2017_09_20 Bin ich Europäer*in?

Bin ich Europäer*in? Workshop mit den Young European Professionals (20.09.2017)

Am 20.09.2017 führten Boris Kagan und Vincent Schreiber von den Young European Professionals (YEP) einen Workshop mit Schüler*innen des Pestalozzi-Gymnasiums in Unna durch, in dem sie die Frage bearbeiteten: Bin ich Europäer*in?

Zu Beginn zog jede*r der Schüler*innen ein Blatt Papier mit einer EU-Länderflagge. Die Aufgabe bestand darin, sich nach dem Alphabet zu ordnen und so die drei Arbeitsgruppen des Workshops zu bilden. Nach reger Diskussion fand jede*r seinen Platz. Das Feedback der Schüler*innen: Es war nicht so schwer. Nur wenige mussten den Nachbarn/die Nachbarin um Hilfe bitten.

2017_09_20_ Bin ich Europäer*in?

Aufgabenblätter für das Flaggen-Alphabet

Als etwas schwieriger entpuppten sich die Länderflaggen von Bulgarien, Kroatien und Dänemark.

Im Anschluss sollten die drei Gruppen, die sich gebildet hatten, aus einer Auswahl von Bildern drei Stück auswählen, die sie mit der EU in Verbindung bringen.

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Verschiedene Bilder mit Europabezug

Jede Gruppe sollte sich zudem auf eines der drei Bilder einigen, das für sie die EU am stärksten symbolisiert. Im Plenum wurde das Ergebnis besprochen: Warum wurden manche Bilder nicht gewählt? Was wurde mit den gewählten Bildern verbunden? Unter den nicht gewählten Bildern waren z.B. ein Bild zum Holocaust-Denkmal in Berlin, das Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel und ein Bild mit Gurken. Letzteres spielte auf eine Verordnung der EU von 1988 an, die auf Empfehlung der UNO-Wirtschaftskommission und auf Wunsch von Bauern selbst Gurken anhand ihrer Größe klassifizierte und so eine gerechte, der Gurkengröße angepasste Preissetzung erwirkte. Die Verordnung wurde von Kritiker*innen jedoch als Beispiel für die überbordende Bürokratie der EU aufgefasst. Die Europäische Kommission setzte die Verordnung 2009 schließlich außer Kraft. Doch noch bis heute arbeiten viele Händler*innen mit der Normung der Verordnung.

Danach wurde geschaut, welche Bilder die Schüler*innen ausgesucht hatten und warum:

Die erste Gruppe hatte sich für ein Bild mit einer Landkarte entschieden, da sie gerne verreiste. Die EU ermöglicht dies ohne Grenzkontrollen. Auch Studieren in einem anderen Land war für die Schüler*innen interessant.

Das zweite Bild zeigte eine EU-Flagge. Die Sterne, die im Kreis angeordnet waren, symbolierten die EU, man sähe sie überall, sagten die Schüler*innen. Allerdings fiel auch auf, dass auf diesem Bild ein Stern fehlte. Sofort wurde an Großbritannien und den Brexit gedacht.

Die dritte Gruppe hatte sich für ein Bild entschieden, auf dem Fäuste zusammengestoßen wurden, was für die Schüler*innen Zusammenhalt zwischen Staaten repräsentierte.

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Die drei ausgewählten Bilder der Schüler*innen mit höchster Priorität

Im Folgenden fand eine Versteigerung von EU-Werten statt. Das Ziel dieser Aufgabe war es, sich darüber klar zu werden, über welche gemeinsamen Werte sich die EU definiert und was diese Werte jede*m Einzelne*n der Teilnehmer*innen bedeuten.

Hierfür wurden Mandeln an die Schüler*innen verteilt, die als Währung gelten sollten.

Allerdings erhielten nicht alle Schüler*innen gleich viele Mandeln. Nach einem für manche unfair erscheinendem Vergabeprinzip bekamen manche Schüler*innen nur drei Mandeln, manche dagegen sechs. Dadurch waren die Schüler*innen sehr unterschiedlich mit Mandeln ausgestattet.

