Die Wahlen in Polen - pro-europäische Wende beim östlichen Nachbarn? (06.02.2024)

Die Wahlen in Polen – pro-europäische Wende beim östlichen Nachbarn? (06.02.2024)

Polens Beziehungen zur EU waren in den vergangenen Jahren häufig von Missgunst und Vorwürfen gen Brüssel geprägt. Doch nach der historischen Wahl am 15. Oktober 2023 hoffen viele auf eine pro-europäische Wende durch die neue Regierung. Zwar wurde die rechtspopulistische, euroskeptische und nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wieder die stärkste Kraft, jedoch verlor sie ihre parlamentarische Mehrheit. Daraufhin bildeten die Bürgerliche Plattform (PO), der Dritte Weg (TD) und Die Linke (L) eine neue, liberale Regierung. Dieser Wandel bei unserem östlichen Nachbarn und seine Folgen standen im Fokus unserer Online-Diskussionsveranstaltung mit Dietmar Nietan, MdB und Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit, am 06. Februar. Die Veranstaltung wurde von der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Lüdinghausen und der Europa-Union Dortmund organisiert.

Rückkehr zur liberalen Demokratie mit rechtsstaatlichen Mitteln

„Ich habe geglaubt, dass es so kommt – war allerdings überrascht über die Deutlichkeit“, sagte Dietmar Nietan, gleich zu Beginn der Veranstaltung über den Wahlerfolg der liberalen Kräfte. Im Mittelpunkt stand anschließend unter anderem die Frage, wie man eine in Teilen illiberal gewordene Demokratie wie Polen nun wieder mit rechtsstaatlichen Mittel in eine liberale Demokratie verwandeln kann. Diese Herausforderung komme nun auf die neue polnische Regierung zu, so Nietan. Der Polen-Beauftragte erklärte, dass dies insbesondere vor dem Hintergrund der durch die PiS vereinnahmten Institutionen und durch den staatlich kontrollierten öffentlichen Rundfunk eine besonders komplexe Herausforderung darstelle. Denn die vorhergegangene PiS-Regierung hatte den öffentlichen Rundfunk zu einem Sprachrohr ihrer Regierungspolitik umgebaut.

Nietan sieht viel Grund zum Optimismus in der Mobilisierung der polnischen Gesellschaft: die jüngste Parlamentswahl die höchste Beteiligung in der demokratischen Geschichte Polens. Ein besonders großer Erfolg war zudem, dass die Opposition dadurch gewonnen hat, dass sie viele neue Wähler und Wählerinnen mobilisieren konnte.

Präsident Duda in einer besonderen Rolle

Nietan unterstrich ebenfalls die Bedeutung des polnischen Präsidenten Andrzej Duda. Dieser sehe sich nicht als überparteiliche Kraft, sondern plane, nach seinem Mandat wieder in die Parteipolitik einzutreten. Deswegen versuche er nun, als eine Art Allgemeinopposition zu fungieren und die Politik der neuen Regierung zu verlangsamen, analysierte der Bundestagsabgeordnete.

Neustart für die deutsch-polnischen Beziehungen

Ebenfalls wurde diskutiert, wie die neue Deutschlandpolitik Polens nach dem Regierungswechsel aussehen wird. Bereits jetzt bestehe ein reger Austausch zwischen der deutschen und der neuen polnischen Regierung, berichtete Nietan. Das beiderseitige Ziel sei eine Normalisierung und Wiederbelebung der deutsch-polnischen Beziehung, auch in der Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union. Nietan unterstrich jedoch auch, dass dieser Prozess graduell ablaufen und die polnische Seite die Geschwindigkeit angeben müsse.

Energiewende auch in Polen?

Auch energiepolitisch sei eine Wende in Polen absehbar, berichtete Nietan. Auch wenn kein so energischer Kohleausstieg wie in Deutschland zu erwarten ist, werden sich die neuen Parteien darum bemühen, Polen langfristig in eine klimaneutrale Zukunft zu führen. Nietan betonte am Ende auch, dass die PiS-Regierung einen durchaus erfolgreichen sozialpolitischen Kurs gefahren und zu erwarten sei, dass die neue Regierung diesen beibehalten werde. Populärste Maßnahme in diesem Zusammenhang: das erhöhte Kindergeld in Polen.

Bei allen Unsicherheiten sei jedoch klar, dass mit Donald Tusk ein überzeugter Pro-Europäer künftig die Geschicke des Landes führen werde, schloss Nietan bei unserem wichtigen Austausch über eine entscheidende Wahl und die Zukunft eines der wichtigsten EU-Mitgliedsstaaten.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung können Sie unter diesem Link finden: https://us06web.zoom.us/rec/share/wISo-Yvqk–QU_htW4Nv7ZyGaBlLRQ53p-nrxrRbciPtRgDCSUkykwSHLcdVPcCi.rY_QTYu6GWY8m_oD