Der EU-Zivilschutz-Mechanismus in Zeiten von Dürresommern und zunehmender Waldbrandgefahr

Der EU-Zivilschutz-Mechanismus in Zeiten von Dürresommern und zunehmender Waldbrandgefahr

Bedingt durch den Klimawandel nimmt in Deutschland und der EU die Intensität von Naturkatastrophen zu. Insbesondere mit Blick auf die Sommer der letzten beiden Jahre kam es nicht nur in Südeuropa, sondern auch Mittel- und Nordeuropa zu Waldbränden in erheblichem Ausmaß. Doch wie sind Deutschland und die EU gegen solche Naturkatastrophen gerüstet? Welche Formen der Kooperation gibt es auf Ebene der Europäischen Union und in welchen Bereichen gibt es Verbesserungspotenzial? Diese und weitere Fragen diskutierten in der Online-Podiumsdiskussion „Der EU-Zivilschutz-Mechanismus in Zeiten von Dürresommern und zunehmender Waldbrandgefahr“ am 21.07.2020 MdB Sandra Budendorfer-Licht (FDP), Dr. Ulrich Cimolino (Leiter des Arbeitskreises Waldbrand beim DFV), Prof. Dr. Johann Georg Goldammer (Global Fire Monitoring Center) und Franziska Otte (Generaldirektion Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe) unter der Moderation von Fabian Döbber (Europe Direct Dortmund).

Impulsvortrag von Frau Otte zum EU-Zivilschutzmechanismus

Zivilschutz auf EU-Ebene

Nach der Begrüßung durch die Moderation und einer kurzen Vorstellung der anwesenden Referent_innen begann die Veranstaltung mit einem Impulsvortrag von Franziska Otte zum Aufbau und zur Funktionsweise des EU-Zivilschutzmechanismus. Koordiniert wird dieser im Emergency Response Coordination Centre (ERCC) der Europäischen Union, welches als funktionaler Kern des Zivilschutzmechanismus fungiert. Staaten, welche mit einer Naturkatastrophe überfordert sind, können dort Anfragen stellen, woraufhin andere Länder Beratung und notwendige Hilfskapazitäten zur Verfügung stellen können. Wenn die Hilfe der Mitgliedsstaaten untereinander nicht mehr genügt, können auch Einsätze aus Mitteln der europäischen Reserve von Katastrophenschutzkapazitäten (rescEU), so geschehen 2017 bei Waldbränden in Portugal. Weiterhin unterstützt die Koordinierungsstelle auch Übungen & Training, die Bildung eines EU-weiten Wissensnetzes und die Stärkung von Wissenschaft & Forschung. Frau Otte zeigte auch die Dringlichkeit des Themas auf, da durch die Entwicklungen des Klimawandels die Häufigkeit und Intensität von Waldbränden enorm zugenommen hat. Besonders eine Katastrophe, welche mehrere Staaten gleichzeitig betrifft, kann leicht zu einer Überforderung der Kapazitäten führen.

Zunahme der Waldbrandgefahr in Europa

Föderale Strukturen im Blickfeld

Diese Ausführungen von Frau Otte boten einen guten Start in die Diskussion mit allen Teilnehmenden. Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht betonte die Bedeutung einer Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zivilschutzes, besonders da Deutschland dort die Entwicklung etwas „verschlafen“ habe. Dies sei, so Frau Bubendorfer-Licht, unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass Katastrophen- und Zivilschutz ein kostspieliges und politisch unbequemes Thema sind. Dieser Ansicht konnte sich auch Herr Prof. Dr. Johann Goldammer anschließen und verwies darauf, dass es seit dem schweren Brand in der Lüneburger Heide 1975 quasi eine zyklische Bewegung hinsichtlich der Aufmerksamkeit für Waldbrände gibt. Während im Anschluss an die Katastrophe ein innovativer Schub im Hinblick auf Prävention und Bekämpfung zukünftiger Waldbrände in Deutschland stattfand, gingen viele dieser Innovationen in den kommenden Jahrzehnten verloren oder wurden nicht weiterverfolgt. Grund hierfür war nicht zuletzt auch, dass in diesen Jahrzehnten ein eher gemäßigtes Klima mit geringer Waldbrandgefahr vorherrschte. Dies hat sich nun geändert und man müsse dringend den Anschluss finden und neue Ansätze entwickeln.