Bevor die Schüler*innen bieten durften, musste zunächst einmal geklärt werden: Was sind Werte überhaupt? Die Antworten lauteten: „ähnlich wie Moral“ und „innere Werte“. Vincent fasste Werte als „Ideen und Überzeugungen, die für die Gemeinschaft wichtig sind“, zusammen. Im Anschluss wurden die zu ersteigernden Werte vorgestellt und miteinander mit Inhalt gefüllt:

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Es durften sogenannte „Bietergemeinschaften“ gebildet werden. Dazu hatten die Schüler*innen fünf Minuten Beratungszeit. Anschließend wurde der erste Wert, Sicherheit, verhandelt. Alle drei Bietergemeinschaften waren an diesem Wert interessiert; er wurde an die meistbietende Gruppe mit acht Mandeln vergeben.

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Während der Werteversteigerung (links Vincent und rechts Boris)

Am meisten Mandeln wurde für den Wert „Demokratie“ (elf Mandeln) geboten, am wenigsten für „Religionsfreiheit“ (drei Mandeln). Nach der Werteversteigerung wurde besprochen, warum sich die einzelnen Gruppen für die unterschiedlichen Werte entschieden haben. Der Wert „Sicherheit“ wurde dabei als europäischer Wert aufgefasst, bei dem alle Länder zusammenarbeiten sollten. „Demokratie“ bedeutet, wählen zu gehen und Mitbestimmung. „Demokratie“ wird als Grundwert der EU angesehen, da auch alle Mitgliedsländer der EU Demokratien sind. Bei dem Wert „Datenschutz“ stellte sich die Frage, ob es sich hier um etwas Neues handelt? Dies wurde mit ja beantwortet. Auch hierbei spiele die EU eine große Rolle und setze sich für den Datenschutz ein, so Boris und Vincent. „Privatsphäre“ wurde als wesentlich privater als „Datenschutz“ wahrgenommen, die Schüler*innen empfanden es auch als wichtig, sahen es aber als „selbstverständlich“ an. Der Wert „Religionsfreiheit“ war dagegen kein großes Thema. Alle Schüler*innen waren christlichen Glaubens oder Atheisten und hatten mit dem Thema Religionsfreiheit bisher wenige Berührungspunkte gehabt. Bei der Frage „Gibt es EU-Mitgliedsländer, die sich nicht an die Religionsfreiheit halten?“ kamen die Schüler*innen ins Grübeln. Eine Schülerin nannte Frankreich, weil es dort ein Burka-Verbot gibt. Boris brachte Polen wegen den neusten Entwicklungen ein; seit Mitte November 2015 regiert dort die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und hat schon verschiedene strittige Gesetze erlassen. Unter Anderem brachte die Regierung Polens eine umstrittene Justizreform auf den Weg und das im Juli 2016 verabschiedete Mediengesetz, welches die Medienfreiheit stark einschränkt.
Abschließend wurde über weitere wichtige Werte gesprochen; den Schüler*innen fielen Begriffe wie Gleichberechtigung, Gleichstellung und Gerechtigkeit ein.

In der Abschlussdiskussion wurden die erarbeiteten Fragestellungen und Konzepte noch einmal zusammengefasst und die Frage „Bin ich Europäer*in?“ abschließend von allen beantwortet. Eine Schülerin sah sich eher als Ruhrpottlerin. Eine andere sagte, es komme sehr stark darauf an, wo man diese Frage gestellt bekomme: Man müsse differenzieren, ob man das in Deutschland gefragt würde. In dem Fall würde man eher sagen, aus welchem Bundesland man komme. Außerhalb von Europa würde man jedoch antworten, dass man Europäer*in sei. Alle konnten sich jedoch darauf einigen, dass Europa und die EU für sie wichtig sind.

Text: Lena-Marie Jäkel
Fotos: © Lena Borgstedt, Auslandsgesellschaft NRW e.V.