2017_09_15 Rede Juncker

Junckers Rede zur Lage der Europäischen Union

Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, hat am Mittwoch, den 13. September 2017, seine jährliche Rede zur Lage der Union vor dem Europäischen Parlament gehalten.

Im Straßburger Europaparlament präsentierte Juncker seine Vision für die EU bis 2025. Die Chance zur Reform der EU sei jetzt da. “Wir haben den Wind in unseren Segeln”, sagte Juncker und schloss seine Rede mit den Worten: “Leinen los!” ab. Er ermahnte alle EU-Staaten, gemeinsame Werte wie Rechtsstaatlichkeit zu wahren und Kompromisse zu suchen.

Weißbuchdebatte zur Zukunft Europas

Zu dem von der Europäischen Kommission herausgebrachten Weißbuch zur Zukunft Europas und den darin enthaltenen fünf Zukunftsszenarien sagte Juncker, dass es viele Debatten gegeben hätte. Das sei aber auch gut so, denn „ich wollte einen Prozess in Gang bringen, in dem die Europäer selbst ihren Weg in die Zukunft bestimmen“. Solche Entscheidungen müssten nach einer politischen Debatte und auf Basis eines breiten politischen Konsenses getroffen werden. Nun sei es aber so weit, dass man den nächsten Schritt gehen müsse, betonte Juncker und sprach von einem „Szenario 6“. Dieses habe drei „unverrückbare Grundprinzipien: Freiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit“. Juncker weiter: „Freiheit fällt nicht vom Himmel, wir müssen für sie kämpfen! In Europa und in der Welt.“ Gleichberechtigung, so Juncker, müsse für alle Mitgliedstaaten gelten, von Osten bis Westen, von Spanien bis nach Bulgarien. Es dürfe keine Bürger*innen zweiter Klasse geben.

Des Weiteren solle es eine gemeinsame „Arbeitsmarktbehörde“ geben, die darüber wache, dass alle Arbeitsstandards eingehalten werden, und die für Fairness innerhalb des Binnenmarktes sorge. Zum Thema Rechtsstaatlichkeit sagte Juncker: „Recht und Gesetz werden durch eine unabhängige Justiz gewahrt“, außerdem müssen rechtskräftige Urteile auch respektiert und umgesetzt werden. „Rechtsstaatlichkeit ist in unserer Union keine Option, sie ist Pflicht!“ Freiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit müssen das Fundament sein, auf dem die EU aufbaue.

Ausweitung der Euro- und Schengenzone?

Juncker machte in seiner Rede den Vorschlag zur Ausweitung der Euro- und Schengenzone ohne Grenzkontrollen für neue EU-Mitglieder wie Rumänien, Bulgarien und Kroatien. Zwar sei es das Ziel, dass alle EU-Staaten den Euro als Gemeinschaftswährung einführen, derzeit sei dies aber nur in 19 von 28 EU-Staaten der Fall. „Der Euro ist dazu bestimmt, die Währung der ganzen Europäischen Union zu sein!“ so Juncker. Von Anfang an galten Ausnahmen für Dänemark und Großbritannien, das ohnehin die EU verlasse. Andere Länder erfüllen die wirtschaftlichen Vorgaben nicht. Ein „Eurovorbeitrittsinstrument“, so schlug Juncker vor, könne helfen, ärmeren Mitgliedern durch technische, aber auch finanzielle Heranführungshilfen schneller den Weg in den Euro zu ebnen. Laut Juncker sei der Euro-Raum heute widerstandsfähiger als noch vor Jahren.

Umstrukturierungen innerhalb der EU

Mit einigen effizienten Umstrukturierungen will Juncker den Euro-Raum weiter stärken. So soll der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) schrittweise zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Juncker sprach sich auch für einen europäischen “Wirtschafts- und Finanzminister” aus, allerdings möchte er dafür kein neues Amt schaffen. Die Position solle der für Währungs- und Wirtschaftsfragen zuständige EU-Kommissar übernehmen, der gleichzeitig Chef der Eurogruppe sein würde.

Wenn es nach Juncker ginge, sollte es außerdem nicht mehr einen Kommissions- und einen Ratspräsidenten geben, sondern nur noch ein EU-Präsidentenamt. In wichtigen Fragen, wie z.B. Außen- und Steuerpolitik, solle in der EU häufiger mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden, statt wie bisher einstimmig. Diese Verfahrensänderung solle schnellere Entscheidungen und mehr Handlungskraft bringen.

EU-Beitritt der Türkei?

Juncker begrüßte die Verhandlungen mit weiteren Ländern über einen EU-Beitritt: „Die Europäische Union wird in den darauffolgenden Jahren mehr als 27 Länder zählen.“ Es müssten allerdings folgende Kriterien beachtet werden: „Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Grundwerte haben oberste Verhandlungspriorität.“ „Das schließt eine EU-Mitgliedschaft der Türkei in absehbarer Zeit aus!“, da sich die Türkei seit geraumer Zeit von der EU entferne, so Juncker. So kritisierte er u.a., dass viele Journalist*innen verhaftet wurden. Er appellierte an die Verantwortlichen, diese freizulassen.

Europa mehr als nur Binnenmarkt

Juncker sagte, er wolle die Herzen und die Köpfe der Europäer*innen zurückgewinnen. Er forderte: „2018 muss ein Fest der kulturellen Vielfalt werden!“ Denn es ginge bei einem gemeinsamen Europa vor allem um gemeinsame Werte und nicht nur um Binnenmärkte oder den Euro. Vielmehr müssten sich die Mitgliedsstaaten spätestens bis zum Göteburg-Gipfel im November 2017 auf gemeinsame Sozialstandards festlegen, um u.a. dem Sozialdumping ein Ende zu bereiten.

Text: Lena-Marie Jäkel, Auslandsgesellschaft NRW e.V.

Bild: © Europäische Kommission, Vertetung in Deutschland

Quellen: https://ec.europa.eu/commission/state-union-2017_de

http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-17-3165_de.htm

http://www.zeit.de/news/2017-09/13/eu-juncker-haelt-jaehrliche-rede-zur-lage-der-eu-13064204