etwa 15.000 Soldat*innen und einer vergleichsweise schlechten Ausrüstung keine Chance gegen die Türkei habe und somit auch innerhalb der eigenen Grenzen eher schlecht gestellt sei.
Generell waren die zypriotisch-türkischen Beziehungen von besonders großem Interesse: Ein Zuschauer machte sich Gedanken über den Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Lymperopoulos kommentierte, dass Erdoğans Politik sich nicht nur auf Zypern, sondern sogar in Griechenland eindeutig bemerkbar mache. Das liege vor allem daran, dass der Präsident die geografischen sowie politischen Grenzen in Frage stelle und von dem Wiederaufbau des Osmanischen Reichs träume. Solange die Türkei versuche, Expansionspolitik zu betreiben, habe das auch einen Einfluss auf die Situation Zyperns.
Die Teilnehmer*innen der Veranstaltung waren sich einig: Zypern gilt auch in der Gegenwart noch als politischer Spielball. Darauf habe es selbst jedoch kaum einen Einfluss, vielmehr läge dies an den europäischen Großmächten sowie an der geografischen Lage des Landes. Gerade in Anbetracht der politischen Lage in der Türkei bleibt es also auch für die Zukunft ungewiss, welche Rolle Zypern in der EU spielen wird und vor allem spielen muss.

Text: Isabel Bezzaoui
Fotos: © Auslandsgesellschaft NRW e.V.