Auf die Frage, wie denn die Waldbrandbekämpfung in Deutschland aufgebaut ist, brachte Dr. Ulrich Cimolino, Leiter des Arbeitskreises Waldbrand des Deutschen Feuerwehr Verbundes die Struktur der Feuerbekämpfung zur Sprache. Dadurch, dass jede Gemeinde in Deutschland (im Unterschied zu den südeuropäischen Ländern) eine eigene Feuerwehr stellt, sind zwar gute lokale Strukturen vorhanden, durch die föderale Struktur gibt es allerdings keine übergreifenden Richtlinien in der Ausbildung und der direkten Feuerbekämpfung. Langfristig sei eine bessere Aufstellung nötig, sowohl in der Ausbildung als auch in der Ausstattung. Ausbildung, Ausrüstung und Struktur erschweren laut Herrn Dr. Cimolino auch, dass Deutschland andere EU-Staaten im Rahmen des Zivilschutz-Mechanismus bei schweren Waldbränden unterstützt. Zustimmung erhielt er von Professor Goldhammer, welcher auch die Probleme der föderalen Struktur kritisierte, andererseits aber die Kooperation mit lokalen Kräften als sehr gewinnbringend hervorhob. Als mögliches Vorbild nennt er hier eine Kooperation zwischen Forstbehörden und der Feuerwehr, wie es eine solche beispielsweise in den USA gibt.

Moderation und technisches Management während der Veranstaltung

Da Förster_innen über weit mehr Erfahrung und Expertise in Bezug auf Wald und Vegetation verfügen, könnten sie auch als erste am besten auf einen entstehenden Waldbrand reagieren, bevor die Feuerwehr eingreift. Es sei letztlich auch viel kostengünstiger, Förster_innen und örtliche Feuerwehren mit dem notwendigen Equipment auszurüsten, um einen Waldbrand in seiner Entstehung zu bekämpfen (Löschrucksäcke, Waldbrandwerkzeug, leichte Schutzausrüstung), als schweres Gerät wie Hubschrauber oder Löschflugzeuge anzuschaffen, welche nicht nur in ihrer Anschaffung, sondern auch im Einsatz kostspielig sind.

Frau Otte widersprach hingegen dem Kritikpunkt, den Föderalismus in Deutschland als Ursache aller Probleme zu benennen. Hierzu nennt sie Frankreich als Beispiel, welches als zentralistischer Staat auch nicht alle der genannten Probleme lösen kann, und darüber hinaus aufgrund der zentralistischen Struktur zusätzlich mit anderen Problemen konfrontiert ist.

Fabian Döbber vom Europe Direct Dortmund moderierte die Podiumsdiskussion

Gemeinsamer Zivilschutz als gelebte Solidarität

Der abschließenden Frage, ob durch den Katastrophenschutz eine Möglichkeit für mehr Solidarität zwischen den EU-Staaten gegeben ist, konnten alle anwesenden Referent_innen zustimmen. Frau Bubendorfer-Licht sieht in der gemeinsamen Stärke bei der Katastrophenbekämpfung den Kern für die Entstehung von mehr Solidarität. Herr Prof. Dr. Goldhammer und auch Dr. Cimolino betrachten die Zusammenarbeit als eine große Chance, wobei Herr Cimolino den Erfahrungsaustausch zwischen den Staaten hervorhebt und die Möglichkeit zu einer Ausbildungskooperation mit Frankreich nennt. Frau Otte setzte den Schlusspunkt: „Katastrophenschutzverfahren sind gelebte Solidarität und ein schönes Beispiel für wirklich handfeste Zusammenarbeit der Europäischen Union“.

Die Aufzeichnung der kompletten Veranstaltung ist hier zu finden: https://bit.ly/2DbEuWs

Text: Till Henke und Fabian Döbber, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Till Henke und Svenja Hennigfeld, Auslandsgesellschaft.de e.V.